Nach Januar-Hochwasser
Mayener fordern erneut Abriss einer Nettebrücke
Die Brücke in der Gerberstraße ist für sie der Stein des Anstoßes: die Anwohner, die fürchten, dass das nächste Nette-Hochwasser sie erneut treffen wird.
Thomas Brost

Im Juli 2021 hat die Brücke in der Mayener Gerberstraße wie ein Sperrriegel gewirkt: Sie hat das aufkommende Hochwasser der Nette in die nahe gelegenen Häuser gedrückt. Die Anwohner verlangen den Abriss – damals wie heute.

Im Januar haben sie wieder kollektiv gezittert – mit bangem Blick auf „ihre“ Brücke. Und Sandsäcke geschleppt. Die Nette stieg bis auf 20 Zentimeter unter den Bogen der Brücke in der Gerberstraße. „Da wurden böse Erinnerungen wach“, sagt Anwohner Siegfried Folz. Erinnerungen an das Jahrhunderthochwasser an der Nette, bei dem vor vier Jahren die Brücke wie ein Sperrriegel wirkte – und die Hochwasserflut in viele Häuser schaufelte. Die Anwohner wollen nach wie vor den Abriss der Brücke, die die Verbindung zur gegenüberliegenden Straße „Im Bannen“ darstellt. Sie treffen jedoch auf eine gewisse Sprachlosigkeit in der Stadtverwaltung.

„Im Januar sind wir mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt Folz. Im Juli 2021 war das anders. Binnen drei Stunden stand die Nette gut 50 Zentimeter auf dem Grundstück der Familie. Die Nachbarn hatte es noch härter getroffen. „Wir hatten damals einen Gesamtschaden von 240.000 Euro, Gott sei Dank waren wir versichert“, sagt Nicole Cornely-Reuter, deren Erdgeschoss komplett überflutet gewesen war. Damals wie heute machen die Anrainer für das Ausmaß der braunen Flut die Brücke hauptverantwortlich. „Die Brücke hat zurückgestaut“, ist sich Günter Laux, der frühere Stadtchef, sicher. Alle Anwohner fordern deren Abriss. Der würde, so hatte Laux mal berechnet, die Stadt zwischen 10.000 und 20.000 Euro kosten.

„Der Abriss dieser Brücke liegt am Wollen.“
Günter Laux, früherer Mayener Oberbürgermeister, vermisst Willen bei Entscheidungen in Stadtrat und Stadtverwaltung.

Im Jahr 2020 hatte der Mayener Stadtrat 48 Einzelmaßnahmen beschlossen, um den Hochwasserschutz voranzutreiben. Eine Aufweitung des Bachbettes gehörte dazu und ist mittlerweile in der Bürresheimer Straße verwirklicht. Baumstämme und Unrat werden von einem neuen Treibgutrechen an der Sagnesmühle herausgefiltert. Aber die Gerberbrücke, die ebenfalls auf der Maßnahmenliste stand, kam nicht an die Reihe. Warum? Die Liste sei „eine Sammlung von Maßnahmen“, die sukzessive – und nach Geldlage – abgearbeitet würde, sagte Oberbürgermeister Dirk Meid gegenüber unserer Zeitung. Die Gerberstraßenbrücke dürfe man zudem nicht ohne Weiteres abreißen, sie sei eine wichtige Verkehrsachse. Ein Neubau müsse „mehr Luft nach oben haben“, dies sei sehr aufwendig. „Und es gibt dazu in der Verwaltung noch keine konkreten Ansätze oder Pläne für den Abriss“, so Meid. Man stehe allerdings, das sagt Pressesprecherin Janine Pitzen, „im Austausch mit der Kreisverwaltung, ob das Bachbett an der Brücke tiefer gelegt werden kann“. Dadurch würde diese Engstelle etwas entschärft. Es gelte jedoch weiterhin, dass effektiver Hochwasserschutz schon im Oberlauf von Nette und Nitz beginnt. Die Stadt Mayen versuche, in eigener Zuständigkeit durch verschiedene Einzelmaßnahmen beizutragen, die Wasserstände bei Starkregen und Hochwasser zu senken. „Die Brücke Gerberstraße ist nur einer von mehreren neuralgischen Punkten.“

