Dass das Fleischerhandwerk in Rheinland-Pfalz vor großen Herausforderungen stand und steht, räumt die Landesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage des Parlamentarischen Geschäftsführers der Freien Wähler-Landtagsfraktion, Stephan Wefelscheid, ein. Dieser sorgt sich um eine mögliche Mehrwertsteuerhöhung und wollte von der Landesregierung wissen, was dazu geführt haben könnte, dass das Handwerk jetzt so unter Druck steht.
In dem Antwortschreiben heißt es: „Demnach stiegen Kosten für Futtermittel, Energie und Arbeitskraft, während die Nachfrage nach Fleisch und Fleischprodukten in den vergangenen fünf Jahren um rund 15 Prozent gesunken ist. Zudem haben sich die Preise für Fleisch und Fleischprodukte um durchschnittlich 15 Prozent erhöht.“ Insgesamt werde sich die schwierige Situation weiter verstärken und es den Fleischerbetrieben erschweren, am Markt zu bestehen, zu planen und zu investieren.“
Eine Mehrwertsteuererhöhung auf Fleisch, wie die Zukunftskommission Landwirtschaft sie fordert, ist für das deutsche Fleischerhandwerk nicht tragbar.
Dagmar Groß-Mauer, Obermeisterin der Fleischer-Innung Mittelrhein und Vizepräsidentin des Deutschen Fleischerverbandes
Fest steht, die handwerklichen Metzger haben es nicht leicht. Unsere Zeitung hat wegen der möglichen Mehrwertsteuererhöhung bei der Obermeisterin der Fleischer-Innung Mittelrhein und Vizepräsidentin des Deutschen Fleischerverbandes, Dagmar Groß-Mauer aus Kempenich, nachgehört. Die Fleischermeisterin wurde 2019 als erste Frau in Deutschland Landesinnungsmeisterin des Fleischerbandes Rheinland-Rheinhessen, der die Kammerbezirke Koblenz, Trier und Mainz umfasst. Allein dort sind in den vergangenen fünf Jahren 26 Prozent der Innungsbetriebe durch Aufgabe aus Altersgründen, Nachwuchsproblemen, Personalmangel und des Fehlens eines Nachfolgers verloren gegangen.
Groß-Mauer sagt: „Die handwerklichen Fleischerfachgeschäfte werden durch überbordende Bürokratie, viel zu hohe Energiekosten, gestiegene Personalkosten, Arbeitskräftemangel und insgesamt stark gestiegene Kosten gebeutelt. Alleine diese Erhöhungen können wir so nicht an unsere Kunden weitergeben. Wenn jetzt noch ein Anstieg der Mehrwertsteuer von sieben Prozent auf 19 Prozent erfolgt, wird es existenzbedrohend.“
Tierwohl könnte ebenfalls leiden
Damit würden hauptsächlich die abgestraft, die jetzt schon für mehr Nachhaltigkeit und Tierwohl sorgen. Die Haltungsstufen drei und vier, welche die meisten Fleischerfachgeschäfte in Zusammenarbeit mit ihren Landwirten haben, würden überproportional teuer. Das sei definitiv der falsche Ansatz, weil dann mehr Fleisch der Haltungsstufen eins und zwei gekauft werden würde. Bei der Zusammenarbeit der handwerklichen Fleischereien und der Landwirte würden jetzt schon gemeinsam bessere Haltungsformen realisiert, was die Fleischer mit höheren Preisen an die Bauern vergüteten. „Es muss unbedingt verhindert werden, dass es hier zu einer Doppelbelastung durch die neue Steuer kommt“, findet Groß-Mauer.
Das Schweinefleisch, das Dagmar Groß-Mauer in ihrer Metzgerei in Kempenich ihren Kunden anbietet, stammt von Schlachtschweinen von Tobias Fuchs vom Gertrudenhof aus Kehrig und die Bullen von Joachim, Matthias und Lukas Genn aus Wehr – also nur von Bauern aus dem Kreis Ahrweiler und Mayen-Koblenz. „Glückliche Tiere heißt für uns beste Fleischqualität“, erklärt die Fachfrau. Für sie und ihre Kollegen ist das Fleischerhandwerk nicht nur ein Beruf, sondern eine Herzenssache und eine Berufung. Groß-Mauer erklärt: „Eine Mehrwertsteuererhöhung auf Fleisch, wie die Zukunftskommission Landwirtschaft sie fordert, ist für das deutsche Fleischerhandwerk nicht tragbar.“
Bevor die Lebensmittelkette und nicht zuletzt die Verbraucher zusätzlich belastet werden, müsse umfassend geprüft werden, ob nicht durch Umschichtungen eine vollständige oder zumindest teilweise Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung gesichert werden könne.
Die Fleischermeisterin sagt: „Fleisch war, ist und bleibt ein Grundnahrungsmittel, und bei diesem sollte die Mehrwertsteuer auf sieben Prozent bleiben. Wir Fleischer denken, dass verpflichtende Maßnahmen im Tierschutzgesetz verankert werden müssen.“
Unsere Zeitung hat sich auch in Metzgereien umgehört. Hier ist die ins Auge gefasste Mehrwertsteuerhöhung ebenfalls auf Kritik gestoßen, so auch bei Corina und Gaby Weingart von der Mayener Metzgerei Weingart. Seit dem Jahr 2007 wurde das Unternehmen in Imbiss, Catering und Partyservice, geführt von Peter Weingart und seiner Frau Gaby sowie die Fleischerei, geführt von Frank Weingart und seiner Frau Corina, aufgeteilt. Nach der Erhöhung der Mehrwertsteuer würden sich hier die Preise auf jeden Fall verändern. „Die Leute schauen ja jetzt schon auf Angebote“, heißt es aus der Metzgerei. Insbesondere die jüngeren Kunden würden aufs Geld schauen.
