Ehrenamt: Ungelernte Bürger stehen Berufsrichtern für fünf Jahre bei der Urteilsfindung zur Seite
Wahl 2023: Amtsgerichte im Kreis Mayen-Koblenz suchen neue Schöffen
Junge Männer wegen Serie von Brandstiftung vor Gericht
Erst bei seinem letzten Wort im Gerichtssaal äußerte sich der Angeklagte zu den Vorwürfen. Er wurde zu sieben Jahren Haft wegen Betrug und Untreue verurteilt. Foto: Sascha Ditscher (Archiv)
Sascha Ditscher

Kreis MYK. Im ersten Halbjahr 2023 werden bundesweit die Schöffen und Jugendschöffen für die Amtszeit von 2024 bis 2028 gewählt. Auch am Amtsgericht Mayen und dem Landgericht Koblenz werden Personen gesucht, die als Vertreter des Volkes an der Rechtsprechung in Strafsachen teilnehmen. Die Fristen für eine Bewerbung enden in den kommenden Tagen.

Junge Männer wegen Serie von Brandstiftung vor Gericht
Erst bei seinem letzten Wort im Gerichtssaal äußerte sich der Angeklagte zu den Vorwürfen. Er wurde zu sieben Jahren Haft wegen Betrug und Untreue verurteilt. Foto: Sascha Ditscher (Archiv)
Sascha Ditscher

Wer für das Ehrenamt infrage kommt und welche Bedeutung ihm innewohnt, hat die RZ mit dem Direktor des Mayener Amtsgerichtes, Joachim Anheier, besprochen. Grundsätzlich kann jeder Schöffe werden, der bei Beginn der Amtsperiode mindestens 25 und unter 70 Jahre alt ist, über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügt und ohne schwerwiegende Vorstrafen verfügt. Zum Einsatz kommen sie in Prozessen, in denen es um mögliche Freiheitsstrafen von bis zu vier Jahren geht.

„Ich halte es für ein sehr interessantes Amt. Vieles, was bei den Prozessen verhandelt wird, ist für die Schöffen Neuland, und natürlich kann man bei der Rechtsgestaltung mitwirken“, sagt Anheier. Schöffen besitzen das gleiche Stimmrecht wie Berufsrichter und können diesen mitunter sogar bei der Schuldfrage und der Strafzumessung überstimmen. In der Zeit, in der sie für das Gericht tätig sind, müssen Arbeitnehmer ohne finanzielle Einbußen von ihren Arbeitgebern freigestellt werden.

Laien unterstützen Berufsrichter

Am Amtsgericht in Mayen werden für die kommenden Jahre insgesamt 16 Schöffen benötigt, erklärt Anheier. Vier Schöffenpaare für das Erwachsenengericht und noch einmal die gleiche Anzahl für das Jugendschöffengericht. Im Schnitt warten auf jedes Team zwölf Einsätze im Jahr, danach wird die Zusammensetzung neu ausgelost.

Joachim Anheier
Axel Holz

Ihre Funktion für das deutsche Rechtssystem sei nicht zu unterschätzen, findet der Mayener Richter: „Sicher würde das Gericht auch ohne sie funktionieren, ich sehe aber den Vorteil darin, dass die Berufsrichter durch Schöffen noch einmal eine Rückkopplung erhalten, was für ein Rechtsempfinden in der Bevölkerung existiert“. Das Ganze habe natürlich auch ein demokratisches Element.

Unvoreingenommener Blick auf die Angeklagten

Mehr als 30 Jahre arbeitet Joachim Anheier inzwischen mit Schöffen zusammen: Er würde immer sagen, dass es eine gute Sache war. „Die Leute sind manchmal überrascht, über das, was alles so vorkommt. Die Hälfte meiner Fälle haben mit Drogenkonsum zu tun oder Betäubungsmittelkriminalität. Menschen aus bürgerlichen Verhältnissen werden hier mit Dingen konfrontiert, die sie nur aus dem Fernsehen kennen.“

Das Besondere an Schöffen sei, dass sie nicht nur als Ungelernte, sondern in gewisserweise auch als Ahnungslose auftreten. „Sie kennen, anders als der Berufsrichter, den Inhalt der Verhandlungsakte nicht. Für den Schöffen gilt allein das Mündlichkeitsprinzip während der Verhandlung“, führt Anheier aus. Daher sei der persönliche Eindruck, den ein Angeklagter bei Gericht auf den Schöffen macht, durchaus ausschlaggebend.

Auch zum Wahlverfahren der Schöffen gibt es Interessantes zu wissen: Die Auswahl unter den Bewerbern nimmt ein Schöffenwahlausschuss, bestehend aus sieben Vertrauenspersonen, einem Verwaltungsbeamten, in diesem Fall dem Vertreter des Landrates, und dem Direktor des Amtsgerichtes, vor. „Die Schöffen müssen die Bevölkerung im Schnitt repräsentieren, auch nach Berufsgruppen, Alter und Geschlecht. Bei den Jugendschöffen müssen es genauso viele Männer wie Frauen sein.“

Bewerberzahlen konstant

Jede Gemeinde im Zuständigkeitsgebiet des Amtsgerichtes ist in Relation zu ihrer Einwohnerzahl angehalten, eine bestimmte Anzahl von Kandidaten vorzuschlagen. Während das in Bermel etwa nur eine Person ist, sucht die Stadt Mayen zum Beispiel 27 Bewerber. „Manchmal wird diese Zahl aber nicht erreicht, weil die Gemeinden Probleme haben, ausreichend Interessenten zu finden“, so Anheier.

Eine Stichprobe der RZ zeigt jedoch, dass die aktuellen Bewerberzahlen vergleichbar mit den Vorjahren sind: „Zum Stand 30. März ist die Anzahl der bisher eingegangen Schöffenbewerbungen fast identisch mit der Anzahl der Bewerbungen aus der letzten Wahlperiode“, bestätigt Vallendars VG-Chef Fred Pretz. Einzig auf der Insel Niederwerth habe sich noch niemand gefunden. Da die Bewerbungsfrist in der VG aber erst am 16. April ende, hoffe er aber noch auf weitere Interessenten. In der VG Weißenthurm ist das Bild ähnlich: Hier versichert Stadtsprecherin Katharina Demleitner: „Wie es nach einem ersten Überblick aussieht, sind jeweils ausreichend Bewerbungen um das Schöffenamt eingegangen.“ Für die Orte Bassenheim, Kaltenengers und St. Sebastian sind je zwei Personen, für die Stadt Weißenthurm sechs und die Stadt Mülheim-Kärlich acht Personen vorzuschlagen.

Reich, das werde man als Schöffe sicher nicht, betont Anheier abschließend. Es gebe lediglich eine kleine Aufwandsentscheidung je Einsatztag. Es bleibe aber die Gewissheit, an einer verantwortungsvollen Aufgabe mitzuwirken.

Weitere Infos zur Schöffenwahl und den Bewerbungsfristen gibt es unter www.schoeffenwahl2023.de

Von Martin Boldt

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