Doch was hat sich auf den Straßen und (Schienen-)Wegen seitdem getan? Und wie kommen die Maßnahmen bei den Verkehrsteilnehmern an?
Der Busverkehr: Die neue Taktung und Linienführung der regionalen Busse soll die Pellenzgemeinden untereinander wie auch die Andernacher Kernstadt und die Stadtteile besser miteinander verbinden und den ÖPNV in der Region als echte Alternative zum eigenen Auto etablieren. Der Start missglückt bekanntermaßen gründlich, und auch in den darauf folgenden Monaten reißt die Kritik nicht ab.
Für den Plaidter Dorfplatz stellen Planer zwar eine neue Gestaltung vor, die der gestiegenen Busfrequenz Rechnung trägt, doch die damit einhergehende Verlagerung der Parkplätze wird bei einer Einwohnerversammlung seitens der anwesenden Bürger heftig kritisiert. Unklar ist außerdem nach wie vor, inwieweit eine mögliche neue Bushaltestelle in Bahnhofsnähe das Ortszentrum künftig entlasten kann.
In Andernach diskutiert man darüber, inwieweit sich die Situation auf dem Martinsberg entschärfen ließe, etwa durch die Ausweisung von Einbahnstraßen, den Wegfall von Parkplätzen oder die Abschaffung von Bushaltestellen. Zu einer entsprechenden Beschlussfassung kann man sich in den politischen Gremien allerdings nicht durchringen: Lediglich die Haltestelle „Keltenweg“ hält man im Mobilitätsausschuss für verzichtbar. Ansonsten verständigen sich die Ausschussmitglieder mehrheitlich darauf, dem neuen Linienbuskonzept des Kreises die Chance zu geben, sich zu etablieren.
Der Andernacher Bahnhof: Neben den Linienbussen soll sich auch die Bahn als Alternative zum Auto mehr durchsetzen, so der Wunsch der Kommunalpolitiker in der Region. Wie wenig man es selbst in der Hand hat, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, zeigt 2022 einmal mehr der Andernacher Bahnhof. Mit der Einführung des 9-Euro-Tickets im Juni werden immer mehr Bahnreisende auf den desolaten Zustand des Andernacher Bahnhofs aufmerksam: Die Bahnhofshalle sowie die Unterführung zu den Bahnsteigen sind in einem verheerenden Zustand. Die erheblichen Verschmutzungen und die üblen Gerüche machen wenig Lust darauf, dauerhaft auf die Schiene umzusteigen.
„Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit mit der Bahn.“
Der Andernacher Oberbürgermeister Achim Hütten verspricht sich viel vom Dialog mit den Verantwortlichen in Sachen Bahnhof.
Der Andernacher Oberbürgermeister Achim Hütten zeigt sich nach dem Gespräch zuversichtlich: „Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit mit der Bahn.“ Zwar werde der Andernacher Bahnhof ab Januar wieder nur noch drei Mal in der Woche gereinigt. Dafür habe man sich darauf geeinigt, sich über eine sogenannte Sicherheitspartnerschaft unter Einbeziehung der Bundespolizei auszutauschen, um den Vandalismus einzudämmen. Vor einigen Jahren hatten das städtische Ordnungsamt, die örtliche Polizei sowie die Bundespolizei schon einmal in Sachen Bahnhof zusammengearbeitet. Die Kooperation war allerdings nach einiger Zeit wieder eingeschlafen.
Der Pächter des Kiosks spiele des Weiteren mit dem Gedanken, eine Toilette einzurichten. Seitens Andernach.net wolle man Kontakt zu Unternehmen wie Sanifair aufnehmen, um abzufragen, inwieweit diese Interesse daran haben, eine Toilettenanlage für die 4300 Besucher, die den Andernacher Bahnhof im Schnitt täglich frequentieren, zu betreiben, informiert Hütten weiter. Inwieweit die Maßnahmen greifen und sich der Schandfleck positiv entwickelt, werden die kommenden Monate zeigen.
Die Tempo-30-Regelungen: Nachdem es einige Zeit recht ruhig um das Thema Tempo 30 in der Andernacher Innenstadt war, beschließt der Stadtrat im Frühjahr ein umfassendes Konzept, welches Tempo 30 auch auf den größeren Zufahrts- und Durchgangsstraßen der Innenstadt vorsieht, darunter „Kirchberg“, Breite Straße, Beckstraße, Agrippastraße und auf Abschnitten der Aktienstraße.
Die Verwaltung setzt das Konzept innerhalb weniger Wochen um und stellt die entsprechende Beschilderung auf. So manchem Andernacher geht das zu schnell: In den sozialen Netzwerken machen Autofahrer ihrem Ärger über die neue Regelung Luft. Insbesondere die geänderte Vorfahrtsregelung an zahlreichen Einmündungen, wo mit der Einführung von Tempo 30 künftig „Rechts vor links“ gilt, sorgt für Irritationen.
Während man in Andernach das Tempo in vielen Bereichen der Kernstadt gedrosselt hat, wartet man in Kruft weiterhin auf eine mögliche Umsetzung von Tempo 30 im gesamten Ort. Eine entsprechende Regelung beschließt der Ortsgemeinderat bereits im Frühjahr, die Prüfung des Sachverhalts durch die zuständigen Behörden dauert allerdings immer noch an. Laut Straßenverkehrsordnung ist die innerörtliche Geschwindigkeit auf 50 Stundenkilometer festgelegt. Man lege Wert darauf, dass eine Tempo-30-Regelung im gesamten Ort auch rechtssicher sei, informiert Ortsbürgermeister Walter Kill in der Einwohnerfragestunde der jüngsten Ratssitzung.
Der Radverkehr: Sinn und Zweck umfassender Tempo-30-Regelungen ist es nicht zuletzt, den Straßenverkehr für Radfahrer sicherer zu gestalten. Für den Ausbau einer fahrradfreundlichen Stadt will Andernach 2022 insgesamt 800.000 Euro ausgeben. Tatsächlich verausgabt wird lediglich ein mittlerer fünfstelliger Betrag.
Neu ausgebaute Radrouten sucht man in Andernach vergeblich, allerdings sind die meisten Einbahnstraßen im Stadtgebiet seit Frühjahr für Radfahrer in beide Richtungen freigegeben. Diese Regelung soll es Radfahrern ermöglichen sich ohne Umwege durchs Stadtgebiet zu bewegen.
Die Stadtratsfraktion der Grünen nennt die geringe Umsetzungsquote bei Radverkehrsprojekten in einer Pressemitteilung nichtsdestotrotz „ernüchternd“. Der Radverkehr genieße in Andernach immer noch nicht die Priorität, die er im Zuge der Verkehrswende verdient habe.