Premiere bei Burgfestspielen
„Sterngarten“ bringt Mayener Geschichte auf die Bühne
Neben Recherchen in Archiven befragten die Mitglieder des Ensembles auch Menschen, die Erinnerungen rund um den Sterngarten hatten. Das Ergebnis ist eine wilde Zeitreise, die insgesamt zwölfmal auf die Bühne gebracht wird. Vorne links im Bild ist Regisseurin Judith Kriebel zu sehen.
Elvira Bell

Das Tanzlokal Sterngarten hat in Mayen angeblich einst jede zweite Ehe gestiftet, heißt es. Das Ensemble der Bürgerbühne bei den Burgfestspielen bringt nun Anekdoten aus dem legendären Veranstaltungshaus auf die Bühne.

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Als neue Sparte der Mayener Burgfestspiele hat sich die Bürgerbühne etabliert. Nach dem großen Erfolg der Vorgängerproduktion „Zuckertoni“ haben sich 13 nicht-professionelle Darsteller für die aktuelle Spielzeit an das neue Projekt „Sterngarten“ herangewagt.

Im Bürgertheater spielen Menschen unterschiedlicher Generationen und Berufe mit, die im Alltag nur wenige Berührungspunkte haben und alle Theater-affin sind. Der Anspruch der Darsteller im Alter zwischen 20 und 65 Jahren ist es, gemeinsam ein Stück Mayener Zeitgeschichte zu erforschen, um diese mit Leidenschaft, Spielfreude und theatralen Mitteln auf die Bühne des Alten Arresthauses zu bringen.

„Wir, die den Sterngarten bestenfalls aus Kindheitserinnerungen kennen, waren überrascht, was alles berichtet wurde.“
Werner Blasweiler

Um es vorneweg zu sagen: Alle zwölf Aufführungen einschließlich der Generalprobe sind restlos ausverkauft. Das verwundert nicht. Schließlich gibt es wohl kaum einen älteren Mayener oder Menschen aus der näheren Region, der mit dem Sterngarten nicht die ein oder andere Erinnerung verbindet. „Seit der Planung, der Findung des Themas und der Darstellersuche ist fast genau ein Jahr verstrichen“, berichtet Ideengeber Werner Blasweiler unserer Redaktion. Er ist sozusagen der Kopf des Ensembles.

Das Thema schmiegt sich hervorragend an das Spielzeitmotto der Mayener Burgfestspiele „Miteinander.“ Gemeinsam haben die Akteure recherchiert, Anekdoten gesammelt, mit heimatliebenden Zeitzeugen gesprochen und Szenenentwürfe geschrieben. „Wir, die den Sterngarten bestenfalls aus Kindheitserinnerungen kennen, waren überrascht, was alles berichtet wurde. Tolle Geschichten, die uns Inspirationen gaben, entsprechende Szenen zu schreiben“, betont Werner Blasweiler. „Sie wurden durch Judith Kriebel, der neuen Regisseurin, schon in den ersten Proben weiterentwickelt. Das Ganze wurde am Ende von ihr in Spielform gebracht.“

Eine Kennenlernszene bringen Johannes Held und Sophie Meiers auf die Bühne.
Elvira Bell

Seit mehreren Monaten wird geprobt, zunächst nur ein Abend in der Woche. Später kamen Wochenenden hinzu und aktuell wird jeden Tag geprobt. Entstanden ist eine wilde Zeitreise durch acht Jahrzehnte, gewürzt mit jeder Menge Lokalkolorit, Gesang und echter Mayener Lebensart. Getreu dem Motto „Lohs uss Danze“ gibt es, wie es sich für das legendäre Tanzlokal ziemt, entsprechende Musik. Die musikalische Leitung obliegt Alfred (Alli) Wölwer, der sich ebenso wie alle anderen mit Herzblut einbringt. Werner Blasweiler konnte das musikalische Multitalent während eines Einkaufs in einem Supermarkt hierfür gewinnen.

Warum sich das Bürgertheater dem bis zum 28. Juli 1979 in der Koblenzer Straße existierenden identitätsstiftenden Ort des Miteinanders mit solcher Intensität widmet? Ganz einfach: Der Sterngarten war ein Sehnsuchtsort. „Angeblich wurde hier zu Zeiten meines Papas jede zweite Ehe gestiftet“, berichtet Blasweiler. Aus diesem Grund werden die Besucher in den Genuss einer fiktiven Kennenlernszene kommen. „Man könnte hierzu bestimmt 1000 Geschichten erzählen.“

„Viele bekannte Stars gaben sich die Klinke in die Hand.“
Werner Blasweiler

Insgesamt kommen 17 Szenen zur Aufführung. So manche Idee blieb leider auf der Strecke. Es war einfach zu viel Stoff für einen rund zweistündigen Theaterabend. „Wir haben uns natürlich die Frage gestellt: Was von unseren Geschichten ist belegt? Was gehört eher in die Kategorie der Erinnerungsfolklore?“

Auch unsere Zeitung hat so manches Mal über den Sterngarten mit seinen beiden Sälen, den Kegelbahnen, dem Gastraum und der Diele geschrieben. Mit dem Titel „Scheiden tut weh“ berichtete Redakteur Thomas Schulte, dass der Sterngarten in den 1950er-Jahren das größte Veranstaltungshaus am Mittelrhein war. In dem Artikel hatte er von der bevorstehenden unwiderruflich letzten Tanzveranstaltung berichtet. „Es wird ein Abschied für immer.“ Die Location war 76 Jahre ein Ort, an dem sich das kulturelle Leben und teilweise auch das politische Geschehen abspielten.

Werner Blasweiler zeigt die druckfrische Broschüre zum Thema Sterngarten, die der Geschichts- und Altertumsverein für Mayen und Umgebung herausgegeben hat.
Elvira Bell

Im völlig überfüllten Saal des Sterngartens standen The Lords, Künstler wie Trude Herr, Willy Millowitsch, Howard Carpendale und Mario Adorf, aber auch die Großen der Bundesrepublik von Jockel Fuchs bis Helmut Kohl, Franz Josef Strauß und Willy Brandt im Rampenlicht. „Viele bekannte Stars gaben sich die Klinke in die Hand“, so Blasweiler.

Auch die legendäre „Nacht der langen Messer“ ging hier über die Bühne. Wo auch sonst? Sie ist in die Geschichte eingegangen. Vor 2000 Gästen hatte der damalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl, am Freitag, 13. März 1970, mit Blick auf die beabsichtigte Verwaltungsreform Farbe bekennen müssen.

Die historischen Fakten, wie etwa der Bau des Sterngartens, wurden ein bisschen verändert, sodass die Szenen spielbar und für das Publikum sehenswert sind. Passend zu den Theateraufführungen hat der Geschichts- und Altertumsverein für Mayen und Umgebung eine 36 Seiten umfassende Broschüre mit zahlreichen Fotos herausgegeben. Für die Besucher der Aufführungen ist diese Lektüre kostenlos.

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