Im Schulgebäude gibt es Wegführungen und Einbahnregelungen. Im gesamten Gebäude besteht eine Maskenpflicht; erst am Sitzplatz darf diese wieder abgenommen werden. Und natürlich muss der Mindestabstand von 1,5 Metern auch in der Schule eingehalten werden. So weit die Theorie, in der Praxis sieht das jedoch anders aus, berichtet ein Oberstufenschüler unserer Zeitung, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Seit dem 4. Mai geht der 18-Jährige wieder in die Berufsbildende Schule. Die Einhaltung des Mindestabstands ist problematisch: In den Klassenräumen sei rechts und links neben den Tischen zwar genügend Abstand, aber davor und dahinter sitzen die Schüler weiterhin eng aufeinander, berichtet der 18-Jährige. Auch in den Pausen stehen viele in Gruppen zusammen. „Man will sich ja auch unterhalten, da ist das mit dem Mindestabstand schwer.“ Die Lehrer können individuell entscheiden, wann und wie Pause gemacht wird, damit nicht alle Schüler gleichzeitig draußen sind, berichtet der 18-Jährige. „Aber eigentlich halten sich die Lehrer an die normalen Pausenzeiten.“
Auch in den Klassenräumen muss Abstand gehalten werden. Deswegen wurden die Kurse aufgeteilt. Das bedeutet: eine Woche Schule, eine Woche Lernen zu Hause. „Die Woche, in der ich in der Schule bin, ist sehr stressig“, berichtet der Schüler. In den ersten beiden Schulstunden wird wiederholt, was die Schüler in der Zeit, in der sie nicht in der Schule waren, zu Hause gelernt haben. Zudem werden jede Menge Prüfungen geschrieben. „Es ist viel zu tun, alles ist gestaucht, weil wir nur die Hälfte der Stunden haben“, sagt der Schüler. In der Woche, in der er dann zu Hause sei, habe er so gut wie nichts zu tun. „Die meisten Lehrer geben nur ein paar Hausaufgaben auf“, sagt er.
Dass er wegen der Corona-Pandemie und den Schulschließungen viel Stoff versäumt hat, kann er so nicht sagen, meint der Oberstufenschüler. Er macht sich eher Gedanken darum, wie es nach dem Abitur weitergehen soll, „ob die Unternehmen auch wegen der Kurzarbeit weniger Ausbildungsplätze anbieten werden.“
Auch die Mutter, die anonym bleiben möchte, macht sich Sorgen um die Zukunft des 18-Jährigen. „Es ist sehr belastend“, sagt sie. Die Sorge bei den Eltern sei groß, auch deshalb, weil man nicht wisse, ob die Kinder einen Abschluss machen oder nicht. Sie hat Verständnis für die Schule, „es kann ja keiner was dafür, auch die Lehrer sind gefrustet“, meint sie. „Aber wenn im Herbst eine zweite Welle kommen sollte, dann können wir das Schuljahr an den Nagel hängen.“
Auch Eltern, deren Kinder noch nicht kurz vor dem Abschluss stehen, teilen diese Sorgen. Eine Mutter, die ebenfalls anonym bleiben möchte, berichtet vom Heimunterricht ihrer Kinder. Ihre sechsjährige Tochter besucht die erste Klasse der Grundschule, der 14-jährige Sohn geht in die achte Klasse eines Gymnasiums. Beide Kinder waren seit den Schulschließungen im März keinen einzigen Tag in der Schule, berichtet die Mutter. Seitdem werden die Kinder zu Hause unterrichtet. „Unserer Tochter bringen wir jetzt die letzten Buchstaben bei“, erzählt die 45-Jährige. Zusätzlich lernt sie mit einer App.
Der Sohn büffelt abends und am Wochenende mit seinem Vater Mathe und Chemie. Aber es sei schon ein Unterschied, ob die Eltern dem Kind etwas beibringen oder die Lehrer, meint sie und ergänzt: „Ich mache der Schule keinen Vorwurf. Sie versucht, die Vorgaben nach bestem Wissen und Gewissen umzusetzen.“ Eine Belastung ist es jedoch trotzdem, auch finanziell, sagt sie. Ihr Mann ist selbstständig. Sie hat stundenweise im Büro ausgeholfen. Seit Corona hat die 45-Jährige nicht mehr gearbeitet, sondern sich um die beiden Kinder gekümmert. „Ich würde gerne wieder arbeiten gehen.“
Die Kinder gehen mit der aktuellen Situation unterschiedlich um: Der 14-Jährige würde gerne wieder in die Schule gehen. Er vermisst die sozialen Kontakte und seine Klassenkameraden, weiß seine Mutter. Die Sechsjährige hingegen hat keine Motivation mehr in die Schule zu gehen. „Sie genießt es zu Hause zu sein und Zeit mit uns zu verbringen.“ Das wird sich in den nächsten Tagen und Wochen jedoch ändern: Denn der 14-Jährige hat ab kommenden Montag wieder Schule − insgesamt noch viermal bis zu den Sommerferien. Die Sechsjährige hat ab dem 22. Juni wieder Schulunterricht, aber auch nur eine Woche. „Ich weiß nicht, was das bringen soll“, sagt die Mutter. „Das wird doch nur gemacht, um die Eltern ruhig zu halten.“ Sie ist gespannt, wie es nach den Sommerferien weitergeht, sagt sie.