Vorhaben Das Eifeler Bewerbungsgebiet wurde vergrößert - Aufbruchsstimmung über Kirchturmspitzen hinaus spürbar
Mühlsteinrevier: Auf dem Weg zum Welterbe
Anpacken konnten sie: Vor mehr als 7000 Jahren begannen Männer in der Region, Basaltlava abzubauen und Mühlsteine herzustellen. Die letzten Mühlsteine wurden Mitte des 19. Jahrhunderts produziert und von Werksteinen abgelöst. Nun sollen die ober- und unterirdischen Mühlsteinbrüche in Mendig, Mayen, Ettringen und Kottenheim als kulturelles Welterbe erhalten werden. Dafür engagieren sich Mitstreiter in der Region. Foto: Arbeitsgemeinschaft Welterbe

Region. In Rheinland-Pfalz gibt es vier Unesco-Weltkulturerbestätten – mit dem Eifeler Mühlsteinrevier soll ein weiteres hinzukommen. Daran arbeiten die Städte Mendig und Mayen mit der Verbandsgemeinde Mendig seit gut einem Jahr. Bislang ging es nur um die Mendiger Lavakeller und das Mayener Grubenfeld. Nun wurde das Projektgebiet erweitert: Das Kottenheimer Winfeld und die Ettringer Lay gehören seit wenigen Wochen dazu. Die dortigen Steinbrüche werden als Teil des Mühlsteinreviers verstanden. Die zuständigen Ortsgemeinderäte haben jüngst der Zusammenarbeit im Großprojekt zugestimmt.

Aktualisiert am 08. April 2017 08:41 Uhr

Jetzt kämpfen vier Orte und Städte sowie eine VG um den Welterbetitel. Uwe Hoffmann ist Fachbereichsleiter der Mayener Stadtverwaltung und Vorsitzender des Arbeitskreises, der das Welterbevorhaben vorantreibt. Er betont, dass es fast einmalig ist, dass die Kommunalpartner ohne Kirchturmdenken eng zusammenarbeiten. „Dies liegt aber an der besonderen Bedeutung von Welterbestätten innerhalb unseres Vulkanparks.“ Auf dem Weg zum Welterbetitel kommt es nun auf Verhandlungsgeschick, ein bisschen Glück und einen langen Atem an. Uwe Hoffmann ist überzeugt, dass es klappen wird: „Die spürbar positive Stimmung und der feste Wille unter den Kommunalpartnern und allen Beteiligten stimmen mich optimistisch, dass wir dieses ehrgeizige Ziel auch erreichen können.“ Die RZ beantwortet zehn Fragen zum Vorhaben.

Rheinland-Pfalz: Vier Welterbestätten und einige Initiativen:

4 Unesco-Welterbestätten gibt es in Rheinland-Pfalz: Dom zu Speyer (anerkannt 1981), Römisches Erbe in Trier (1986), Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal (2002), Obergermanisch-Rätischer Limes (2005).
2 Anträge mit Beteiligung aus RLP haben es aktuell auf eine Tentativliste geschafft, mit der die Länder der Unesco in Paris Vorschläge fürs Welterbe machen, teilt das Mainzer Kulturministerium auf RZ-Anfrage mit. Der Welterbeantrag Great Spas of Europe wird von Tschechien geführt. Er umfasst eine internationale Gruppe von Kurstädten, die vor allem im 19. Jahrhundert als Orte der Begegnung nicht zuletzt politischer Akteure bedeutend waren und einen herausragenden spezifischen Denkmalbestand haben. Aus Deutschland zählen Bad Ems (Rhein-Lahn-Kreis), Baden-Baden und Bad Kissingen dazu. Der Antrag soll Ende Januar 2018 bei der Unesco eingereicht werden. Einen Erweiterungsantrag des Welterbes Obergermanisch-Rätischer Limes um den Abschnitt von Rheinbrohl bis zur Nordsee als Niedergermanischer Limes soll 2020 bei der Unesco eingereicht werden.
2 weitere Initiativen aus Rheinland-Pfalz wollen zurzeit neben dem Eifeler Mühlsteinrevier Unesco-Welterbe werden. Die Sayner Hütte in Bendorf wurde 2012 von RLP für die Tentativliste bei der Kultusministerkonferenz vorgeschlagen und dort 2014 abgelehnt. Sie wird für die nächste Liste vorgeschlagen. Der Verein Weltkulturerbe Moseltal steht noch ganz am Anfang, teilt das Kulturministerium mit.

