Rückblick: Kreis und Kommunen wollen mehr klimafreundliche Mobilität - Einige Maßnahmen sorgen für viel Kritik
Viel Kritik an Maßnahmen: Ist 2022 das Jahr der Verkehrswende in Andernach und der Pellenz?
An den Einmündungen in den „Stadtgraben“ gilt seit der Tempo-30-Zone eine geänderte Vorfahrtsregelung. Blinkende Verkehrsschilder machen darauf aufmerksam.
Martina Koch

Andernach/Pellenz. 2022 soll die Wende bringen, zumindest was die Mobilität in der Region betrifft. Weniger motorisierter Individualverkehr, mehr Radfahrer, mehr ÖPNV – dieses Ziel haben sich Kreis und Kommunen auf die Fahnen geschrieben. Der Kreis hatte Ende 2021 eigens ein neues Linienbuskonzept aus der Taufe gehoben, während sich die Stadt Andernach der Umsetzung des klimafreundlichen Mobilitätskonzepts widmet, welches ein Verkehrsplanungsbüro erarbeitet hatte.

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Doch was hat sich auf den Straßen und (Schienen-)Wegen seitdem getan? Und wie kommen die Maßnahmen bei den Verkehrsteilnehmern an?

Der Busverkehr: Die neue Taktung und Linienführung der regionalen Busse soll die Pellenzgemeinden untereinander wie auch die Andernacher Kernstadt und die Stadtteile besser miteinander verbinden und den ÖPNV in der Region als echte Alternative zum eigenen Auto etablieren. Der Start missglückt bekanntermaßen gründlich, und auch in den darauf folgenden Monaten reißt die Kritik nicht ab.

Der Plaidter Dorfplatz ist einer der Verkehrskonotenpunkte im neuen Linienbuskonzept des Kreises.
Martina Koch

Während Anlieger am Plaidter Dorfplatz sich über die absurd hohe Zahl an Linienbussen beklagen, die den Verkehrsknotenpunkt tagtäglich ansteuern, führen auch andernorts enge Ortsdurchfahrten, die nicht für die eingesetzten Busse ausgelegt sind, zu anhaltenden Problemen – etwa im Wohngebiet am Martinsberg in Andernach. Lösen ließen sich diese Konflikte bis Jahresende nicht.

Für den Plaidter Dorfplatz stellen Planer zwar eine neue Gestaltung vor, die der gestiegenen Busfrequenz Rechnung trägt, doch die damit einhergehende Verlagerung der Parkplätze wird bei einer Einwohnerversammlung seitens der anwesenden Bürger heftig kritisiert. Unklar ist außerdem nach wie vor, inwieweit eine mögliche neue Bushaltestelle in Bahnhofsnähe das Ortszentrum künftig entlasten kann.

In Andernach diskutiert man darüber, inwieweit sich die Situation auf dem Martinsberg entschärfen ließe, etwa durch die Ausweisung von Einbahnstraßen, den Wegfall von Parkplätzen oder die Abschaffung von Bushaltestellen. Zu einer entsprechenden Beschlussfassung kann man sich in den politischen Gremien allerdings nicht durchringen: Lediglich die Haltestelle „Keltenweg“ hält man im Mobilitätsausschuss für verzichtbar. Ansonsten verständigen sich die Ausschussmitglieder mehrheitlich darauf, dem neuen Linienbuskonzept des Kreises die Chance zu geben, sich zu etablieren.

Der Andernacher Bahnhof: Neben den Linienbussen soll sich auch die Bahn als Alternative zum Auto mehr durchsetzen, so der Wunsch der Kommunalpolitiker in der Region. Wie wenig man es selbst in der Hand hat, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, zeigt 2022 einmal mehr der Andernacher Bahnhof. Mit der Einführung des 9-Euro-Tickets im Juni werden immer mehr Bahnreisende auf den desolaten Zustand des Andernacher Bahnhofs aufmerksam: Die Bahnhofshalle sowie die Unterführung zu den Bahnsteigen sind in einem verheerenden Zustand. Die erheblichen Verschmutzungen und die üblen Gerüche machen wenig Lust darauf, dauerhaft auf die Schiene umzusteigen.

Der Zustand des Andernacher Bahnhofs sorgt 2022 wieder einmal für viel Kritik.
Martina Koch

Zuständig für die Sauberkeit der öffentlichen Bereiche ist nach dem Verkauf des Bahnhofsgebäudes an einen privaten Eigentümer nach wie vor die Bahn, die infolge der vehementen Kritik, die unter anderem von der Stadt geäußert wird, schließlich einlenkt und eine tägliche Reinigung anordnet – zunächst bis Ende Dezember. Anfang Dezember kommen schließlich Vertreter der Stadt und der Bahn sowie der Eigentümer des Bahnhofsgebäudes zu einem Krisengespräch zusammen.

„Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit mit der Bahn.“

Der Andernacher Oberbürgermeister Achim Hütten verspricht sich viel vom Dialog mit den Verantwortlichen in Sachen Bahnhof.

Der Andernacher Oberbürgermeister Achim Hütten zeigt sich nach dem Gespräch zuversichtlich: „Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit mit der Bahn.“ Zwar werde der Andernacher Bahnhof ab Januar wieder nur noch drei Mal in der Woche gereinigt. Dafür habe man sich darauf geeinigt, sich über eine sogenannte Sicherheitspartnerschaft unter Einbeziehung der Bundespolizei auszutauschen, um den Vandalismus einzudämmen. Vor einigen Jahren hatten das städtische Ordnungsamt, die örtliche Polizei sowie die Bundespolizei schon einmal in Sachen Bahnhof zusammengearbeitet. Die Kooperation war allerdings nach einiger Zeit wieder eingeschlafen.

Der Pächter des Kiosks spiele des Weiteren mit dem Gedanken, eine Toilette einzurichten. Seitens Andernach.net wolle man Kontakt zu Unternehmen wie Sanifair aufnehmen, um abzufragen, inwieweit diese Interesse daran haben, eine Toilettenanlage für die 4300 Besucher, die den Andernacher Bahnhof im Schnitt täglich frequentieren, zu betreiben, informiert Hütten weiter. Inwieweit die Maßnahmen greifen und sich der Schandfleck positiv entwickelt, werden die kommenden Monate zeigen.

Die Tempo-30-Regelungen: Nachdem es einige Zeit recht ruhig um das Thema Tempo 30 in der Andernacher Innenstadt war, beschließt der Stadtrat im Frühjahr ein umfassendes Konzept, welches Tempo 30 auch auf den größeren Zufahrts- und Durchgangsstraßen der Innenstadt vorsieht, darunter „Kirchberg“, Breite Straße, Beckstraße, Agrippastraße und auf Abschnitten der Aktienstraße.

Die Verwaltung setzt das Konzept innerhalb weniger Wochen um und stellt die entsprechende Beschilderung auf. So manchem Andernacher geht das zu schnell: In den sozialen Netzwerken machen Autofahrer ihrem Ärger über die neue Regelung Luft. Insbesondere die geänderte Vorfahrtsregelung an zahlreichen Einmündungen, wo mit der Einführung von Tempo 30 künftig „Rechts vor links“ gilt, sorgt für Irritationen.

An den Einmündungen in den „Stadtgraben“ gilt seit der Tempo-30-Zone eine geänderte Vorfahrtsregelung. Blinkende Verkehrsschilder machen darauf aufmerksam.
Martina Koch

Seitens der Stadt habe man rechtzeitig Vorkehrungen getroffen, um die Situation zu entschärfen, berichtet Pressesprecher Christoph Maurer: So habe man überall dort, wo sich die Vorfahrtsregelung geändert hat, mit Warnleuchten versehene Schilder aufgestellt, die auf die Neuregelung aufmerksam machen. Negatives Feedback zur Umsetzung von Tempo 30 habe die Verwaltung nur in einem sehr überschaubaren Maß erreicht.

Während man in Andernach das Tempo in vielen Bereichen der Kernstadt gedrosselt hat, wartet man in Kruft weiterhin auf eine mögliche Umsetzung von Tempo 30 im gesamten Ort. Eine entsprechende Regelung beschließt der Ortsgemeinderat bereits im Frühjahr, die Prüfung des Sachverhalts durch die zuständigen Behörden dauert allerdings immer noch an. Laut Straßenverkehrsordnung ist die innerörtliche Geschwindigkeit auf 50 Stundenkilometer festgelegt. Man lege Wert darauf, dass eine Tempo-30-Regelung im gesamten Ort auch rechtssicher sei, informiert Ortsbürgermeister Walter Kill in der Einwohnerfragestunde der jüngsten Ratssitzung.

Der Radverkehr: Sinn und Zweck umfassender Tempo-30-Regelungen ist es nicht zuletzt, den Straßenverkehr für Radfahrer sicherer zu gestalten. Für den Ausbau einer fahrradfreundlichen Stadt will Andernach 2022 insgesamt 800.000 Euro ausgeben. Tatsächlich verausgabt wird lediglich ein mittlerer fünfstelliger Betrag.

Neu ausgebaute Radrouten sucht man in Andernach vergeblich, allerdings sind die meisten Einbahnstraßen im Stadtgebiet seit Frühjahr für Radfahrer in beide Richtungen freigegeben. Diese Regelung soll es Radfahrern ermöglichen sich ohne Umwege durchs Stadtgebiet zu bewegen.

Die Stadtratsfraktion der Grünen nennt die geringe Umsetzungsquote bei Radverkehrsprojekten in einer Pressemitteilung nichtsdestotrotz „ernüchternd“. Der Radverkehr genieße in Andernach immer noch nicht die Priorität, die er im Zuge der Verkehrswende verdient habe.

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