Johannespassion in Mendig
Satter Chorklang und ausdrucksstarke Instrumente
Mit scheinbarer Leichtigkeit gelingt es Gerd Schlaf immer wieder, neue Seiten älterer Werke zu entdecken. Bereits zu Lebzeiten von Bach wurde seine Johannes-Passion in unterschiedlichen Fassungen aufgeführt. Das Publikum dankt dem musikalischen Leiter, den Sängern und Musikern mit einem langanhaltenden Applaus.
Elvira Bell

Die Johannespassion wurde von Chorleiter Gerd Schlaf, seinen Choristen von Musica Nova, den Solisten Anita Schlich-Reuter und Christoph Kranz sowie von einem bemerkenswerten Orchester in der Pfarrkirche St. Genovefa aufgeführt.

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Die von Gerd Schlaf und seiner Musica Nova, dem Vokalensemble an der evangelischen Kirche in Mendig, für März geplanten Aufführungen der Johannespassion mussten aus Krankheitsgründen abgesagt werden. Am Sonntag fand nun in der Pfarrkirche St. Genovefa ein „Nachholkonzert“ statt. Aufgeführt wurde das kulturelle Ereignis von dem leidenschaftlich agierenden Chorleiter Gerd Schlaf, seinen begeisternden Choristen, den Solisten Anita Schlich-Reuter und Christoph Kranz sowie von einem bemerkenswerten Orchester. Menschen, die Gerd Schlaf und die Musica Nova schon seit Jahren begleiten, bilden dieses Instrumentalensemble.

Da sich in unserem Bewusstsein die Auffassung verankert hat, dass bestimmte Werke in einen zeitlichen Kontext gehören, stellte sich die Frage, ob die Johannespassion außerhalb der Passionszeit „nachgeholt“ werden kann. Schließlich erzählt die kraftvolle Vertonung des Johannes-Evangeliums, die reich an dramatischen Kontrasten ist, die Geschichte von der Gefangennahme, Verurteilung, Geißelung, der Kreuzigung Jesu, von Petrus Reue, dem hasserfüllten Mob aber auch vom erhebenden Gefühl des Glaubens in Erwartung der Auferstehung von Jesu Christi. Im Wechsel beschwörend, erschütternd, jubilierend und fesselnd. Als Zuhörer musste man kein gläubiger Christ sein, um die Themen Leid, Mitleid und Trauer, die dieses Werk universell machen, zu spüren.

Effekt- und stilvoll begleitet wurde der Gesang von einem Orchester.
Elvira Bell

Schlaf vertritt die Ansicht, die viele Musikfreunde mit ihm teilen: „Bach selbst war sich stets bewusst, dass die Leidensgeschichte Jesu als Kern des christlichen Glaubens nicht zeitlich verortet werden kann. Da Gott in Jesus das menschliche Leid angenommen hat, ereignet sich die Passion im Leid eines jeden Menschen immer wieder neu und Gott leidet mit. Er nimmt Anteil, wendet sich liebevoll zu und will trösten. Wie viel Trost, wie viel Zuspruch benötigt unsere heutige Welt, die mit größten Verwerfungen zu kämpfen hat?“ Die Passionsgeschichte, die nie anschaulicher, ausdrucksvoller und eindringlicher erzählt wurde als in Bachs Johannespassion, könne nicht „nachgeholt“ werden. „Da sie sich an jedem Tag des Jahres, auch am Tag der Aufführung in Mendig ereignet, und wir uns an jedem Tag nach Liebe, Hoffnung und Trost sehnen“, so Schlaf.

Die beiden Solisten Anita Schlich-Reuter (Mezzosopran) und Christoph Kranz (Bass) bereicherten die Aufführung.
Elvira Bell

Nach der Begrüßung durch Pfarrer André Beetschen ließen sich die Anwesenden von der in vielen Passagen musiktheatralisch intensiven Johannespassion und von einer interessanten Kombination aus Barock und Moderne berühren. Sie erlebten die zeitlose Kraft der Musik Bachs. Satter Chorklang, der durch Instrumente ausdrucksstark in Szene gesetzt wurde, erfüllte den Kirchenraum. Es war eine neue Begegnung mit einem älteren Werk, in gewisser Weise ein Experiment des musikalischen Leiters, mit einer enormen Bildhaftigkeit. Sie sorgte für Gänsehautmomente. Auch wenn vielleicht der Glaubensinhalt für so manchen in den Hintergrund tritt, so besitzt das Werk Bachs eine ungeheure Kraft, die die Menschen im Tiefsten berührt, nur staunend und erfüllt zurücklässt.

Die Rezitative erhielt durch Johannes Schlaf, den Sohn des musikalischen Leiters, eine völlig neue Farbe.
Elvira Bell

Musica Nova näherte sich der Johannespassion mit einer veränderten Instrumentierung an. Sie ersetzt insbesondere die traditionelle Continuogruppe durch moderne Klangfarben und Spielweisen. So erschienen der kraftvolle Chorgesang, die Solopartien von Anita Schlich-Reuter (Mezzosopran) und Christoph Kranz (Bass) sowie die Dynamik des Geschehens bis hin zur Kreuzigung in einem neuen Gewand. Die Rezitative erhielten durch Verwendung ihres modernen Pendants, dem Rap, durch Johannes Schlaf, eine aktuelle Interpretation, eine ganz neue Farbe. Gewissermaßen setzt sich mit dieser aktuellen von Gerd Schlaf geschaffenen Interpretation auf der Grundlage der Fassung IV die Tradition Bachs fort. Bereits zu seinen Lebzeiten wurde seine Johannes-Passion in unterschiedlichen Fassungen aufgeführt. Die Konzertbesucher von „Musica Nova meets Bach“ erlebten eine äußerst emotionale Interpretation und honorierten das Dargebotene mit minutenlangem Applaus.

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