Rabea Hachmeister hat ihre Entscheidung bereits gefällt. Zu überzeugen gibt es für Marko Boos (SPD) also nicht mehr viel, als er bei der 47-Jährigen klingelt, die im Süden von Eich lebt. „Er wird ein sehr guter Landrat“, sagt Hachmeister. Ihr Sohn Julius nickt kräftig. Da er, zumindest in diesem Haushalt, nicht mehr um Stimmen werben muss, sagt Boos schlicht „Danke“ und gibt noch einen Burgfestspieletipp. „Unbedingt Sonny Boys anschauen, da hab' ich mich kaputt gelacht“, sagt er und grinst sein Spitzbubengrinsen.
Boos, 48 Jahre jung, weiße Sneaker, schwarzer Mantel, führt an diesem Donnerstagnachmittag viele solcher Gespräche. Er erfährt viel Zustimmung, was ihm in den letzten anstrengenden Wahlkampftagen Kraft gebe, wie er sagt. Den ganzen Wahlkreis deckt er nicht mit seinem Haustürwahlkampf ab – „das würde bestimmt drei Jahre dauern“, schätzt er. Doch er besucht so viele Orte, Straßen, Menschen wie möglich. „Die Leute sollen mich kennenlernen.“
Am Sonntag geht es zur Stichwahl
Am Sonntag kommt es drauf an. Dann wird sich zeigen, ob sich der Aufwand gelohnt hat und „die Leute“ im Kreis Mayen-Koblenz Boos nicht nur kennengelernt haben, sondern auch als Landrat haben wollen. Nach dem Superwahlsonntag, bei dem Christdemokrat Pascal Badziong im Ringen um den Chefsessel im Kreishaus unerwartet aus dem Rennen schied, kämpft Boos nun darum, in der Stichwahl den Freien Wähler Christian Altmaier zu bezwingen. Boos rechnet sich gute Chancen aus. Schon im ersten Wahlgang lag er, wenn auch äußerst knapp, vor beiden Mitbewerbern.
Er setzt auf den letzten Wahlkampfmetern auf Themen, in denen er stark ist, auf Bildung und Co. Er setzt auf seine Bekanntheit im Landkreis, er, der er schon lange in Nickenich lebt und der aktuell als Direktor des Bernhardshofes Mayen arbeitet, wenn er auch aus Valwig an der Mosel stammt.
Er setzt auf seine Mannschaft, die an diesem Tag in mehreren Gruppen in Eich ausschwärmt. „Ihr seid Team fünf!“ Mit solchen Worten hat Boos' Wahlkampfhelferin und Social-Media-Expertin Sabine Petersen neben dem bronzefarbenen Boos-Bulli die Wahlkämpfertrupps eingeteilt. Mit Boos unterwegs in Eich sind sein Wahlkampfchef Maximilian Mumm, zugleich VG-Bürgermeister aus dem Maifeld, sowie Oliver Lescher, für den es am Sonntag ebenfalls in eine Stichwahl geht. Lescher will Eicher Ortsvorsteher werden, weswegen er auch Wahlkampf für sich selbst macht. An den Haustüren moderiert er dennoch meist Boos an: „Darf ich euch Marko vorstellen? Er will unser Landrat werden!“
Was den 48-Jährigen auf den letzten Wahlkampfmetern herausfordert: Die Geschehnisse und die Stimmung rund um die SPD so zu kanalisieren, dass sie für ihn funktionieren. Gegenüber der Bundes-SPD tritt man in seinem Umfeld kritisch auf, grenzt sich ab. Viel tun muss Boos dafür nicht, alleine die Nähe von Mumm reicht aus, der gerne mal Bundeskanzler Scholz kritisiert. Der Ansatz im Boos-Team ist, dass alte sozialdemokratische Werte, wie die Nähe zu den Angestellten und Arbeitern, den „80 Prozent der Menschen in diesem Land“, wie Mumm es ausdrückt, wieder in den Fokus gerückt werden sollen.
Kreis MYK. Es bleibt dabei: Vonseiten der alten Jamaika-Koalition im Kreistag Mayen-Koblenz wird es keine Empfehlung für einen Kandidaten in der Stichwahl um den Landratsposten am Sonntag geben.Endspurt um den Landratsposten in Mayen-Koblenz: Bunte Liste macht sich für SPD-Mann stark
Die Personalveränderungen der vergangenen Tage innerhalb der Landes-SPD könnten Boos nun sogar nützen. Am Samstag kommt der künftige Ministerpräsident zwecks Wahlkampfhilfe – „Marktrundgang mit Alex Schweitzer“, steht in Boos Terminliste. Schon am Freitag schaut die baldige SPD-Landesvorsitzende Bätzing-Lichtenthäler vorbei. „Pendlerfrühstück mit Sabine“ ist im Kalender vermerkt. Die Termine sind schon seit Längerem ausgemacht, aber seit den Ereignissen um Malu Dreyers Rücktritt liegt viel öffentliche Aufmerksamkeit auf diesen beiden Personalien. Boos hofft, sich zu profitieren, um der erste SPD-Landrat überhaupt im Kreis Mayen-Koblenz zu werden.
Zwei Kandidaten sind noch im Rennen um das Amt des Landrates im Kreis Mayen-Koblenz, beide kämpfen nach einem extrem knappen ersten Wahlgang weiter um die Gunst der Wähler. Die Rhein-Zeitung hat die Bewerber um die Nachfolge von Alexander Saftig im Wahlkampf begleitet.Wer wird neuer MYK-Landrat? Die letzten Meter mit Christian Altmaier
Rund anderthalb Stunden lang ziehen Boos, Mumm, Lescher an diesem Nachmittag in Eich umher. Die meisten Reaktionen sind positiv, es gibt viel Schulterklopfen, auch aufbauende Worte, doch nicht nur. Einige Türen bleiben verschlossen, einige Eicher haben keine Zeit oder Lust zu sprechen, mit einzelnen Anwohnern, die sonst AfD wählen, ist das Gespräch mitunter schnell vorbei. „Reden müssen wir trotzdem miteinander, da gibt es keine Alternative“, sagt Boos.
Tipp für das Deutschlandspiel
Als es auf halb sechs zugeht, sind Anwohner verwundert, dass sie jetzt noch wegen einer Landratswahl angesprochen werden – schließlich beginnt gleich das Spiel gegen Ungarn. Boos und seine Mitstreiter fahren zurück zum Feuerwehrhaus, wo der Bulli steht, dann geht es für ihn weiter nach Andernach zum Public Viewing. Wie die Wahl ausgeht? Er will keine Prognose abgeben. Beim Spiel Deutschland gegen Ungarn ist er hingegen bereit, sich festzulegen. „Das Ding gewinnen wir.“ Peter Meuer