Fast hat man die alten Zeiten im Mayener Stadtrat vor seinem geistigen Auge sehen können, damals vor 20 Jahren, als von der disharmonischen Viererbande (Laux, Fischer, Mauel, Schäfer) keiner dem anderen ein Wort unkommentiert gönnte. Jetzt schlugen die Wogen im Stadtrat überraschenderweise ebenso hoch, gegenseitig hagelte es Beschuldigungen. Die Protagonisten sind heute andere, der Tonfall war nicht minder erbittert wie einstmals. Der Grund: Der Stadtrat steht unter Druck: Als letzte Kommune im Landkreis Mayen-Koblenz versucht Mayen, den Haushalt 2025 über die Rampe zu bringen. Doch die Kluft unter den Fraktionen und dem Oberbürgermeister bricht weit auf.
1 Das Vorspiel: Ende März hat die Aufsichtsbehörde ADD ziemlich brüsk den Haushaltsentwurf, der mit einem Defizit von gut 8 Millionen Euro endet, zurückgewiesen. Die Stadt schöpfe ihre finanziellen Möglichkeiten (Stichwort Realsteuern) nicht genügend aus, heißt es seitens der ADD. Es dauert drei Monate, ehe der Stadtrat einen erneuten Anlauf nimmt. Zuvor hat am 22. Mai die Haushaltsstrukturkommission des Rates getagt, die zuvor schon eine Streichliste von Projekten erarbeitet hat – und diese fortschreibt. Herausgekommen ist ein Einsparvolumen von 6,7 Millionen Euro, also gut 1,3 Millionen weniger. Wie Oberbürgermeister Dirk Meid (SPD) betont, habe er mit den neuen Daten ein Abklärungsgespräch mit der ADD gehabt, die den Sparwillen wohl honorieren wolle.
„Wir geben heute ein ganz erschreckendes Bild ab.“
Werner Blasweiler von der SPD-Fraktion
2Die Generalkritik: Der Chef der größten Fraktion, Christoph Rosenbaum (CDU), sagt, dass der neue Entwurf zwar Verbesserungen aufweise, er enthalte aber „keine wirklich neuen Ideen, dass wir sparen wollen“. Ein „ambitionierter Sparwille“ zeichne sich nicht ab, insbesondere auch nicht im Stellenplan. Dass der Etat geschrumpft sei, liege an der fortgeschrittenen Zeit im Jahr: Viele zunächst angedachte Investitionen lassen sich in sechs Monaten wegen des langen Verwaltungsvorlaufes nicht mehr verwirklichen und werden gekippt. Und da, wo gespart werde, zum Beispiel beim Einbau von neuen Fenstern in der Hauptschule Hinter Burg, sei dies unverantwortbar. Sein Parteifreund Martin Reis ergänzt, es gehe um die Rahmenbedingungen, die von der Verwaltung schlecht gesetzt seien. Ekkehard Raab, der FDP-Fraktionschef, kritisiert die „recht langen Zeitfenster“. Er habe erwartet, dass nach der Gelben Karte vonseiten der ADD „schnell etwas passiert, danach sind aber locker sechs Wochen ins Land gegangen“, ohne dass die Haushaltsstrukturkommission beraten habe. Der neue Entwurf sei „saft- und kraftlos“. Man hätte öfter die Kommission – in ihr sitzen alle Parteien – einberufen sollen und einen geeigneten Maßnahmenkatalog mit Sparimpuls aufstellen müssen. Ähnlich äußert sich Hans-Georg Schönberg. Der FWM-Chef geht noch einen Schritt weiter: Er verlangt die Absetzung des Haushaltes und eine Vertagung auf Ende August. Schönberg vermisst große Schritte in struktureller Hinsicht. Mayen müsse sein Jugend- und Rechtsamt abgeben, daran hingen hohe Kosten. Außerdem sei der neue Haushaltsentwurf nicht durchdacht. „Wir können Dinge abgeben, die uns belasten.“ CDU und FDP kündigen an, sich enthalten zu wollen, während die FWM mit einer Ausnahme den Haushalt rundweg ablehnt. Die Grünen äußern sich nicht.

