Immerhin vier Wahlplakate hängen in Lind, dem Ort mit dem kleinsten Wahlraum im Kreis Mayen-Koblenz. Die Wahlwerbung ist an Laternen entlang der B410 angebracht, die den Ort teilt. Von hier führt eine schmale Straße zum Gemeindehaus, in dem sich das Wahllokal befindet. Es ist das letzte Gebäude in der Reihe, bevor sich der Weg durch Wald und Felder windet. Wie überall in Deutschland können Menschen seit 8 Uhr morgens hier ihre Stimme abgeben. Doch nur an wenigen Orten sind es so wenige Wähler wie in Lind. Nur 46 Wahlberechtigte leben in der Eifelgemeinde.
Für die Wahlhelfer bedeutet das vor allem: warten. 19 Menschen haben bis zum Schichtwechsel der Wahlhelfer am frühen Nachmittag ihre Stimme abgegeben. Acht davon waren die Wahlhelfer selbst. Zehn weitere Linder haben sich dazu entschieden, per Briefwahl abzustimmen. Es sei Zeit, sich mal zu unterhalten, Kaffee zu trinken, meint Wahlhelfer Bruno Arbach. Auch könne man das gute Wetter ausnutzen und vor statt im Wahllokal auf Wähler warten.

53 Menschen leben in dem Dorf, das Teil der Verbandsgemeinde (VG) Vordereifel ist. „Jeder kennt hier jeden, und jeder hilft auch jedem“, beschreibt Bürgermeister und Wahlvorstand Wolfgang Spiering das Leben der etwa 20 Familien im Ort. Kommt ein Wähler ins Gemeindehaus, bleibt es entspannt. Nicht nur, weil in dem Ort jedes Gesicht bekannt ist, sondern auch weil das achtköpfige Wahlhelferteam viel Erfahrung hat. Bis auf zwei Neuzugänge habe jeder schon mindestens 30 Jahre als Wahlhelfer auf dem Buckel. „Es sind alles erfahrene Leute“, sagt Spiering. Deswegen sei es eigentlich Routine, wäre da nicht der Fall, dass sich die Regeln rund um die Wahl von Zeit zu Zeit ändern.
Meist kommen die Wähler im Familienverbund, wie die Lennackers. Vater Thomas und Mutter Nadine sind mit ihrer 18-jährigen Tochter Kim zum Wahllokal gekommen, um sie bei ihrer ersten Bundestagswahl zu begleiten. „Jede Stimme zählt“, sagt Nadine Lennacker. Ihr Mann Thomas ergänzt, wählen zu dürfen, sei das höchste Gut der Demokratie. Mit dem Erstarken extremistischer Parteien sei es an der Zeit, dass die Bürger der Mitte ihre Stimme nutzen.

Der Ort sei sehr ländlich geprägt und eher konservativ, erklärt Bürgermeister Spiering. In der Vergangenheit haben die meisten hier für die Union gestimmt. Vereinzelt gab es Stimmen für SPD, Grüne und FDP. Für die AfD gab es in Lind 2013 und 2017 keine Stimme. Wie genau die Gemeinde bei der Bundestagswahl vor vier Jahren abgestimmt hat, kann Spiering nicht sagen. Denn seit 2021 ist festgelegt, dass in einem Wahlraum eine Mindestanzahl an Stimmen abgegeben werden muss, damit dort ausgezählt werden darf. Liegen weniger Stimmzettel in der Urne, schreibt die Wahlordnung vor, dass diese in ein anderes Wahllokal gebracht wird. Dort werden die Papiere gemischt und gemeinsam ausgezählt. Das soll das Wahlgeheimnis wahren.
Bei der Bundestagswahl 2021 lag diese Mindestzahl bei 50 Stimmen – mehr als es überhaupt Wahlberechtigte in Lind gibt. Daher hatte man sich schon im Voraus dazu entschieden, ein gemeinsames Wahllokal mit der Nachbargemeinde Mück einzurichten. Doch das sei nicht so gut angekommen. „Die Leute wollen lieber hier ins Wahllokal kommen“, sagt der Linder Bürgermeister.
Es braucht eine Wahlbeteiligung von mehr als 85 Prozent
Für diese Wahl wurde die Mindestzahl der Stimmen auf 30 gesenkt. 30 von 36 potenziellen Wählern, denn die Stimmzettel aller Briefwähler werden zentral in der Realschule Plus in Nachtsheim ausgezählt. Rechnet man diese mit ein, bräuchte es in Lind eine Wahlbeteiligung von mehr als 85 Prozent. Aber Bürgermeister Spiering glaubt, dass das machbar ist. Denn: Die Wahlbeteiligung im Ort lag meist bei mehr als 80 Prozent.
Als das Wahllokal um 18 Uhr in Lind schließt, ist klar: Lind darf selbst zählen. Am Ende haben sogar 35 Wähler in Lind ihre Stimme an der Urne abgegeben. Das bedeutet auch, dass 45 von 46 Bürgern von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht haben. So zeigt sich, auch im kleinsten Ort spielt die Bundespolitik von großer Bedeutung.