Parzellen sind derzeit sehr beliebt, die Wartelisten lang -Ein Stück Natur auch für junge Familien mit Kindern
Kleingärten sind gefragt: Ein Idyll jenseits von Klischees
Gaby Murawski weiß, wie heiß begehrt die Parzellen in Mayen sind. Um ein Stück Gartenglück zu bekommen, ist Geduld gefragt.
Elvira Bell

Region. Schrebergartenidylle statt Spanien oder Bella Italia? Trägt die Corona-Pandemie zu einer erhöhten Anfrage der Kleingärtneranlagen bei? Ist die Sehnsucht nach Vogelgezwitscher und blühenden Blumen und sprießenden Gemüsepflanzen neu erwacht? Erleben die Schrebergärten, die alles andere als spießig daherkommen, eine Renaissance? Unsere Zeitung hat sich umgehört.

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Gaby Murawski weiß, wie heiß begehrt die Parzellen in Mayen sind. Um ein Stück Gartenglück zu bekommen, ist Geduld gefragt.
Elvira Bell

Gaby Murawski erzählt: „Wir hatten schon immer eine Warteliste für unsere insgesamt fünf Kleingartenanlagen in Mayen.“ Die Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins 1917 hat in den vergangenen sechs Wochen vermehrt Anfragen für einen Schrebergarten bekommen. Auf städtischem Grund stehen dem Verein in Mayen insgesamt fünf Kleingartenanlagen mit insgesamt 126 Parzellen zur Verfügung. Dies sind in der Barbarastraße 67, in der Germanenstraße 25, am Heckenberg und in der Kuhtrift je 14 und in der „Bramsche“ sechs Parzellen. „Unser Verein vermietet die unterschiedlich großen Parzellen, die mit 280 und 400 Quadratmetern unterschiedlich groß sind, mit einem Unterpachtvertrag weiter“, berichtet die 60-jährige Ehrenamtlerin aus Ettringen. „Die Nachfrage nach den gepachteten Gartengrundstücken auch von Familien mit Kindern ist definitiv gewachsen“, hat Murawski beobachtet. Trotz einer ganzen Menge an administrativen Aufgaben, die sie als Vereinsvorsitzende zu erledigen hat, ist sie drei- bis viermal pro Woche in ihrem angemieteten, liebevoll hergerichteten Domizil anzutreffen. „Das Klischee, dass die Kleingärten nur von älteren Leuten gepachtet werden, um in aller Ruhe die Natur zu genießen, gibt es schon seit einigen Jahren nicht mehr.“ Die verheiratete Mutter kann den Wunsch vieler Familien, die mit ihren Kindern in engen Mietwohnungen leben, nach ein bisschen gepflegtem Gartenglück gut nachvollziehen. Vielleicht ist das Kleingartenglück so beliebt, weil es auch heute noch erschwinglich ist.

Zu bedenken gibt Murawski in diesem Zusammenhang, dass die Nutzung eines Schrebergartens dem Bundeskleingartengesetz (BKleingG) unterliegt. Anders als in privaten Gärten, wo niemand vorschreibt, was dort angepflanzt oder gemacht werden darf, regelt dieses Gesetz, was die Kleingärtner, die Mitglieder des Obst- und Gartenbauvereins sein müssen, tun und lassen dürfen. Sie dürfen beispielsweise eine Laube mit höchstens 24 Quadratmeter Grundfläche einschließlich eines überdachten Freisitzes auf ihrer Parzelle errichten. „Zudem muss ein Drittel der Grundstücksgröße kleingärtnerisch genutzt werden zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen und somit der Selbstversorgung dienen.“ Der Selbstanbau von Obst und Gemüse zur Eigenversorgung sei in den vergangenen Jahren stark angestiegen, hat Murawski beobachtet.

In der Bäckerjungenstadt genießt Tatjana Hein seit August vergangenen Jahres mindestens jeden zweiten Tag ihr kleines, etwa 350 Quadratmeter großes Paradies. Die Andernacherin züchtet unter anderem Erdbeeren, Tomaten, Paprika, Zwiebeln und Kartoffeln.
Elvira Bell

Auch die Kleingartenanlage des Vereins Gartenfreunde Andernach erfreut sich großer Beliebtheit. In der Bäckerjungenstadt gibt es für die insgesamt 74 Gärten in der Theodor-Heuss-Straße eine Warteliste. In den vergangenen Wochen habe sich die Zahl der Interessierten etwas erhöht, erklärt Igor Dill. Der 53-Jährige steht dem Verein seit zwölf Jahren als Vorsitzender vor. „Wenn alles blüht, nutzen auch die Bewohner des nahe gelegenen Altenzentruns St. Stephan gern unsere frei zugänglichen Gemeinschaftswege.“ Ebenso wie in Mayen bevölkern auch Familien mit Kindern gern die Kleingärten in Andernach. Dort gibt es alle zwei Jahre ein Sommerfest für die 130 Mitglieder. „Doch das fällt dieses Mal ebenso wie unsere jährliche Versammlung aus.“ Momentan stehen etwa 15 Einzelpersonen und junge Familien mit Kindern auf der Warteliste. „Mit 13 Cent pro Quadratmeter und pro Jahr zuzüglich Wasser- und Stromverbrauch, den Gemeinschaftsausgaben und den Mitgliedsbeiträgen sind die Schrebergärten in Andernach recht günstig“, erklärt Dill. „Die Pacht ist seit Jahren nicht mehr erhöht werden.“

Groß ist die Nachfrage an Kleingärten auch in Koblenz „Im Weinacker“ bei Ernst Kagerbauer, dem Vorsitzenden des Stadtverbandes der Kleingärtner Koblenz. Der Stadtverband besteht aus vier Einzelvereinen. „Bei mir gehen jeden zweiten Tag Anmeldungen, zumeist von jungen Familien mit Kindern, ein“, so Kargerbauer, der zugleich auch das Amt des Schatzmeisters des Landesverbandes Rheinland-Pfalz der Kleingärtner bekleidet. Er wisse beispielsweise von der 260 Kleingärten zählenden Anlage Sonnenland, „dass diese ihre Warteliste, weil sie so lang ist, geschlossen habe“.

Von unserer Mitarbeiterin Elvira Bell

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