Inspiriert durch die im Süden von England beheimatete Partnerstadt von Andernach, Farnham, hatten Heike Kamp und Stephanie Paatsch – die beiden Bendorfer Autorinnen haben zehn Jahre lang zuvor an Weihnachten das Stück „Plätzchen, Punsch und Pulverschnee“ auf Schloss Sayn auf die Bühne gebracht – das Drehbuch für das Festtagsspiel „Dyeman Hall“ geschrieben. Nun endlich war es so weit. Nach einem Empfang und kulinarischen Köstlichkeiten in der Marmorhalle und im weihnachtlich geschmückten Rittersaal feierte das Theaterstück im Spiegelsaal mit einjähriger Verspätung eine umjubelte Premiere.
Rasante Schlittenfahrt
Die weihnachtliche Reise konnte beginnen. Während die handelnden Personen und Charaktere frei erfunden sind, existieren die Schauplätze wirklich, und die Begebenheiten haben sich tatsächlich zugetragen. Eine rasante Schlittenfahrt in allen Facetten menschlicher Gefühlslagen nimmt ihren Lauf. Die Premierenbesucher sind schnell mitten in der Geschichte.
Es ist zunächst dunkel im großen Salon, dem Zuhause von Sir William dem einzigen Sohn des verstorbenen Sir Roger Dyemann, dessen Lebensinhalt die Privatbank der Familie war. Leise erklingt Weihnachtsmusik. Sie nimmt die Gäste gefangen. Über den Möbeln und zwei großen Gemälden liegen Leintücher. Sir William ruft vergeblich nach Ms. Fuller (Andrea Neumann). Die erste Hausdame führt bereits jahrelang das strenge Regiment auf dem Landsitz der Dyemans. Die Festtage stehen bevor. Es gibt viel zu tun.
Große Herausforderung wartet
Sir William – der Schriftsteller kommt gerade von einer Lesereise – zeigt sich beunruhigt. Er soll das Erbe antreten und erstmals Gastgeber des legendären gesellschaftlichen Ereignisses werden, bei dem nichts dem Zufall überlassen wird. Auf William, der bislang noch nicht den passenden Deckel gefunden hat, wartet eine weitere große Herausforderung. Denn Kurzzeitehefrau Lady Angelika (Dunja Koppenhöfer) wird erwartet.
Sein Vater hatte die ehemalige Weinkönigin anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft auf der Reise zu den Perlen des Rheins auf der MS Namedy kennengelernt. „Was für ein Vermächtnis.“ Sie soll nun als zweite Gastgeberin eines Festes, wie sie es bislang noch nie erlebt hatte, fungieren. Als die Hausdame schließlich auf der Bildfläche erscheint, fegt sie gemeinsam mit Sir William wie ein Wirbelwind die Leintücher von den Möbeln.
Erinnerungen werden wach
Die Zeit scheint auf dem Adelssitz stehen geblieben zu sein. Sir William taucht in die Vergangenheit ein. Als er ein Bild aus seiner Kindheit und ein Porträt seines Vaters erblickt, werden Erinnerungen wach. Sein Vater hatte ihm als Kind, während er auf seinem Schoss saß, aus der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens vorgelesen und ihm das Tor zu einer anderen Welt geöffnet. „Niemals sonst waren wir uns so nah.“ Und nie hatte er geglaubt dass jemand mal das Herz seines Vaters so wie Angelika erwärmen könnte.
Als kleiner Junge hatte er sich immer eine Zauberkugel mit Schnee gewünscht. Ob sich möglicherweise durch eine glückliche Fügung gegen Ende des Bühnenwerks sein Wunsch erfüllt? Plötzlich erklingt ein Aufschrei. Lady Penelope Apolonia (Rike Radloff), Poppy genannt, hatte es sich in einem drehbaren Sessel, der ebenfalls verhüllt war, bequem gemacht. Die älteste Schwester von Sir Roger, die sechs Ehemännern verschlissen hat, steht zwar auf das mürbe Knuspervergnügen den Butterrounds von Ms. Fuller, ist aber eher gutem Sherry zugetan. „Ist die Neue schon eingetroffen?“, will die knackige 82-Jährige wissen.
„Mein Bruder hat auf den letzten Metern noch mal ordentlich Gas gegeben.“ Das habe ihr gefallen. Dann braut sich etwas zusammen. Mit „Hallo, ich bin da“, kündigte sich Lady Angelika an. Der Taxifahrer habe sie gefragt, ob sie mit ihrem Gepäck für immer bleiben würde. „Man weiß ja nie“, habe sie geantwortet. Sir William und die Hausdame scheinen am Rande des Wahnsinns zu sein. „Die eisige Stimmung liegt nicht am Wetter“, erklärt Ms. Fuller. Angelika und Poppy verstehen sich prächtig. Nicht nur was den Verzehr von alkoholischen Getränken, sondern auch die Auswahl von Weihnachtsliedern angeht, die den Besuchern live präsentiert werden. Bei den unterschiedlichen Sichtweisen der Beteiligten auf das Weihnachtsfest fiebern die Zuschauer hautnah mit.
Das Festtagsspiel läuft bis hierhin sehr erfolgreich an: 1800 Karten wurden bis zur Premiere bereits verkauft.
Das Fazit zur Premiere: Während des Abends werden alle Register der Schauspielkunst mit einer gehörigen Portion Humor geschickt verwoben. Die Rollen sind perfekt besetzt. Viele glanzvolle Momente mit dem spielfreudigen Ensemble warten auf künftige Zuschauer dieses wunderschönen, äußerst kurzweiligen Bühnenerlebnisses, das man in dieser Art eher auf den großen Bühnen vermuten würde. Mehr wird hierzu nicht verraten. Nur so viel noch: 1800 Karten sind bereits verkauft.