Ein Thema, das für gläubige Menschen sehr schmerzhaft sein kann, dem sie dennoch nicht ausweichen möchten, steht im Mittelpunkt des Modellprojektes „Kirchraumpilot∗innen Vordereifel. Die Träger des Projektes, die Verbandsgemeinde Vordereifel, das Bistum Trier und die Hochschule Koblenz als Verbundpartner, fordern die Menschen dazu auf, angesichts der schrumpfenden Zahl der Gottesdienstbesucher über eine erweiterte Nutzung oder Umnutzung der Kirchengebäude nachzudenken. Die Gespräche unter rund 50 Bürgerinnen und Bürgern bei der Auftaktveranstaltung in der St.-Stephanus-Kirche Nachtsheim sind lebhaft und kreativ, zeigen aber auch, dass noch sehr viele Fragen offen sind und auch Missverständnisse ausgeräumt werden müssen.

Die Nachrichten von einigen verkauften Kirchengebäuden, die nach der sogenannten Profanierung (Entwidmung) einer rein weltlichen Nutzung zugeführt wurden, etwa als Sporthalle oder Disko, machen den Teilnehmenden des Treffens in Nachtsheim Angst. Sie befürchten, dass ihnen ihre Kirche weggenommen werden soll, weil die meisten Bänke in den Gottesdiensten leer bleiben. Diese Angst möchten die Verantwortlichen des Projektes den Menschen nehmen. Es gehe nicht darum, Kirchen zu schließen, sondern sie vielmehr zu erhalten, betonen die Initiatoren des Projektes.
Doch da sich weder das Bistum Trier noch die Kommunen den Unterhalt der teils großen Kirchengebäude kaum noch leisten können, müsse über zusätzliche Nutzungen nachgedacht werden. „Es geht eben nicht um Schließung der Kirchen, sondern um deren Erhaltung“, beruhigt Dekan Jörg Schuh die Menschen. Dazu müssten Kooperationspartner außerhalb der Kirche gefunden werden, um die finanzielle Belastung auf mehrere Schultern zu verteilen.

Professor Peter Thomé von der Hochschule Koblenz erklärt: „Kirchenschließungen sind eher ein städtisches Thema, auf dem Land bestehen ganz andere Bedarfe.“ Die Kirche im Dorf sei nur noch eine „Anlass-Kirche“, etwa für Hochzeiten oder Taufen, aber kein Ort des Austausches und der Begegnung mehr. Die Vereine und Gruppen haben sich ihre eigenen Räume geschaffen, sodass für das gesamte Dorf kein gemeinsamer Sozialraum zur Verfügung stehe. „In den Kirchen kann wieder eine Gemeinschaft hergestellt werden, wenn sie sich der ganzen Gesellschaft öffnet“, sagt Thomé. Dabei betont er, dass keine Nutzung von außen vorgeschrieben werden soll. Vielmehr seien Vereine und Gruppierungen aufgerufen, sich zusammenzusetzen, um über sinnvolle Angebote für alle Generationen nachzudenken: „Die Kirche soll immer noch im Dorf bleiben, doch sie muss sich auch für alle Menschen öffnen.“ Im Übrigen begegnet Thomé der vereinzelten Kritik am Projekt „Kirchenraumpilot∗innen“ mit der Feststellung: „Es ist doch gut, dass schon eine Diskussion in Gang gekommen ist.“

Eine Kletterkirche für die Vordereifel?
Man soll doch die Kirche im Dorf lassen, sagt man sprichwörtlich. Doch was ist, wenn die Kirche im Dorf auf dem Prüfstand steht, weil die Finanzierung des Denkmals zu teuer ist? In der Vordereifel denkt man jetzt über Umnutzungen nach.
Hermann Condné, im Bistum Trier im Bereich Bau und Immobilien beschäftigt, empfiehlt, sich der Realität verantwortungsvoll anzupassen. Er verweist auf den demografischen Wandel und das veränderte Freizeitverhalten der Menschen. Condné macht Mut zur Veränderung und zur teilweisen Öffnung der Kirchen für eine weltliche Nutzung, um Begegnungsmöglichkeiten in hellen, ansprechenden Räumen zu schaffen.
Helle und ansprechende Räume, abgetrennt vom sakralen Kirchenraum, bieten sich in der St. Stephanus-Kirche in Nachtsheim geradezu für erweiterte Nutzung an. In diese Nebenräume ziehen sich nach der Einführung die Arbeitsgruppen zurück, um ihre Gedanken und Ideen auszutauschen. Die Teilnehmenden befassen sich unter anderem mit den Fragen „Wie kann die Kirche für die Gemeinschaft genutzt werden“, „Wie kann Kirchenraum neu entdeckt werden?“ aber auch: „Soll alles beim Alten bleiben?“ Ein Hauptanliegen in den Arbeitsgruppen ist der Wunsch, die Würde der Kirche als sakralen Raum zu wahren. Der Altarraum soll unbedingt abgetrennt von den weltlich genutzten Räumen sein. So mahnt Dekan Schuh: „Das ist immer noch eine Kirche, und die ist uns heilig.“

Die Ideen der Teilnehmenden in den Arbeitsgruppen sind vielfältig. So sollten die Kirchen offen sein für Andersgläubige, um diesen die christliche Lehre näherzubringen. Ein Anliegen ist auch, die Jugend mit entsprechenden Veranstaltungen wieder für die Kirche zu gewinnen. Vorgeschlagen werden unter anderem kulturelle Veranstaltungen wie Musik, Theater, Lesungen und Kunstausstellungen, aber auch Möglichkeiten der Bildung, etwa Hilfestellung bei der Digitalisierung. Denkbar sind auch Bistro oder Treffpunkt für Jung und Alt. Bedacht wird auch, einen Fahrdienst für nicht mobile Menschen aus den einzelnen Dörfern zur Kirche einzurichten.

Das Modellprojekt, das durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über das Programm Ländliche Entwicklung und Regionale Wertschöpfung (BULEplus) gefördert wird, erstreckt sich über zweieinhalb Jahre. Die Ergebnisse des Vernetzungstreffens in Nachtsheim werden nun ausgewertet beziehungsweise zusammengefasst. Dann wird zu weiteren Treffen eingeladen, um das Vorhaben Schritt für Schritt zu konkretisieren.