1.Warum hat das Eifeler Mühlsteinrevier Welterbecharakter?

Die Projektmitglieder sind davon überzeugt: Das Eifeler Mühlsteinrevier ist ein bedeutendes Zeugnis der Menschheitsgeschichte – nicht nur materiell, sondern auch immateriell. Der Mühlstein steht demnach mit seinen Gewinnungs- und Produktionsstätten für eine wichtige Stufe in der zivilisatorischen Entwicklung des Menschen, von der Jungsteinzeit (5000 v. Chr.) bis zur Industriellen Revolution. Ohne das kulturhistorische Werkzeug, das aus Getreide Mehl machte, wären die sesshaft gewordenen Ahnen der Agrargesellschaft verhungert.

2. Auch in anderen Regionen gibt es Steinbrüche und Bergwerke. Warum gilt das Eifeler Mühlsteinrevier als einzigartig?

Der Arbeitskreis sieht drei zentrale Faktoren, die das Eifeler Gebiet weltweit einzigartig machen. Zum einen wurde dort der genannte Mühlstein als überlebenswichtiges Kulturgut der Menschheitsgeschichte produziert. Zum anderen umfasst die Bergbaugeschichte im Eifeler Mühlsteinrevier ganze 7000 Jahre. Während dieser Zeit war der Mühlstein unerlässlich für die Nahrungsproduktion. Anhand der vorhandenen Stätten lässt sich auch heute die Entwicklung des Mühlsteinbergbaus nachvollziehen.

Weiterer Faktor der Einzigartigkeit: Das Material, das hier abgebaut wurde, die poröse Basaltlava, gilt als exzellent. Sie gilt als bestens geeignet für den Bau einer Mühle, weil sie scharfkantige Poren hat und langlebig ist. Und nur die beiden heimischen Vulkane zwischen Mayen, Kottenheim und Ettringen sowie Mendig (Bellerbergvulkan, Wingertsbergvulkan) haben diese poröse Basaltlava hervorgebracht, heißt es.

Bedeutend fürs Mühlsteinrevier ist auch der Rhein. Über ihn gelangte der Eifeler Mühlstein in die Welt hinaus. Mit der steigenden Nachfrage wuchs die Produktion, und das Eifeler Produkt eroberte weltweite Absatzmärkte.

3. Warum wurde das Bewerbungsgebiet ausgeweitet?

Der Arbeitskreis, der sich um das Welterbevorhaben kümmert, stellte fest, dass die beiden Steinbrüche in der Vordereifel unmittelbar zum Eifeler Mühlsteinrevier gehören: An allen vier Standorten wurde das Premiumprodukt des rheinischen Mühlsteins abgebaut und über den Rhein in die Welt geschickt. Alle Abbaufelder entstanden aus Lavaströmen des Bellerbergvulkans und des Wingertsbergvulkans.

4. Wie funktioniert die Kooperation der Kommunen, die zum Teil nicht unbedingt als Freunde gelten?

Von außen, in den Weltmärkten, wurde das Revier immer als einheitlicher Produktionsstandort wahrgenommen. Doch zwischen den Steinbrüchen in der Eifel herrschte Konkurrenz. Darin mögen auch die teils noch heute spürbaren Vorbehalte zwischen einzelnen Nachbarorten begründet liegen. Umso bemerkenswerter finden Beobachter, dass die Kommunen nun so eng zusammenarbeiten. Es soll eine regelrechte Euphorie herrschen. Die fünf involvierten Bürgermeister haben die Kooperationsvereinbarung Mitte Februar in Mendig unterzeichnet. Mit dem Projekt haben sie etwas gefunden, das ihre Gemeinden verbindet und mit dem sie nach außen hin gemeinsam punkten können – vor allem touristisch.

Der Arbeitskreis des Eifeler Mühlsteinreviers hofft auf Anerkennung als Unesco-Welterbe und führt zwei Gründe an, die ihn hoffnungsfroh stimmen, damit auch Erfolg haben zu können: 1) Im Vergleich zu Stadtlandschaften oder Sakralbauten gibt es noch nicht allzu viele Industriekulturstätten, die als Unesco-Welterbe anerkannt sind, erklärt der Arbeitskreis. 2) Innerhalb der Sparte Industriekultur hat das Eifeler Mühlsteinrevier den Charakter einer vorindustriellen Industriekulturlandschaft. In diesem Bereich gibt es beispielsweise schon Anerkennungen wie die Wein- und Olivenkultur von Stari Grad Plain auf der Insel Hvar (Kroatien). Auch die Reisterrassen auf Bali wurden im Jahr 2012 als Unesco-Weltkulturerbe aufgenommen. Die mit der Ernährungsweise der Menschen einhergehenden Veränderungen in den Kulturlandschaften treffen nach Sicht des Arbeitskreises auch auf das Mühlsteinrevier zu: Der Mühlstein wurde produziert, damit Menschen gemahlenes Getreide essen konnten.

