Workshops, Filme, Führungen
So stärkt Ochtendung die Demokratie
Mit jedem Schritt setzen sie sich für Demokratie ein: Ochtendungs Bürgermeister Hans-Georg Hammes (CDU) und seine Amtsvorgängerin Rita Hirsch (SPD).
Birgit Pielen

Die Feinde der Demokratie lauern überall: In sozialen Netzwerken, in rechtsextremen Parteien, manchmal auch am Stammtisch im Dorf. Ochtendung will nicht tatenlos zusehen.

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Eigentlich ist die Welt in Ochtendung in Ordnung. Das Dorf mit seinen fast 5700 Einwohnern hat eine gute Infrastruktur. Es gibt 54 Vereine, eine Grundschule und vier Kindergärten. Es gibt zwei Zahnärzte, zwei Allgemeinmediziner, eine Hautärztin und eine Apotheke, attraktive Firmen für Arbeitnehmer, eine gute Anbindung an die Autobahnen 48 und 61, eine Kulturhalle, viele Wander- und Fahrradwege. Aus dem guten Miteinander der Ochtendunger entwickelt sich jetzt eine ganz neue Stärke, die eine Strahlkraft über den Ort hinaus hat: Die Einheimischen machen sich stark für das, was lange Zeit als unangreifbar galt: die Demokratie.

Die Ochtendunger setzen sich dafür ein, dass es mit der Demokratie nicht bergab geht.
Jan Woitas. picture alliance/dpa

Mitten in Ochtendung lebt Rita Hirsch. Mehr als 40 Jahre war die Sozialdemokratin in kommunalpolitischen Gremien tätig, viele Jahre davon als Ortsbürgermeisterin. Nebenbei hat sie als Spielführerin der ersten Damenfußballmannschaft das Fair Play verteidigt. Heute sorgt sich die 79-Jährige um das Fair Play in der Gesellschaft. „Man sieht immer wieder, wie fragil unsere Demokratie geworden ist“, sagt sie im RZ-Gespräch. „Dabei geht Demokratie jeden an – jede Familie, jeden Verein, jedes kommunalpolitische Gremium. Ich sage immer: Ihr könnt unterschiedliche Meinungen haben, ihr könnt streiten, aber letztlich müsst ihr einen Kompromiss finden. Dann kann jeder zufrieden sein. Das ist Demokratie.“

Soziale Netzwerke haben großen Einfluss auf die Meinungsbildung, vor allem bei jungen Menschen.
Alicia Windzio. picture alliance/dpa

Ja, es könnte so einfach sein, gäbe es nicht die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD, gäbe es nicht die Welle an Fake News, die durch die sozialen Netzwerke wie TikTok, Telegram und Facebook gespült wird und in deren Strudel vor allem junge Menschen geraten. Schon im vergangenen Jahr sagte Rita Hirsch unserer Zeitung, als sie eine große Kundgebung für Vielfalt und gegen Fremdenfeindlichkeit organisiert hatte: „Ich konnte das Gelaber der AfD nicht mehr ertragen und habe ein Schild an mein Gartentor gehängt, das meine Abneigung gegen den Rechtsextremismus ausdrückt. Zweimal wurde das Schild bei Nacht und Nebel von Unbekannten entfernt. Da musste ich einfach etwas tun.“

Nach der Kundgebung, zu der 400 Menschen gekommen waren, stand schnell fest: Das kann nicht alles gewesen sein, es muss weitergehen. Die Verteidigung der Demokratie muss fortgesetzt werden. „Das ist mein Lebensinhalt“, sagt Rita Hirsch. Und da hat sie in Hans-Georg Hammes, der seit Juli 2024 Ortsbürgermeister von Ochtendung ist, einen guten Mitstreiter. Er hatte kürzlich Grundschüler aus der zweiten bis vierten Klasse zu Gast und hat ihre Fragen beantwortet: Was macht ein Bürgermeister eigentlich? Was kann er als Ortschef entscheiden? Und wie funktioniert ein Gemeinderat?

„Dass der demokratische Gedanke heute in jeder Familie vorgelebt wird, ist nicht mehr selbstverständlich", sagt Hans-Georg Hammes.
Birgit Pielen

Hammes sagt: „Dass der demokratische Gedanke heute in jeder Familie vorgelebt wird, ist nicht mehr selbstverständlich.“ Und genau deshalb gibt es die „Woche der Demokratie“, die vor allem auf Kinder und Jugendliche zugeschnitten ist. Am Montag, 19. Mai, werden in der Grundschule zwischen 14 und 16 Uhr Themenfilme für Grundschüler gezeigt. Am Dienstag, 20. Mai, folgt von 18.30 bis 20.30 Uhr ein Workshop im Pfarrzentrum zum Umgang mit rechten und demokratiefeindlichen Vorfällen. Im Boot ist dabei Susanne Mülhausen von der Fachstelle Jugend im Visitationsbezirk Koblenz.

Rita Hirsch wird am Mittwoch, 21. Mai, Interessierte über das frühere jüdische Leben in Ochtendung informieren und besondere Aufmerksamkeit auf die Stolpersteine richten, die an deportierte Familien erinnern. Treffpunkt ist um 17 Uhr an der Kastorstraße. Am Freitag, 23. Mai, folgt um 19 Uhr im Pfarrzentrum ein Projekt zur Würde des Menschen. Diakon Bernd Hammes arbeitet dabei mit den Skulpturen von Ralf Knoblauch. Sie sollen an die jedem Menschen innewohnende Königswürde erinnern – und daran, dass wir Menschen füreinander da sein sollen.

Die Stolpersteine in Ochtendung erinnern an jüdische Bürger, die in den Konzentrationslagern Auschwitz und Theresienstadt ermordet wurden.
Birgit Pielen

Die „Woche der Demokratie“ endet am Samstag, 24. Mai, mit einem großen Fest in der Kulturhalle. Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) wird ab 11 Uhr als Hauptredner dabei sein. Es wird musikalische Unterhaltung durch die Chöre der Ars-Musica-Familie geben, Präsentationen aus den Workshops und dank Karin Fust und Sabine Israel von der Flüchtlingshilfe Maifeld ein international bestücktes Büfett. Günther Gries vom Heimatverein zeigt Fotos der Bürgermeister aus der Nachkriegszeit. Die beiden Freundeskreise Caiazzo und La Chaussée-Saint-Victor stellen ihre Partnerschaft vor – ihre Begegnungen sind gelebte Demokratie. Mit dabei sind auch die „Omas gegen rechts“ aus Koblenz und Umgebung.

Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) wird als Hauptredner in Ochtendung sein.
Andreas Arnold. picture alliance/dpa

„Offenheit, Toleranz und ein gutes Miteinander zeichnen unsere Heimatgemeinde aus“, sagt Hans-Georg Hammes. Das soll auch so bleiben. Rita Hirsch zitiert gerne einen Satz des Schriftstellers Erich Kästner: „An allem Unfug, der passiert, sind etwa nicht nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.“

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