Beziehungsstatus: kompliziert
Die Stadt Mayen ist die letzte Kommune im Land, die sich um einen Haushalt bemüht, der ihr ein klein wenig Gestaltungsspielraum gestattet – wohlgemerkt für 2025. Um den Schuldenberg ein wenig abzutragen, gibt es eine Kommission.
3Die Eskalation: Stadtchef Meid (SPD) argumentiert, dass nicht der OB allein alles in seiner Hand halte, auch der Rat wirke beim Haushalt mit. „Seit März kam allerdings kein Sparvorschlag. Das hier ist Taktiererei und bringt uns nicht weiter“, sagt Meid in Richtung CDU und FDP. Demgegenüber hält Christoph Rosenbaum vor, dass der Verwaltungschef das Vorschlagsrecht habe, der Rat habe nicht so viel Mitwirkungskompetenz. Für Meid wäre es „unverantwortlich, wenn die CDU nicht zustimmt und der Haushalt scheitern würde“. Die Folge: Die Stadt würde weiterhin nur ihre Pflichtaufgaben angehen dürfen, für neue Investitionen fehle die rechtliche Grundlage. Helmut Sondermann, der SPD-Fraktionschef, springt dem Oberbürgermeister bei. Er bezeichnet die Vorwürfe von CDU, FWM und FDP als „hanebüchen“. Es werde im Rat ein „unwürdiges, parteitaktisches Kinderspiel“ gegeben, das „verantwortungslos“ sei. Wer ein Mandat habe, der müsse es mit Verantwortung ausfüllen, zumal es um die Finanzen der Stadt gehe. Sondermann wörtlich: „Hier wird alles andere als im Sinne des Bürgers agiert, vor einigen Jahren hatten wir hier ähnlich unwürdige Szenen.“ Rosenbaum kontert, indem er zwei Positionen benennt, die längst hätten eingespart werden können: Die seit November 2023 defekte Kehrmaschine sei durch eine Mietmaschine ersetzt worden, die die Stadt im Jahr doppelt so viel koste. Und der Bauhof sei mit einem hochpreisigen Geländewagen unterwegs, der geleast sei, jetzt aber schon mehr koste, als wenn die Stadt ihn gekauft hätte. Stefan Wagner (SPD) warnt davor, Einzelpositionen über Gebühr zu gewichten und damit zu riskieren, „dass wir komplett ohne Haushalt dastehen“. Stadtchef Meid erläutert, dass es „von Woche zu Woche schwieriger werde, Dinge umzusetzen.“ So müsste zum Beispiel die Sanierung des Alzheimer Kunstrasens auf 2026, die des TuS-Platzes, ebenfalls ein Kunstrasen, auf 2027 verschoben werden. „Heute kommt es zum Showdown, wir riskieren, dass der Haushalt nicht durchkommt.“ Es schließt sich eine zehnminütige Sitzungsunterbrechung an.

4 Das Finale: Nach der Pause überrascht Stefan Wagner (SPD) mit der Aussage, er könne dem Haushalt nicht zustimmen, wenn trotz des zuvor abgesetzten Tagesordnungspunktes zur Beteiligung am Welterbeprozess ein diesbezüglicher Ansatz im Haushalt 2025 bleibe. Das löst schallendes Gelächter bei der CDU aus, die dahinter ein Manöver vermutet. Wagner erbost: „Ich will mich hier nicht durch Gelächter herunterputzen lassen.“ Schließlich kommt es zum Hammelsprung. Mit dünner Mehrheit von elf Jastimmen – Beigeordneter Thomas Schroeder (FDP) zählt dazu – bei sieben Neinstimmen und 13 Enthaltungen, darunter Willi Kaspari (FWM) – geht der Haushalt durch. Dirk Meid verkneift sich ein Schlusswort nach fast anderthalbstündiger Beratung nicht: „Ich halte dieses Vorgehen für falsch und nicht verantwortungsvoll.“