"Tierisch gut vermittelt" stellt Langzeitbewohner aus dem Andernacher Tierheim vor
Problemhunden eine neue Chance geben: Tierschützer starten ungewöhnliches Filmprojekt
Michaela Demmel (links) vor und Michael Dempe hinter der Kamera informieren die Zuschauer mithilfe der Tierheim-Auszubildenden Lena Neuhaus über die besonderen Bedürfnisse von Schäferhund-Mix Jackman.
Martina Koch

Andernach. In den vergangenen Pandemiemonaten war die Nachfrage nach Hunden groß: Bei Familien, Paaren oder Singles reifte in den langen Wochen des Lockdowns der Wunsch nach tierischer Gesellschaft. Während insbesondere der Handel mit Welpen boomt, gibt es in den Tierheimen der Region immer wieder Hunde, die über viele Monate hinweg kein neues Zuhause finden, weil sie aufgrund ihrer Geschichte besondere Bedürfnisse haben. Mit „Tierisch gut vermittelt“ haben Michaela Demmel und Michael Dempe aus Rhens ein Projekt ins Leben gerufen, um den Langzeitbewohnern in den Hundehäusern der Tierheime die Chance auf ein neues Leben zu bieten.

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Die Idee: Das Duo besucht Tierheime in der Region, um dort ausgewählte Hunde, die bei der Suche nach einem Zuhause bisher Pech hatten, in kurzen Filmen in Szene zu setzen. Diese Filme verbreiten sie über YouTube, eine eigene Internetseite und die sozialen Netzwerke in der Hoffnung, dass sich auch für Hunde, die spezielle Anforderungen an potenzielle Halter stellen, Interessenten finden.

Kürzlich waren Michaela Demmel und Michael Dempe zu Gast im Andernacher Tierheim, um für eine neue Folge von „Tierisch gut vermittelt“ zu drehen. Auch dort leben Hunde, deren Vermittlung in der Vergangenheit immer wieder scheiterte, weiß Dorothee Schünemann-Diederichs vom Vorstand des Tierschutzvereins Andernach und Umgebung: „Das sind häufig ältere Tiere oder Hunde mit einem Beißvorfall, die dann nicht mehr an Familien mit Kindern vermittelt werden können.“

Dazu gehört auch der Schäferhundmix Jackman, der bereits seit dreieinhalb Jahren im Andernacher Tierheim lebt. Im Gespräch mit Lena Neuhaus, die in Kürze ihr erstes Ausbildungsjahr im Tierheim beendet, ergründet Michaela Demmel, was Jackman ausmacht und wie ein ideales Zuhause für ihn aussehen könnte. Der elfjährige Rüde nimmt derweil erst einmal ein kühlendes Bad im Teich auf dem Hundeplatz. Sein fortgeschrittenes Alter sieht man dem agilen Vierbeiner nicht an, ebenso wenig seine Unsicherheit, die dazu führte, dass er sich in den ersten Wochen im Tierheim verängstigt im Zwinger verkroch. „Jackman ist vom Verhalten her nicht immer einfach. Er hat gelernt, dass es hilft, nach vorn zu gehen“, erklärt Lena Neuhaus.

Seinen Vorbesitzer hat Jackman gebissen, auf dem Hundeplatz ist er beim Dreh mit einem Maulkorb unterwegs. Dabei hat er in seiner Zeit im Tierheim eine tolle Entwicklung hingelegt, erzählt die Vorsitzende des Tierschutzvereins, Monika Hildebrand: „Jackman ist bei unseren Gassigehern sehr beliebt, mittlerweile kann er auch mit mehreren Hunden spazieren gehen.“ Potenzielle Interessenten, die über die nötige Erfahrung in der Hundehaltung verfügen, schreckt allerdings oft Jackmans Alter ab, vermutet Hildebrand: „Wir würden es uns so wünschen, dass er die nächsten Jahre noch auf einer Couch verbringen kann.“

Mit schwierigen Hundeschicksalen wird man es in den kommenden Monaten im Tierheim noch öfter zu tun bekommen, befürchtet Hildebrand: Menschen, die sich in der Corona-Krise für ein Tier entschieden, merken jetzt, wo der normale Alltag Einzug hält, wie herausfordernd es ist, sich um einen Hund zu kümmern. Den Anfängern unter den Hundehaltern fehlt es in Sachen Erziehung zudem oft an elementarem Wissen, was sich angesichts geschlossener Hundeschulen auch nur schwer aneignen ließ. Im Andernacher Tierheim bereitet man sich daher auf einen Anstieg der Abgabehunde vor: „Wir sind darauf eingestellt“, erklärt Hildebrand.

Bevor die Welle ins Rollen kommt, hofft man, einige der Dauergäste des Tierheims noch in liebevolle und erfahrene Hände abgeben zu können. Früher fuhren die Mitarbeiter auch schon mal nach Köln, um die Tiere in der beliebten WDR-Sendung „Tiere suchen ein Zuhause“ vorzustellen. Doch die langen Drehtage im Gesellschaft vieler fremder Hunde schlugen Mensch und Tier aufs Gemüt: „Das bedeutete viel Stress und wenig Gewinn für die Tiere“, erinnert sich Hildebrand. Schlussendlich entschied man sich dazu, nicht mehr an den Aufzeichnungen teilzunehmen.

Umso mehr freuen sich die Mitglieder des Tierschutzvereins darüber, dass ihre Schützlinge mit dem Projekt „Tierisch gut vermittelt“ eine größere Reichweite bekommen, ohne dass ihnen die Belastung eines ganztägigen Drehs zugemutet wird. Michaela Demmel und Michael Dempe stellen sich auf die Bedürfnisse der Tierheime ein: Die Mitarbeiter entscheiden selbst, welche Hunde vorgestellt werden. Hat ein Tier erkennbar keine Lust, vor der Kamera zu stehen, wird der Dreh verschoben.

Der Schäferhundrüde Kajo, der zurzeit in einer Pflegestelle lebt, ist am Vormittag des geplanten Drehs gestresst. Den Kontakt mit Fremden will man ihm an diesem Tag daher ersparen. Für das Team von „Tierisch gut vermittelt“ ist das kein Problem: „Ich habe immer mit Begeisterung die Sendung ,Tiere suchen ein Zuhause' angeschaut, dachte mir dabei aber, dass das für die Tiere bestimmt stressig ist“, erzählt Michaela Demmel.

Mit der Idee, ein regionales Format zu schaffen, um die Tierheime bei der Vermittlung von Abgabe- und Fundtieren zu unterstützen, beschäftigte sie sich schon länger. Schließlich sprach sie Michael Dempe, der seit Längerem schon die Sendereihe „Wir in Rhens“ produziert, ob er das neue Format gemeinsam mit ihr umsetzen möchte. „Klar bin ich dabei“, antwortete dieser.

Die Resonanz der angesprochenen Tierheime aus der Region war durchweg positiv: Erste Folgen von „Tierisch gut vermittelt“ entstanden in Andernach, aber auch in den Tierheimen Neuwied und Ransbach-Baumbach sowie bei der Hundehilfe Koblenz. Derweil deutet sich für die drei Hunde Suzi, Simmi und Detlev, die in der ersten Folge aus dem Andernacher Tierheim vorgestellt wurden, ein Happy End an: Sie sind in der Kennenlernphase mit potenziellen neuen Haltern.

Weitere Infos zu dem Projekt im Internet unter www.tierisch-gut-vermittelt.de

Von unserer Redakteurin

Martina Koch

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