Auf treue Kunden auch außerhalb von Nickenich kann die seit über 100 Jahren im Familienbesitz befindliche Metzgerei Anton Becker zählen. „Einmal hin, alles drin“: Mit dem Slogan einer bekannten Warenhauskette weist Patricia Becker auf die Mentalität der Kunden hin, die im Supermarkt alles auf einen Schlag kaufen. „Wir sind mit unseren Fleisch- und Wurstwaren nicht wesentlich teurer als ein Supermarkt. Diejenigen, die bei uns in die Metzgerei kommen, fragen fast nie nach dem Preis.“
Wo sollen die Leute das Geld dafür herholen? Wir sind mit den Kosten, die sich wie die Gewerbesteuer verdoppelt haben, sowieso am Limit. Das ist ein Fass ohne Boden.
Metzger Kurt Milles aus Kottenheim
Becker, ihr Mann Thomas Anton und ihr Schwiegervater Willi Anton Becker hoffen, dass die Kunden auch nach einer im Raum stehenden Mehrwertsteuererhöhung die Treue halten. Einen Nachfolger gibt es bei den Beckers, die bereits seit einem Jahr nach Verstärkung suchen, nicht, sodass die Metzgerei irgendwann auch zu denen zählt, die in Nickenich und ebenso im benachbarten Kruft ihre Pforten geschlossen haben.
Obwohl der schnelle Griff ins Kühlregal von Discountern verführerisch ist, kann sich auch Kurt Milles aus Kottenheim über treue Kunden freuen. Nicht nur die mögliche Mehrwertsteuererhöhung bereitet ihm zunehmend Sorgen, sondern auch die Energiekosten. Er habe mit einigen seiner Kollegen gesprochen: Falls die Mehrwertsteuererhöhung käme, würden diese ihre Metzgerei zumachen. Wenn man dann eventuell für einen Ringel Fleischwurst 20 Euro bezahlen müsse, wer wolle und könne das noch? „Wo sollen die Leute das Geld dafür herholen? Wir sind mit den Kosten, die sich wie die Gewerbesteuer verdoppelt haben, sowieso am Limit. Das ist ein Fass ohne Boden“, sagt Milles.
Tierschutzgesetze müssen auf den Prüfstand
Die Bürokratie, die vorgeschriebene Dokumentation sämtlicher betrieblicher Vorgänge, Mitarbeitermangel und vieles andere mehr machen jedoch nicht nur Milles zu schaffen. Dass nach der möglichen Mehrwertsteuererhöhung die Produkte prozentual noch teurer werden und so eine noch größere Spanne zwischen den Metzgereien und den Supermärkten entsteht, berichtet auch Julian Zimmer, Geschäftsführer der drei Koblenzer Fleischereien Dietz, Horst Heidger und Simon.
Das Tierwohl ist für Zimmer eines der wichtigsten Qualitätskriterien, berichtet der Lehrlingswart der Fleischerinnung Mittelrhein. Der 34-jährige Fleischermeister aus Koblenz schließt sich der Meinung von Herbert Dohrmann, Präsident des Deutschen Fleischer-Verbandes vollumfänglich an. Die Tierschutzgesetzgebung müsse auf den Prüfstand. Sollte sich zeigen, dass die jetzt geltenden Vorschriften unzureichend sind, müssten sie nachgebessert werden.
„Das hätte den großen Vorteil, dass diese Verbesserungen dann für alle Nutztiere gelten und nicht nur in den Ställen der freiwillig teilnehmenden Bauern“, erläutert der Präsident des Fleischer-Verbandes. Dohrmann: „Allerdings geht das nur schwer in einem nationalen Alleingang.“
Die vier Stufen der Haltungsformen für Tiere
Haltungsform Stufe 1 bedeutet, dass die Tiere nach den gesetzlichen Mindeststandards sowie nach den Kriterien der Qualität und Sicherheit GmbH (QS) gehalten werden, heißt es auf der Internetseite von Edeka. Das beinhaltet, dass die Tiere im Stall gehalten werden und konventionelles Futter – Gentechnik ist hier möglich – erhalten.
Haltungsform Stufe 2 zeigt an, dass die meisten Tierarten etwas mehr Platz im Stall haben. Schweine und Hühner müssen organisches Beschäftigungsmaterial wie Stroh oder Picksteine zur Verfügung haben. Auch hier ist Gentechnik beim konventionellen Futter erlaubt.
Bei Haltungsform Stufe 3 haben die Tiere Kontakt mit dem Außenklima. Entweder durch eine offene Stallseite oder durch einen überdachten Außenbereich. Zudem haben einige Tierarten etwas mehr Platz im Stall. Ab Haltungsform 3 ist außerdem Futter ohne Gentechnik vorgeschrieben.
Haltungsform Stufe 4 besagt, dass die Tiere Auslauf sowie mehr Platz im Stall haben. Das Futter muss gentechnikfrei sein und überwiegend vom eigenen Betrieb oder aus der Region stammen. Fleisch in Bio-Qualität wird in diese Stufe eingeordnet, aber auch konventionelle Erzeugnisse, wenn die Haltung der Tiere den vorgeschriebenen Anforderungen entspricht, so die Verbraucherzentrale auf ihrer Internetseite.