Der Gewichtheber aus Leidenschaft hatte schon fast seinen ansonsten sprichwörtlichen Optimismus verloren, nachdem eine Reihe von Sportverletzungen und Schicksalsschlägen seine sportliche Karriere in ihrem Lauf gebremst hatten: Nach einer schweren Sportverletzung im Jahr 2012 hatte er nach langem und intensivem Training wieder zu seiner Bestform gefunden und sich 2013 die Teilnahme an den World Masters Games in der Altersklasse fünf (55 bis 59 Jahre) in Turin gesichert. Die Leistungen, die er während des Trainings erreicht hatte, gaben viel Anlass zur Hoffnung auf eine Medaille – doch einen Tag, bevor er zum Turnier nach Italien aufbrechen wollte, erreichte ihn die traurige Nachricht, dass seine Mutter gestorben war. Dziki reiste noch am selben Tag in seine Heimat Polen, an eine Teilnahme am Wettkampf war nicht zu denken. Im März dieses Jahres hatte er bei den deutschen Meisterschaften in Ohrdruf gute Chancen auf eine Medaille – doch eine Erkältungskrankheit machte auch diesen Plan zunichte.
Bei der Europameisterschaft im ungarischen Kazincbarcika sollte jedoch alles glattgehen. In Klaus Förster (Deutschland) und Milan Lutter (Tschechien) hatte er zwei harte Gegner, die seit vielen Jahren zu den erfolgreichsten ihres Sports zählen. In seiner Paradedisziplin, dem Stoßen, erreichte Boguslaw Dziki 98 Kilogramm, im Reißen 71 Kilogramm. Damit war ihm der zweite Platz sicher.
Dziki hatte auf Anraten seiner Frau Joanna, die ihn seit vielen Jahren zu Turnieren begleitet, erst einmal auf Nummer sicher gesetzt und im Erstversuch 90 Kilo gestoßen. Im zweiten Versuch schaffte er dann die 98 Kilo, die ihm die Vizemeisterschaft einbrachten – ein Erfolg, den er seiner Mutter widmete, die am gleichen Tag Geburtstag gehabt hätte.
Dzikis Konkurrent Milan Lutter erhielt mit 94 Kilo im Stoßen und 75 Kilo im Reißen die Bronzemedaille. Nach Punkten lagen Dziki und Lutter zwar gleichauf, doch Dziki brachte weniger Körpergewicht auf die Waage. Goldmedaillengewinner der EM wurde Klaus Förster, der im Stoßen 105 Kilo und im Reißen 87 Kilo erreichte.
Als zum Ende des Wettbewerbs gegen 16 Uhr die deutsche Nationalhymne für Klaus Förster gespielt wurde, konnte sich auch Boguslaw Dziki die eine oder andere Träne der Rührung nicht verkneifen – schließlich ist Deutschland seit fast einem Vierteljahrhundert seine Heimat. Seit nunmehr elf Jahren ist er im Jugendhilfezentrum Bernardshof als Sportlehrer tätig und hat schon viele junge Gewichthebertalente gefördert und entdeckt.
Stolz auf die hervorragende Leistung des Sportlehrers und Trainers ist auch Regina Freisberg, die Direktorin des Bernardshofs. „Für unsere Kinder und Jugendlichen ist er ein großes Vorbild“, lobt Freisberg. Auf seinen jüngst erworbenen Lorbeeren will sich Boguslaw Dziki nicht ausruhen – er denkt bereits an die WM im Sommer und an die großen internationalen Wettbewerbe im kommenden Jahr.