Einen Ordner füllt das Thema "Brücke in der Gerberstraße" bei Siegfried Folz.
Thomas Brost

Siegfried Folz war fleißig. Er hat 143 Unterschriften von Mayener Bürgerinnen und Bürger gesammelt, die den Abriss der Brücke verlangen. Die Unterschriften sind alle aus der Nachbarschaft, aus der Gerberstraße, der Maifeldstraße, dem Triaccaweg, dem Werth und der Straße „Im Bannen“. Folz wohnt seit 50 Jahren in der Gerberstraße und hat ein solches Hochwasser wie 2021 noch nie erlebt. Er ist enttäuscht, dass die Stadt sich nicht auf seinen Brief vom Juli 2024 gemeldet habe. Und ebenso wenig die anderen im Rat vertretenen Parteien. Nur die Freien Wähler, diese hätten sich gemeldet. Für sie, das hatten sie gleich nach der Kommunalwahl im Juni 2024 betont, gehöre der Abriss der Brücke zu den vordringlichen Aufgaben. „Das Geländer von 1,50 Meter Höhe wirkt wie eine Staumauer“, erklärt Folz. Herb enttäuscht ist auch Nicole Cornely-Reuter. „Wir machen uns alle möglichen Gedanken, aber es tut sich nichts, das ist mein Resümee.“ Für Folz‘ Ehefrau Cornelia ist dies eine „kommunale und soziale Angelegenheit, die die Stadt nachhaltig lösen“ solle. Zudem liegt den Anrainern im Magen, dass keiner von der Stadt sie nach dem Hochwasser 2021 gefragt habe, wie hoch ihr Gebäudeschaden gewesen ist. Laux beziffert den Gesamtschaden bei 500 Geschädigten auf weit mehr als die 10 Millionen Euro, die seinerzeit von der Stadt aufgerufen wurden.

Der Schaden, der durch die Stauwirkung der Brücke verursacht werde, sei ebenfalls immens. „Die Brücke ist der Verursacher für das Hochwasser 2021 bei uns“, ist sich Laux sicher. Aber nicht die einzige. Zwei weitere Ursachen hätten die Sache verschärft: der Stau an der Postbrücke und der Brücke am Werth. „Wir sind gesegnet von allen Seiten“, meint Laux lakonisch. Kritisch sehen die Anrainer auch die Pläne der benachbarten Kartonfabrik Moritz J. Weig. Die will sich am Wander- und Spazierweg in Richtung Sumpesberg bis an die Nette ausdehnen, um mehr Platz für Rangiervorgänge auf dem Firmengelände zu haben. „Dann wird das Tal noch enger. Wir lassen uns nicht einreden, dass ein Verschieben der Weig-Mauer nichts mit der Nette zu tun hat“, sagt Nicole Cornely-Reuter mit Blick auf den Bau einer Mauer, die bis zu zehn Meter hoch werden darf. Cornelia Folz schlägt vor, Weig mit in die Planung für eine hochwassersichere Passage der Nette mit einzubeziehen.

Bei Familie Reuter in der Gerberstraße mussten im Januar wieder die Schotten eingezogen werden – eine Präventivmaßnahme nach dem hohen Schaden von 2021.
Nicole Cornely-Reuter

Und was wird mit dem Abriss der Brücke? „Das liegt am Wollen, wenn die versammelte Mannschaft das gewollt hat, ist immer Geld da gewesen“, erinnert Günter Laux an positive Voten im Stadtrat aus seiner eigenen politischen Vergangenheit. Es müsste nur von den Parteien und der Verwaltung erkannt werden, dass dieser Abriss dringend vonnöten sei, um Bürger und deren Hab und Gut zu schützen.

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