Besucherin wendet sich mit offenem Brief an Andernacher Aktionsgemeinschaft
Unpassendes Konzept: Ärger über Mafia-Motto beim First Friday in Andernach
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Der First Friday zieht, wie auf dem Archivbild zu sehen, an jedem ersten Freitag im Monat viele Besucher in die Andernacher Innenstadt. Außergewöhnliche Mottos gehören zum Erfolgsrezept dazu, betonen die Veranstalter der Aktionsgemeinschaft Andernach Attraktiv.
Elvira Bell. Elvira Bell/Archiv

Es sollte ein schöner Abend in der Andernacher Innenstadt werden, in der sich die Besucher anlässlich des First Fridays wie in Italien fühlen konnten. Doch Angela Joschko aus Ediger-Eller, die auf der Durchreise nach Koblenz in Andernach Station machte, verging die Lust auf einen gemütlichen Bummel, als sie ein Plakat mit dem Motto des Abends entdeckte: „Ciao Italia – von Mafia bis Spaghetti“. Was sie so sehr empört und wie der Veranstalter reagiert.

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„Ich war wie vor den Kopf geschlagen“, schreibt Joschko in einem offenen Brief, den sie sowohl an die Aktionsgemeinschaft Andernach Attraktiv (AAA) als auch an Oberbürgermeister Christian Greiner schickte. Die Mafia stehe für organisierte Kriminalität und für das unermessliche Leid, das diese über Generationen von Familien gebracht habe. Als launiges Motto für einen langen Einkaufsabend sei diese Begriffswahl denkbar ungeeignet, ärgert sich Angela Joschko: „Ich frage mich, wie so etwas zustande kommt.“

Schließlich habe es auch im Großraum Koblenz erst vergangenes Jahr große Razzien wegen des Verdachts gegeben, dass Mitglieder der italienischen 'Ndrangheta in mehreren Gastronomiebetrieben in Mayen und Koblenz Geldwäsche, gewerbsmäßigen Bandenbetrug und Steuerhinterziehung betrieben hätten. Der Verdacht, dass es sich bei den Verhafteten aus der Region um Mitglieder der Mafia-Organisation 'Ndrangheta handelt, ließ sich allerdings nicht aufrechterhalten. Fünf von ihnen wurden wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs rund ums Kurzarbeitergeld zu Haftstrafen verurteilt.

Die Mafia ist in Deutschland aktiv

Dass die Mafia Deutschland für ihre kriminellen Machenschaften nutzt, gilt indes als gesichert: Das Bundesinnenministerium geht für 2022 von mehr als 1000 aktiven Mitgliedern aus, die schwerpunktmäßig in der Gastronomie, im Lebensmittelhandel und in Kfz-Betrieben tätig sind. Die verschiedenen Mafia-Gruppierungen sind im internationalen Drogenhandel aktiv, betreiben Geldwäsche und Steuerbetrug. Mit den kriminellen Aktivitäten wird hierzulande schätzungsweise jährlich ein Millionenbetrag erwirtschaftet.

Mit ihrer Einschätzung die Mafia betreffend habe Joschko natürlich völlig recht, sagt die stellvertretende AAA-Vorsitzende Heike Reiff. Man habe seitens der AAA auf den offenen Brief geantwortet und deutlich gemacht, dass man diese Ansicht teile.

Wir wählen die monatlichen Themen mit einem Augenzwinkern aus.

Heike Reiff

Gleichzeitig habe man versucht, der Verfasserin das Konzept des First Fridays näherzubringen: „Wir wählen die monatlichen Themen mit einem Augenzwinkern aus“, betont Heike Reiff. Dabei entferne man sich bewusst vom Mainstream, wie ihn andere Kommunen bieten, und nehme es in Kauf auch mal anzuecken: „Wir trauen uns, ein bisschen drüber zu sein.“

Die Provokation stehe aber nicht im Vordergrund, es gehe vielmehr darum, die Kunden mit außergewöhnlichen Einkaufserlebnissen zu locken. In diesem Jahr ließ man anlässlich des First Fridays in Andernach bereits unter dem Motto „Andernach Royal“ die britische Monarchie hochleben, zeigte, was „Hinter den Kulissen“ der Gewerbetreibenden vor sich geht, und bewegte sich unter dem Motto „Rolling Wheels“ mit allem, was Räder hat, durch die Fußgängerzone.

Italienische Gastronomen finden Motto “witzig"

Kritische Reaktionen habe es lediglich bezüglich des „Red-Light-Shoppings“ zu Jahresbeginn gegeben, als man eine Atmosphäre wie auf der Hamburger Reeperbahn kreierte, räumt Heike Reiff ein. Anlässlich von „Ciao Italia“ habe sich niemand über das damit verbundene Mafia-Motto beschwert: „Auch unsere aus Italien stammenden Gastronomen fanden das witzig“, erzählt Reiff.

Der Schwerpunkt habe auf der aufwendigen Dekoration mit Zitronen und über die Wege gespannten Wäscheleinen gelegen, die für italienisches Flair sorgten. Italiener aus Palermo schufen mit ihren Gesprächen über die Gassen hinweg für die passende Geräuschkulisse: „Wir haben nicht auf dem Thema herumgeritten.“

Wenn ich nur für eine kleine Irritation gesorgt habe, bin ich schon zufrieden.

Angela Joschko über ihren offenen Brief

Gerade die Nutzung des Begriffs Mafia als Werbegag ist es indes, die Angela Joschko besonders zu schaffen macht. Es handele sich um eine Verharmlosung, die der organisierten Kriminalität in die Hände spielt: „Es geht ja gerade darum, sich das Image eines Biedermanns aufzubauen, um dann ungestört kriminellen Machenschaften nachzugehen.“ Insbesondere in deutschen Kleinstädten sei die Mafia auf diese Weise erfolgreich: „Weil wir ahnungslos sind“, bekräftigt Joschko. Sie wundere sich, warum man in Andernach einem solchen Eindruck nicht entgegenwirken wolle.

Die Argumente, die die AAA in ihrer Antwort auf den offenen Brief anführt, lasse sie nicht gelten, werde in dieser Sache aber nicht weiter aktiv werden: „Wenn ich nur für eine kleine Irritation gesorgt habe, bin ich schon zufrieden.“ Mit seinen außergewöhnlichen und auch mal provokanten Mottos sei es bisher gut gelungen, den langen Einkaufsabend in Andernach zu etablieren, erklärt Heike Reiff: „Das kann schon mal jemand in den falschen Hals bekommen. Aber die Attraktivität des First Fridays hat Vorrang.“

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