Kreis MYK
Kreis MYK: Demenzbetroffene lehnen Hilfe oft ab

Olaf Spohr (links) und Wolfgang Bons setzen sich mit dem Netzwerk Demenz Mayen-Koblenz für Erkrankte ein.

Katharina Demleitner

Kreis MYK - Rund 3000 Menschen im Kreis MYK leiden nach Schätzungen des Netzwerks Demenz an der fortschreitenden Erkrankung des Gehirns - Tendenz steigend. Rund drei Viertel der Betroffenen werden zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt.

Von unserer Mitarbeiter Katharina Demleitner

Nach Berechnungen des Berliner Instituts wird die Zahl der an Demenz erkrankten Menschen in MYK bis 2025 um die Hälfte zunehmen. Um dem steigenden Bedarf an Unterstützung und Pflege gerecht werden zu können, rücken Betreuungsformen unterhalb der stationären Unterbringung immer stärker in den Vordergrund. Dazu zählen neben den ambulanten Diensten Plätze in der Tagespflege, aber auch neue Formen des Zusammenlebens im Alter.

Vieles ist im Kreis noch Zukunftsmusik. Denn Hilfe anzunehmen, fällt an Demenz Erkrankten ebenso wie den Angehörigen nach wie vor teils schwer: „Da gibt man ein Stück Selbstständigkeit auf, es kommen fremde Leute ins Haus“, erklärt Olaf Spohr. Der Sprecher des Netzwerks Demenz Mayen-Koblenz hat im Pflegestützpunkt Mendig/Pellenz täglich mit Betroffenen zu tun. Das Misstrauen der dementen Menschen, die spüren, dass sich in ihrem Leben etwas verändert, trage ebenso dazu bei wie die selbst auferlegte alleinige Zuständigkeit der Familien. Statt niedrigschwellig mit Hilfe im Haushalt oder beim Einkaufen einzusteigen und sich bis zu einer Tagespflege zu steigern, halten viele so lange durch, bis es nicht mehr geht: „Dann landet der demente Mensch im Heim“, sagt Olaf Spohr.

In einigen Seniorenzentren greifen bereits Konzepte zum Umgang mit verwirrten Menschen. Angefangen von der Einrichtung des Zimmers mit persönlichen Gegenständen über Biografiearbeit, aus der der Betreuer auch Lebensthemen des Betroffenen erfährt, bis hin zum Einsatz von Musik gibt es verschiedene Möglichkeiten, demente Menschen in ihre andere Welt zu begleiten. „Bei ihren Emotionen müssen die Erkrankten abgeholt werden“, sagt Wolfgang Bons, zweiter Sprecher des Netzwerks Demenz. Wenn der Patient beispielsweise für seine Kinder, die vermeintlich gleich aus der Schule kommen, kochen will, müsse das, was ausgedrückt wird, im Fokus stehen. „Es geht um Fürsorge, Verantwortung, Eltern sein, wenn man darüber mit der Person spricht, kann sie sich beruhigen, die Stresssituation entspannt sich“, weiß der Leiter der Gerontopsychiatrie der Barmherzigen Brüder Saffig.

Der eklatante Fachkräftemangel im Altenpflegebereich mache sich aber gerade in der Betreuung dementer Menschen bemerkbar: „Da bleibt oft einfach keine Zeit.“ Noch schwieriger wird es, wenn akute Erkrankungen zu einem Klinikaufenthalt zwingen. Dort werde auf die Demenz meist keine Rücksicht genommen. Die wertschätzende Kommunikation ist nur eines der Themen, zu denen das Netzwerk Demenz ehrenamtliche Helfer, aber auch hauptamtliche Mitarbeiter schult. Zu der Beratung von Angehörigen gehören zudem Veranstaltungsreihen, im Zweijahresrhythmus gibt es Wochen der Demenz im Kreis MYK, die auch für diesen Herbst wieder geplant sind.

Plätze für demente Menschen in der Tagespflege halten die rund 50 Einrichtungen, Behörden, Vereine und Verbände des Netzwerkes für zukunftsweisend. Bislang bieten 11 der 23 Seniorenzentren im Kreis die Betreuungsform an, zwei solitäre Tagesstätten gibt es zusätzlich. „Das Angebot, die Menschen mit Demenz stunden- oder tageweise betreut zu wissen, wird sehr gut angenommen“, sagt Olaf Spohr. Betreutes Wohnen für Demente gibt es bislang in MYK nur in May-en, wo der Verein Lebenszeit acht Betroffene in einer Wohngemeinschaft betreut. „Diese Ansätze wollen wir weiterverfolgen“, sagt der Sozialarbeiter. Um zu erfahren, wie solche neuen Wohnformen funktionieren können, plant das Netzwerk Demenz einen Besuch im niederländischen Weesp, wo ein ganzes „Demenzdorf“ entstanden ist. Planungen für ein ähnliches Projekt gibt es bereits in Alzey.

Netzwerk Demenz Mayen-Koblenz

Das im Jahr 2007 gegründete Netzwerk ist ein Zusammenschluss von ambulanten, teil- und vollstationären Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe, Pflegestützpunkten, Betreuungsbehörde, Betreuungsvereinen, Hospizvereinen, Sozialverwaltung, Gesundheitsämtern, Selbsthilfeverbänden, Kreisseniorenbeirat, Krankenhäusern, Kirchengemeinden, Ehrenamtlichen, Ärzten und Therapeuten im Landkreis Mayen-Koblenz. Der Zusammenschluss bietet neben Beratungen und Gesprächskreisen Betreuung und ambulante Angebote, Tagespflege, Altenheime, 24-Stunden-Pflege und Freizeitangebote an. Nähere Informationen gibt es im Netz unter der Adresse www.demenz-myk.de

Was ist Demenz?

Der Begriff Demenz stammt aus dem Lateinischen und meint wörtlich übersetzt „ohne Verstand“. Das Bewusstsein und Gefühlsleben Betroffener ist dagegen völlig intakt. Dass der Geist mit dem Körper altert, ist normal. Allerdings kommt bei dementen Menschen dazu, dass sie sich nicht mehr richtig orientieren können. Diese Verhaltensauffälligkeiten müssen nicht zwangsläufig Demenz als Ursache haben. Auch Stoffwechselerkrankungen, Medikamente oder psychische Ursachen können zu demenzähnlichen Verhaltensauffälligkeiten führen. Ob es sich um eine krankhafte Störung des Gehirns oder altersbedingten Leistungsabfall handelt, muss der Arzt klären. Als Oberbegriff bezeichnet Demenz eine Vielzahl von Erkrankungen. Die häufigste Form ist Alzheimer. kde

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