Kundgebung in Polch
„Nur echte Solidarität bietet Sicherheit“
"Sei ein Mensch", mahnen die Teilnehmer der Kundgebung in Polch.
Meier Brigitte

Einen Tag vor der Bundestagswahl ruft das parteilose „Bündnis für Vielfalt“ in Polch zu einer Kundgebung auf – und 380 Menschen kommen. Vor allem die evangelische Kirche bezieht an diesem Tag eindeutig Position.

Einen Tag vor einer denkwürdigen Bundestagswahl, in der erstmals auch eine in Teilen als rechtsextrem eingestufte Partei eine Kanzlerkandidatin stellt, ruft das parteilose „Bündnis für Vielfalt“ in Polch zu einer Kundgebung auf. Am Treffpunkt Maifeldhalle zählt Koordinator Wilhelm Schlichter, evangelische Kirchengemeinde Maifeld, rund 200 Teilnehmende. Auf dem gemeinsamen Marsch zum Marktplatz schließen sich immer mehr Menschen dem Zug an, sodass sich dort rund 380 Personen versammeln, um dem Anliegen des „Bündnisses für Vielfalt“ den Rücken zu stärken.

„Es ist noch nicht zu spät, noch können wir die Menschen dazu bewegen, nicht den populistischen Parolen auf den Leim zu gehen“, sagt ein junger Mann, der mit der ganzen Familie gekommen ist. „Gerade an die Kinder sollten wir bei der Wahl denken“, unterstreicht Dorothee Geishecker, Bürgerinitiative „Sei ein Mensch“ Mayen. Das Programm der AfD, das Frauen wieder zurück an den Herd schicken möchte, das „Gebärprämien“ statt Zuwanderung vorschlage und daher mehr Kita-Plätze nicht für notwendig erachte, sei kein Zukunftsmodell.

Ingo Schrooten, ehemals Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Maifeld, beeindruckt mit seiner Rede.
Meier Brigitte

Mit Freiheitsliedern wie „Bella Ciao“ oder „Die Gedanken sind frei“ bringt der Liedermacher Manfred Pohlmann die friedliche Versammlung auf dem Polcher Marktplatz in Stimmung. Ingo Schrooten, der 22 Jahre der evangelischen Kirchengemeinde Maifeld als Pfarrer diente, findet in Vertretung aller Mitglieder des Bündnisses beeindruckende Worte. Neben der evangelischen Kirche gehören die katholische Gemeinde Maifeld, der Förderverein Flüchtlingshilfe Maifeld, der Förderverein Synagoge Münstermaifeld, die Caritas-Werkstätten Polch, der Förderverein Fachstelle Frühe Hilfen, der AWO-Ortsverein Polch und das Tagungszentrum Brückenmühle Roes dem Bündnis an.

Wilhelm Schlichter, evangelische Kirchengemeinde Maifeld, hat die Kundgebung des Bündnisses koordiniert.
Meier Brigitte

Schrooten stellt fest: „Hier stehen Menschen unterschiedlichster Meinungen, Konfessionen, Religionen und Nationalitäten. Wir setzen uns gemeinsam für ein gutes Miteinander ein. Wir profitieren voneinander, von der Liebe, von der Wärme, vom Engagement und jedes Einzelnen von uns.“ Das stehe dem Konzept rechtsradikaler Politik entschieden entgegen. „Nach diesem schrecklichen Konzept, von dem sie behaupten, es sei christlich, gilt die Liebe als erstes den nächsten Menschen. Dann können die Kreise immer weiter nach außen gezogen werden, bis die erwartete Liebe nur noch dünn wirkt“, mahnt Schrooten. Dieses Konzept schaffe Ausgrenzung, „und das ist falsch und darf nicht sein“.

Die Menschen in Polch beziehen Stellung: für Solidarität.
Meier Brigitte

Als vor zehn Jahren mehr Flüchtlinge als bisher nach Deutschland kamen, war für die Menschen auf dem Maifeld eine Atmosphäre des Willkommens selbstverständlich, erinnert der Pfarrer und betont: „Wenn ein solches Verhalten in unserer Gesellschaft das Klima bestimmt und nicht die Schwächsten ausgegrenzt werden, dann und nur dann fühle ich mich sicher in diesem Land.“ Es mache betroffen, wie das Mitgefühl für die Opfer der vergangenen Anschläge instrumentalisiert werde, führte Schrooten weiter aus: „Aber Migrationspolitik und Strafrecht sollten getrennt werden.“ Das fordern auch deutsche Strafrechtler und Strafrechtlerinnen in einer öffentlichen Stellungnahme.

Die Teilnehmer der Kundgebung fordern eine klare Abgrenzung der demokratischen Parteien zur AfD.
Meier Brigitte

Schrooten hat Verständnis für die Sorgen vieler Menschen, die in einfachen Schuldzuweisungen die Lösung ihrer Probleme sehen: „Aber sie äußern sich falsch. Die aktuellen Krisen bedrohen Menschen weltweit und sehr grundsätzlich. Jahrzehntelang galten bei uns im Land Sicherheiten, die vielen galten. Leben, Arbeit und Zukunft waren übersichtlich und planbar. Das ist vorbei. Ausgrenzungsfantasien und die Sehnsucht nach dem starken Mann oder der starken Frau gaukeln vielen einen Ausweg vor.“ Doch Stacheldraht und Grenzzäune böten keinen Halt, so der Kirchenmann: „Unser Halt sind die Arme der Menschen hier an unserer Seite.“ Echte Sicherheit biete die Solidarität der Menschen, die für eine bunte Vielfalt stehen.

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