Ist das der Anfang vom Ende des Herstellers von Hygieneprodukten in Mayen? - Firma soll als Innovationsstandort weitergeführt werden
Schockstarre in Mayen: Ontex entlässt 350 Mitarbeiter
Gehen im Ontex-Werk im Mayener Tal auf absehbare Zeit alle Lichter aus? Nach dem Kahlschlag, den die Firmenleitung am Freitag in einer Betriebsversammlung in Ochtendung bekannt gegeben hat, ist dies nicht mehr auszuschließen. Foto: Ontex
Ontex

Mayen. Schockstarre im Mayener Tal: In einer Betriebsversammlung hat die Leitung des Hygieneartikel-Konzerns Ontex mitgeteilt, dass die Produktion zur Jahresmitte 2022 in Mayen eingestellt wird. 350 Vollzeitmitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz. Den verbleibenden rund 150 Mitarbeitern soll eine Perspektive geboten werden, in einem „Kompetenzzentrum“ für neue Produkte. Die Gewerkschaft zweifelt an der Ehrlichkeit dieses Vorhabens.

Hinter hervorgehaltener Hand machte die Zahl 350 schon seit Tagen die Runde im Werk, das dem belgischen Ontex-Konzern gehört. Ein Negativzeichen für Betriebsratschef Josef Adams: „Die haben uns ja weiter in Kurzarbeit arbeiten lassen. Als diese nicht beendet worden ist, habe ich gleich gedacht, hier ist etwas faul.“

Die Firmenleitung begründet den radikalen Stellenabbau jetzt mit „den Auswirkungen des Verlustes von Altverträgen“ sowie „einer schwächeren Marktentwicklung“. Bereits im Frühjahr mussten 136 Mitarbeiter zwangsweise gehen. Trotz Einsparmaßnahmen habe die Wettbewerbsfähigkeit nicht wiederhergestellt werden können. „Da die Produktionskapazitäten in Mayen nicht voll ausgelastet waren, haben wir beschlossen, dass der Standort Mayen künftig die Aufgabe haben wird, sich auf die Entwicklung weltweiter Maschinen- und Produktinnovationen zu fokussieren“, erläutert Markus van Gumpel, der Vizepräsident Fabrikation Europa. Mayen werde, so van Gumpel, „einer unserer treibenden Standorte sein, um Innovationen in Zukunft noch schneller auf den Markt zu bringen.“

Für die Stadt Mayen ist das Aus für die Produktion bei Ontex „ein Tiefschlag“, wie Oberbürgermeister Dirk Meid sagt. Zumal in Mayen nicht viele solch großer Industriebetriebe angesiedelt sind, die so viele Arbeitsplätze stellen. „Wirtschaftlich betrachtet ein Riesenverlust für uns, aber auch sehr bedauerlich für die Arbeitnehmer“, äußert sich Meid.

Hinter dem angekündigten globalen Kompetenzzentrum für Maschinentechnik, Innovation, Produkttechnologie und Produktentwicklung im Bereich Babyhygiene wittert Tobias Paulus ein Täuschungsmanöver. „Es ist eine Zerstückelungstaktik, denn eigentlich braucht Ontex eine Produktionslinie an Ort und Stelle“, moniert der Vertreter der Gewerkschaft Industrie, Bergbau und Chemie. Zwölf Maschinen werden stillgelegt. Das, was jetzt komme, sei „schwer zu verdauen“, die Gewerkschaft werde „um jeden Arbeitsplatz kämpfen“. Die Hand bleibe für den Arbeitgeber ausgestreckt: Man werde auf eine Tariflohnerhöhung verzichten und gleichzeitig konstruktiv an Energieeinsparkonzepten arbeiten. Sofern Ontex die Füße still hält. Auch die Stadt Mayen hat geprüft, ob ein rund 5000 Quadratmeter großes Gelände nicht für eine Fotovoltaikanlage genutzt werden könne, mit der Ontex viel Geld sparen könnte. Dirk Meid sagt: „Wenn wir irgendetwas tun können, dann machen wir das.“

Kritik kommt auch von Betriebsrat Josef Adams. Er wirft der Firmenleitung vor, kein klares Konzept zu haben, wie es weitergeht. Ontex habe gute Produkte, aber es sei schwierig, mit No-Name-Produkten Marktanteile zurückzuerobern. Da helfe auch ein Innovationszentrum wenig. Zumal man sich bislang nicht an anderen, namhaften Konkurrenten orientiert habe. Den Zeitplan hält Adams für ambitioniert: Das werde sich länger hinziehen als geplant. Der Sozialplan steht allerdings seit der Entlassungswelle im Frühjahr weitgehend, jetzt muss der Interessenausgleich erarbeitet werden. Der Betriebsrat hat dafür einen Anwalt und einen Wirtschaftsprüfer eingeschaltet.

Die Firmenleitung gibt bekannt, dass das „globale Kompetenzzentrum“ im Januar seine Arbeit aufnehmen soll – mit den verbliebenen Arbeitnehmern in Mayen.

Am Montag, 14 Uhr, findet eine Demonstration am Ontex-Werkstor (Wendehammer) statt. Daran werden Landesarbeitsminister Alexander Schweitzer und die SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, teilnehmen.

Von unserem Chefreporter Thomas Brost

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