Auch die Verfassungsschützer mussten im vergangenen Jahr erstmals auf eine völlig neue Bedrohung reagieren: die Corona-Pandemie. Die Krise habe „Gefahren für die Innere Sicherheit, ja für die Demokratie in unserem Land hervorgerufen“, schreibt Lewentz im Vorwort des Berichts. Diese und weitere Entwicklungen spielten auch in unserer Region eine Rolle. Die RZ gibt einen Überblick:
1 Corona-Protestbewegung: Kritik an den Corona-Maßnahmen ist das eine. Das andere ist, dass die Protestbewegung „offenkundig vermehrt Zulauf von Personen wie Corona-Leugnern und Verschwörungsfantasten“ bekommen hat, die das demokratische System als solches in Frage stellen, heißt es im Verfassungsschutzbericht. Auch Rechtsextremisten und sogenannte Reichsbürger beteiligten sich an den Protesten. Zudem bildeten sich landesweit „Querdenken“-Initiativen.
Ein Aktionsschwerpunkt der Corona-Maßnahmen-Gegner ist unter anderem die Region Koblenz. So war die Rhein-Mosel-Stadt Schauplatz einer Versammlung im Zuge der sogenannten Corona-Info-Tour, auf der bekannte Protagonisten der „Querdenken“-Bewegung mit einem Bus durch ganz Deutschland gefahren sind und Kundgebungen abgehalten haben.
Eine andere Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen wurde zum Fall für die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz. Dabei handelt es sich um eine Versammlung am Mainzer Rheinufer, an der am 26. September 2020 rund 250 Menschen teilnahmen. Einer der Redner rief zur Gewalt gegen das Kanzleramt in Berlin auf – was ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten nach sich zog.
2 Identitäre Bewegung (IDB): Die Identitäre Bewegung konzentriert sich bei ihren Aktionen hauptsächlich auf Spontan-, Plakat- oder Briefwurfaktionen und deren anschließende virtuelle Verbreitung im Internet. So erklärt es der Verfassungsschutzbericht. Die IDB versuche jeweils, mit einem relativ geringen personellen wie materiellen Aufwand eine größtmögliche mediale Reichweite und Öffentlichkeit zu erreichen. Das war 2020 auch bei Aktionen der IDB in Koblenz und Ochtendung der Fall.
So befestigten Aktivisten der IDB am 8. November 2020 im Zuge der der IBD-Kampagne „Islamistische Gefährder abschieben“ ein Banner an einer Brücke der B 9 in Koblenz. Neben dem Symbol der IDB standen der Schriftzug „Islamisten abschieben“ und die Namen der Städte Dresden, Paris, Nizza und Wien auf dem Banner. „Die IDB beabsichtigte hiermit, einen Bezug zwischen terroristischen Anschlägen und einer in ihren Augen verfehlten Einwanderungspolitik herzustellen“, teilt das Innenministerium mit. Wenige Tage später, am 17. November 2020, wurden in Ochtendung Flyer der IDB verteilt.
3 Nationalsozialisten: Neonazis bilden den größten Teil des rechtsextremistischen Spektrums. In Rheinland-Pfalz gibt es sie laut Verfassungsschutzbericht sowohl lose, informelle Zusammenschlüssen mit niedrigem Organisationsgrad als auch mehrere vergleichsweise straff organisierte Kameradschaften an. Eine dieser Kameradschaften konnte auch im Großraum Koblenz ausgemacht werden. Nähere Informationen darüber geben die Verfassungsschützer nicht.
4 Antifa: Mit einer Solidaritätsaktion für Lina E., die bei den Sicherheitsbehörden als Anführerin einer linksextremistischen Gruppe gilt, hat es die Koblenzer Antifa in den Verfassungsschutzbericht geschafft. Lina E. wurde im November 2020 in Leipzig festgenommen. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wirft ihr untere anderem die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie Straftaten wie gefährliche Körperverletzung und räuberischen Diebstahl vor. „Die Forderung der Antifa Koblenz, Lina E. freizulassen, zeigt, dass Gewalt als Mittel zur Durchsetzung eigener Ziele als legitim erachtet wird“, heißt es im Verfassungsschutzbericht.
Zuvor hatte die Antifa Koblenz am 9. Oktober 2020 zur Teilnahme an einer Demonstration gegen die Räumung der „Liebig34“, einem durch eine Hausbesetzung entstandenes Wohnprojekt der linken Szene in Berlin, mobilisiert. Auch das ist im Bericht vermerkt.
5 Terrorismus, Jihadismus, Spionage: Überdies erwähnt der Verfassungsschutzbericht zwei Verfahren am Oberlandesgericht (OLG) Koblenz. Im ersten Fall hat das OLG am 18. August 2020 einen regionalen Funktionär der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. „Die Richter sahen es als erwiesen an, dass er ab Mai 2018 eigenverantwortlich das PKK-Gebiet Mainz leitete und in dieser Funktion durch das Organisieren und Überwachen von Spendenkampagnen und Veranstaltungen Finanzmittel beschaffte“, heißt es im Verfassungsschutzbericht.
Im zweiten Fall ging es um eine Deutsche, die 2014 in Richtung Syrien ausgereist war, um sich dort mutmaßlich dem Islamischen Staat (IS) anzuschließen. Sie wurde im Januar 2020 nach Deutschland abgeschoben. Die Staatsanwaltschaft Koblenz leitete ein Verfahren wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung ein. Das Urteil von zwei Jahren auf Bewährung verkündete das OLG am 4. März 2021.
Ergänzend dazu erwähnt der Verfassungsschutzbericht des Bundes ein Verfahren gegen einen deutsch-afghanischen Staatsangehörigen, der am 23. März 2020 vom OLG zu sechs Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe wegen Landesverrats in einem besonders schweren Fall verurteilt wurde. Der Verurteilte war als Übersetzer und landeskundlicher Berater bei der Bundeswehr tätig und hatte Erkenntnisse an einen iranischen Nachrichtendienst weitergegeben.