Seine Altersgenossen verbringen Zeit mit den Enkeln, frönen ihrem Hobby oder genießen anderweitig die freie Zeit nach dem Berufsleben. Doch Ruhestand ist nicht Ulrich Hermanis Sache. Mehr als zehn Jahre, nachdem er das Amt des Geschäftsführers des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) aus Altersgründen abgegeben hat, ist er weiterhin aktiv – beruflich, politisch und ehrenamtlich. Jetzt tritt der 76-jährige Andernacher als Direktkandidat der FDP bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Ahrweiler an.
Es ist die Sorge um den Wirtschaftsstandort Deutschland, die ihn dazu bewogen hat, neben seiner Tätigkeit als selbstständiger Berater mit den Schwerpunkten Strategien im Maschinenbau und Unternehmensnachfolge in den Wahlkampf einzusteigen: „Ich bin ein Vollblut-Volkswirt“, charakterisiert sich Hermani selbst. Als solcher schmerze es ihn, wie schlecht es um die deutsche Wirtschaft trotz ihrer Stärken stehe.
Während der Finanzkrise Arbeitsplätze gesichert
Es ist nicht die erste Wirtschaftskrise, mit der sich Hermani beschäftigt: Nach dem Studium von Volkswirtschaftslehre und Jura arbeitete er zunächst als wissenschaftlicher Referent im Kölner Institut der deutschen Wirtschaft und wechselte später als wirtschaftspolitischer Berater in die Kieler Staatskanzlei. 1980 ging er in die Industrie und war für den Kettensägenproduzenten Stihl und den Weltmarktführer für Lasersysteme, Trumpf, tätig. In der Finanzkrise 2008/09, die den heimischen Maschinenbauern einen immensen Umsatzrückgang bescherte, setzte er sich als VDMA-Geschäftsführer gemeinsam mit der IG Metall erfolgreich dafür ein, dass die große Mehrheit der Arbeitsplätze erhalten bleiben konnte – vor allem durch Qualifizierungsmaßnahmen während der Kurzarbeit.
Beruflich wie privat ist er viel in der Welt herumgekommen, insbesondere in Asien und Südamerika. Bei Delegationsreisen sei er am Ort stets voller Bewunderung auf die duale Ausbildung angesprochen worden. Auch in Bezug auf den starken Mittelstand, die Grundlagenforschung und seine Fachkräfte müsse sich Deutschland keineswegs verstecken. Diese Stärken habe man in den vergangenen Jahren aber nicht mehr ausspielen können.
„Ohne FDP macht die CDU vor allem Sozialpolitik.“
FDP-Bundestagskandidat Ulrich Hermani
Die Probleme sind hausgemacht, ist Hermani überzeugt: Eine überbordende Bürokratie, die Vielzahl von Regularien, die hohen Energiepreise und Steuern bremsten Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus. Bürokratieabbau sei das Gebot der Stunde, zudem müssten die Steuern runter, um mehr Investitionen zu ermöglichen. Subventionen könne man massenhaft abbauen, statt mehr Vorschriften bräuchten Unternehmen den Freiraum, selbst Entscheidungen zu treffen. „Ich glaube, dass wir die Wende schaffen“, zeigt sich der Andernacher optimistisch.
Um die immensen Herausforderungen bewältigen zu können, brauche man allerdings die FDP im Bundestag, betont Hermani, der sich als Jugendlicher zunächst in der Jungen Union engagierte, vor zehn Jahren dann aber aus Unzufriedenheit mit den wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Union in die FDP eintrat: „Ohne FDP macht die CDU vor allem Sozialpolitik.“ Dabei brauche der Staat, um seine Ausgaben finanzieren zu können, in erster Linie eine starke Wirtschaft. Er wolle daher seinen Beitrag dazu leisten, dass die FDP wieder über 5 Prozent kommt: „Das ist so wichtig!“
Mehr qualifizierte Kräfte für den deutschen Arbeitsmarkt
Dass nach den Taten von Magdeburg und Aschaffenburg das Thema Migration den Wahlkampf dominiert, findet er schade. Schließlich brauche der deutsche Arbeitsmarkt mehr qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland, das erlebe er auch im privaten Umfeld: Wenn seine Ehefrau Marion Bauer-Hermani, die als Chefärztin der Gerontopsychiatrie in der Rhein-Mosel-Fachklinik tätig ist, ihre Kollegen nach Hause einlädt, sitzen stets viele verschiedene Nationalitäten mit am Tisch. „Die Klinik könnte ohne Fachkräfte aus anderen Ländern dichtmachen.“ Es gelte, die legale Einwanderung zu fördern, etwa durch ein Punktesystem, wie es Kanada oder Australien nutzen.
Nach Andernach zog es Hermani erst 2014, zuvor führte er mit Ehefrau Marion 20 Jahre lang eine Fernbeziehung. In der neuen Heimat habe er sich schnell eingelebt und Freundschaften geschlossen, erzählt er – nicht zuletzt durch sein Engagement im Rotary Club Koblenz-Mittelrhein. In diesen war er eingetreten, weil die örtlichen Rotarier damals noch keine Frauen aufnahmen, was ihm aber wichtig ist: „Es geht auch darum, unterschiedliche Positionen zu hören.“
Seit der Flutkatastrophe im Ahrtal engagiert
Wenige Tage nachdem er offiziell zum Präsidenten des Rotary Club Koblenz-Mittelrhein ernannt worden war, ereignete sich die Flutkatastrophe im Ahrtal. Von Beginn an engagierte er sich mit den Mitgliedern des Clubs für die Flutbetroffenen – etwa mit einer Feldküche, die die Menschen vor Ort und Helfer mit Essen versorgte: „Ich fand es fantastisch, wie viele mitgemacht haben.“ Bis heute fördert der Club Projekte des Wiederaufbaus im Ahrtal.
Dieses anpackende soziale Engagement ist Hermani wichtig, es bereitet ihm Freude. Lediglich die Zeit mit den fünf Enkeln komme bei allen beruflichen wie ehrenamtlichen Projekten zu kurz, bedauert Hermani, der Vater dreier erwachsener Kinder ist. Doch sein unermüdlicher Einsatz – auch im Wahlkampf, der ihn zu den verschiedenen FDP-Ortsgruppen im Wahlkreis führt – macht ihm weiterhin Spaß: „Das alles ist mein Lebenselixier.“