Dass ThyssenKrupp Rasselstein auch für viele der geladenen Gäste nicht irgendein Unternehmen ist, machte Christoph Weitzel, Vorstandsmitglied der Kreissparkasse Mayen, in seiner Begrüßung deutlich: Seine Eltern hätten sich dort einst bei der Arbeit kennengelernt. Und auch der Andernacher Oberbürgermeister Achim Hütten ist Sohn eines Rasselsteiners.
Entsprechend gespannt verfolgten die Anwesenden Bieles Ausführungen zur „Grünen Transformation in der Stahlindustrie“. An dieser führt laut Biele, der seit 31 Jahren in der Stahlindustrie tätig ist, kein Weg vorbei: Bei der Stahlproduktion kommt derzeit noch Kohle zum Einsatz, was mit immensen CO2-Emissionen verbunden ist.
20 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr
20 Millionen Tonnen CO2 setze ein Konzern wie ThyssenKrupp im Jahr frei – zehnmal mehr als der innerdeutsche Flugverkehr. „Wir sind ein Teil des Problems in Deutschland“, räumte Biele ein. Im Andernacher Rasselstein-Werk, wo der in Duisburg hergestellte Stahl zu Weißblech weiterverarbeitet wird, würden immerhin 5 Prozent des industriellen CO2-Ausstoßes in Rheinland-Pfalz freigesetzt.
Seitens ThyssenKrupp habe man sich daher ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, erläuterte Biele: Bis 2030 sollen die bei der Produktion anfallenden CO2-Emissionen im Vergleich zu 2018 um 30 Prozent reduziert werden, bis 2045 soll die Stahlproduktion komplett klimaneutral sein. Über die Technologie, den Wandel umzusetzen, verfüge man bereits heute: Statt Kohle soll in den Stahlöfen künftig Wasserstoff zum Einsatz kommen, die Prozessanlagen des Rasselsteinwerks sollen statt mit Erdgas ebenfalls mit Wasserstoff betrieben werden.
Enome Menge Wasserstoff benötigt
Dabei stehe man als Konzern vor zwei Herausforderungen, erklärte Biele: „Was wir für die Transformation brauchen ist Wasserstoff – und zwar sehr viel davon.“ Über diesen verfüge man heute noch nicht. Da die Herstellung von Wasserstoff wiederum sehr stromintensiv ist, biete sich eine Produktion in Eigenregie auch nicht unbedingt an.
Man rechne vielmehr damit, perspektivisch Wasserstoff über Rohrleitungen aus Gegenden zu beziehen, in denen ausreichend Strom aus regenerativen Energien zur Verfügung steht, den man wiederum zur Wasserstoffproduktion nutzen kann. Abgesehen davon, dass es in naher Zukunft neben der Stahlindustrie auch zahlreiche weitere Abnehmer für klimaneutralen Wasserstoff geben wird, hat man es – und das ist die zweite Herausforderung – seitens des Konzerns mit einem enormen Investitionsvolumen zu tun: Ganze 2 Milliarden Euro habe ThyssenKrupp in die Umrüstung eines einzigen Hochofens gesteckt.
Konzern hält am grünen Pfad fest
Trotz der hohen Kosten und der ungeklärten Frage, woher man künftig den benötigten Wasserstoff beziehen wird, werde man von dem jetzt eingeschlagenen Pfad der grünen Transformation nicht abweichen, betonte Biele: „Es wird entweder eine grüne Stahlindustrie in Europa geben oder keine Stahlindustrie.“ Schließlich wird die freie Zuteilung von CO2-Zertifikaten zurückgefahren, wodurch der Preis, den ein Konzern wie ThyssenKrupp künftig für seine CO2-Emissionen zahlen muss, deutlich steigt – und damit der Preis, den die Abnehmer des Stahls zahlen.
„Natürlich können wir scheitern, wir glauben aber nicht, dass dieser Zug gestoppt wird.“
Rasselstein-CEO Peter Biele
Man werde an einen Punkt kommen, an dem sich der Preis für den herkömmlich produzierten und der Preis für grünen Verpackungsstahl annähern, ist Biele überzeugt. An dem in Andernach hergestellten Weißblech komme man jedenfalls nicht vorbei, wenn man die wachsende Weltbevölkerung mit haltbaren Lebensmitteln versorgen wolle, zumal sich Weißblechverpackungen vollständig recyceln ließen: „Wir müssen noch besser erklären, dass Stahl mit zu den besten Wertstoffen gehört.“
Risiken beschäftigen die Zuhörer
In der sich an den Vortrag anschließenden Fragerunde sprachen die Zuhörer insbesondere die hohen unternehmerischen Risiken an, die mit der grünen Transformation verbunden sind – etwa durch die derzeit fehlende Verfügbarkeit von Wasserstoff in ausreichenden Mengen oder die Konkurrenz durch günstiger produzierten Stahl aus dem außereuropäischen Ausland. Bei Letzterem warte man noch auf eine politische Lösung, gehe aber ansonsten mit berechtigtem Optimismus an die grüne Transformation dran: „Natürlich können wir scheitern, wir glauben aber nicht, dass dieser Zug gestoppt wird.“
Auch Oberbürgermeister Achim Hütten wird es angesichts des Gehörten nicht bang um die Zukunft des Standorts Andernach: „Der Rasselstein wird bestehen dank Ihrer Visionen!“