5. Was wurde auf dem Weg zum Welterbetitel bereits institutionell getan?

Die beteiligten Kommunen haben die Arbeitsgemeinschaft Welterbe Eifeler Mühlsteinrevier gegründet und in der VG-Verwaltung in Mendig eine Geschäftsstelle angesiedelt. Zudem wurde in der Arbeitsgemeinschaft der rund zehnköpfige Arbeitskreis Wissenschaft und Touristik gegründet. Darin treiben Mitarbeiter der Verwaltungen und wissenschaftliche Experten das Projekt voran und treffen sich einmal im Monat zum Austausch.

6. Was wurde inhaltlich getan?

Der Arbeitskreis hat innerhalb von sechs Monaten ein Exposé erarbeitet, das das Welterbevorhaben prägnant anhand von Bildern und kurzen Texten vorstellt. Denn: Am wichtigsten auf dem Weg zur Bewerbung ist es herauszuarbeiten, was man zu bieten hat, und dies kompakt präsentieren zu können. So konnte das Projektvorhaben im Oktober Landrat Alexander Saftig und Fraktionsvertretern des Kreistags vorgestellt werden. Auch der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz wurde die Idee des Welterbes präsentiert.

7. Welche nächsten Schritte stehen an?

Das Bewerbungsprozedere geht weiter: Nun muss das Mainzer Kulturministerium von dem Vorhaben überzeugt werden. Genauer gesagt: das Referat Welterbestätten mit der Stabsstelle Unesco-Welterbeantrag. Der Arbeitskreis erklärt: „Erst wenn das Land RLP bereit ist, den Vorschlag in die Konferenz der Kultusminister einzubringen, wird über eine Aufnahme auf die sogenannte Tentativliste entschieden.“ Auf der Tentativliste stehen Projekte, die die Bundesregierung der Unesco in Paris vorschlägt, um sie auf die Liste des Weltkulturerbes zu setzen. Hoffmann sagt: „Wenn man auf der Tentativliste steht, hat man schon viel erreicht.“ Die Eifeler Initiative hofft, auf ihrem Weg aktiv vom Landkreis und den Landesbehörden unterstützt zu werden.

8. Wie bewertet der Landkreis Mayen-Koblenz das Projekt?

Ingo Auer von der Kreisverwaltung teilt mit, dass man dort das Projekt noch nicht bewerten kann. „Zunächst müssen sich die Kreisgremien mit der Thematik befassen und eine Unterstützung der Vorhaben beschließen.“ Hintergrund ist, dass es mit der Sayner Hütte und dem Weltkulturerbe Moseltal zwei weitere Initiativen im Landkreis gibt, die ebenfalls Weltkulturerbe werden möchten (die RZ berichtete).

9. Wie lange dauert der Prozess bis zum Titel?

Das ist schwer zu sagen. Denn wenn das Kulturministerium zugestimmt hat, dauert es noch einmal, so schätzen Experten, rund 15 bis 20 Jahre, bis die Anerkennung als Welterbestätte erfolgt – falls sie überhaupt erfolgt. Arbeitskreisvorsitzender Uwe Hoffmann erklärt: „Wir sind uns alle sehr wohl bewusst, dass wir einen langen Atem benötigen.“ Der Antragsweg wird über Wahlperioden hinausgehen. „An diesem ehrgeizigen Projekt wird also auch noch die kommende Generation arbeiten dürfen“, sagt Hoffmann. Das Erzgebirge etwa kämpft seit 16 Jahren um die Anerkennung.

10. Und was ist, wenn das Vorhaben scheitert?

Dann hat die Region dennoch davon profitiert. Denn zum einen wird erstmals in dem Revier interkommunal zusammengearbeitet und zum anderen ein Gebiet entwickelt, das auch ohne Welterbestatus ein Gewinn für die Region ist.

Von unserer Redakteurin Katrin Steinert

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