Von unserem Mitarbeiter Silvin Müller
Denn im Alter von sechs Jahren musste sie mit ihren jüdischen Eltern Charlotte Michel und Jakob Michel vor den Nazis fliehen. Für die Familie begann eine Odyssee durch Europa, die für ihre Eltern im Jahr 1942 mit dem Tod im Konzentrationslager Auschwitz endete.
Ihr Vater betrieb zunächst mit seinem Bruder eine Weinhandlung in der Andernacher Hochstraße. „Ich erinnere mich an einen Sandkasten, der voller Würmer war, sowie Spaziergänge auf dem Krahnenberg und den Namedyer Sprudel“, beschrieb Oliner. Neben den wenigen Eindrücken konnte sie aus Andernach nicht viel mitnehmen. Sie verwahrt mehrere Bilder der Bäckerjungenstadt, die sich einen alten Reisekoffer befanden, den wohl ihre Tante nach Amerika mitgenommen hatte.
Bereits im Jahr 1936 hätte sie mit den Eltern Andernach verlassen müssen: „Das war schwer für mich, denn da war die ganze Familie meiner Mutter.“ Wahrscheinlich hatten die Geschäftseinnahmen nicht mehr gereicht. Die Michels zogen nach Köln. Eine Hausdurchsuchung veranlasste die Familie dann zur Flucht nach Belgien. Nach der Besetzung des Landes und der Inhaftierung des Vaters flüchteten Mutter und Tochter nach Frankreich, da der Vater dort in einem Lager war. Als er im August 1942 deportiert werden sollte, entschloss sich die Mutter, mit ihm mit zu gehen, während die Tochter und ein Cousin versteckt wurden.
Mit Hilfe einer jüdischen Untergrundorganisation gelangte die Andernacherin in die Schweiz und von dort aus im Jahr 1946 in die USA. Sie studierte Psychologie, heiratete und arbeitete als Psychoanalytikerin in New York. Erst im Jahr 1976 fand sie die Kraft, nach Andernach zu kommen, um einen Cousin zu besuchen. Erst zwanzig Jahre später durch Kontakte mit Andernacher Familien begann Oliner, öfters herzukommen.
Unter den Folgen ihrer Flucht leidet die 86-Jährige nach eigenen Angaben noch immer. Sie ist nicht gerne mit Fremden zusammen und stellt ihr Dasein in Frage: „Ich komme mir nicht so berechtigt vor wie andere Leute“, sagte Onliner, die am Vortag zu der Frage „Warum Krieg?“ am Andernacher Institut für Psychotherapie und Psychoanalyse Rhein-Eifel referiert hatte.