Seit 70 Jahren versüßt die „Prinzen Rolle“ das Leben der Menschen. Zum runden Geburtstag hat Griesson – de Beukelaer deshalb einen neuen Spot produzieren lassen. Der Kultkeks wird dabei mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) inszeniert. Doch das ist nicht jedermanns Geschmack. Das Polcher Unternehmen hat hart zu knabbern an den Reaktionen, die in einigen Medien als Shitstorm bezeichnet werden, also als lawinenartiges Auftreten negativer Kritik.
Seit Mitte April 2025 war der neue Spot bei Fernsehsendern und bei Onlineplattformen wie YouTube zu sehen. Er zeigte den Doppelkeks mit alten und jungen Menschen in Alltagsszenen: beim Wandern mit Freunden, beim Fahrradfahren und Skaten, beim Lernen und Spielen mit Opa. Die Prinzen-Qualität, so lautete die Botschaft, versüße das Leben bei jeder Gelegenheit. Die Polcher machten auch kein Geheimnis daraus, dass dabei künstliche Intelligenz im Spiel war. In einer Pressemitteilung des Unternehmens Mitte April hieß es: „Der TV-Spot wurde in Zusammenarbeit mit der Foodagentur Taste in Offenbach konzipiert und mit KI-generierten Szenen umgesetzt.“

Doch das verdirbt einigen Verbrauchern offenbar den Appetit auf Deutschlands berühmten Doppelkeks. Auf der Plattform Threads schreibt ein Nutzer: „Mein kleiner Bruder mag Prinzen Rolle sehr gerne. Leider machen sie jetzt KI-generierte Werbung. Wir werden sie nicht mehr kaufen.“ Ein anderer erklärt: „Die KI-Werbung von Prinzen Rolle ist für uns Künstler ein Schlag in die Magengrube.“ Und eine Frau schreibt: „Es ist so kacke, als ob so eine Firma die Prinzen Rolle macht, kein Geld ausgeben will, um eine anständige Werbung zu machen.“
Bei YouTube haben Nutzer den Spot als „absolut gruselig“ und „unglaubwürdig“ bezeichnet. „Danke für diese Werbung. Jetzt weiß ich, wie viel euch euer Produkt wert ist, und so kann ich getrost zur No-Name-Alternative greifen“, heißt es in einem Kommentar. Ein anderer stellt die Frage, wie das Unternehmen „den Markenkern so verraten“ könne.

Fehlende Authentizität in der Werbung wird vor allem bei Traditionsmarken als Täuschung empfunden und untergräbt das Vertrauen der Verbraucher – und damit ihre Bindung an das Produkt oder den Hersteller. „Wenn Agenturen nur noch dafür da sind, Kundenwünsche in Prompts (Anm. d. Red.: Stichwörter) zu übersetzen, aus denen dann Maschinen eine Kampagne basteln, kann das auch mal nach hinten losgehen“, warnt der Frankfurter Fachverlag Horizont.

Unsere Zeitung hat dem Polcher Unternehmen zum KI-Spot eine Reihe von Fragen gestellt. Die meisten werden allerdings nicht beantwortet, sondern unsere Redaktion erhält stattdessen Marketing-Sprechblasen.
„ Der neue TV-Spot von Prinzen Rolle ist auf reichweitenstarken Sendern im TV zu sehen und wird digital auf Plattformen und Webseiten verlängert, die zu unseren Zielgruppen passen. Mit dem TV-Spot übersetzen wir den Markenkern der Prinzen Rolle in Alltagsszenen und inszenieren die Prinzen-Qualität, auf die sich die Konsumenten seit 70 Jahren verlassen können“, heißt es seitens des Unternehmens.
„Für die Umsetzung dieser Idee wollten wir neben den Genussszenen mit knusprigem Keks und Schokoladencreme auf neue Technologien setzen. Inwieweit wir weiterhin KI-generierte Szenen nutzen werden, prüfen wir gerade.“ Weiter wird mitgeteilt, eine „veraltete Version des Spots“ sei zwischenzeitlich auf YouTube gelöscht worden. „ Die Begründung ist abenteuerlich,“ schreibt der Fachverlag Horizont dazu, der dieselbe Antwort erhalten hat.
Mit dem gelöschten Video sind auch die negativen Kommentare bei YouTube verschwunden, inzwischen soll es eine überarbeitete Version geben, wie es aus Polch heißt. „Im aktuellen Spot, der grundsätzlich weiterhin on Air ist, haben wir die Bildkomposition mit Details in den Alltagsszenen feinjustiert, die in der finalen Betrachtung noch Optimierungspotenzial zeigten“, teilt eine Pressesprecherin des Unternehmens mit. Diesen aktuellen Spot sucht man bei YouTube allerdings vergeblich.

In jedem Fall zeigen die Reaktionen, wie sensibel Verbraucher reagieren – und wie unberechenbar sie sind. Denn die Prinzen Rolle hat schon ganz andere Zeitenwenden erlebt. Das Traditionsprodukt wird seit einigen Monaten nur noch vegan produziert. Die Feedbacks dazu fallen vergleichsweise harmlos aus – obwohl dieses Ernährungsthema weit mehr emotionalisiert als künstliche Intelligenz.
Bei Threads schreibt eine Frau: „Die Prinzen Rolle ist nun vegan. Ich freue mich, dass immer mehr Firmen umdenken.“ Ein Nutzer antwortet humorvoll: „Darf man die denn noch Prinzen Rolle nennen, ohne Anteile von Prinzen drin?“ Und eine Nutzerin sagt: „Hab heute Prinzen Rolle gekauft. Die ist seit Kurzem vegan. Hab die bestimmt zehn Jahre nicht mehr gegessen. Ich finde, sie schmeckt immer noch gut.“ Und ein junger Mann erklärt: „Ich habe letztens noch gedacht: Ich war nie der größte Prinzen-Rollen-Fan, aber wenn es die in vegan gäbe, würde ich mir die ohne Ende auf mausiger Basis reinfeiveln. Und jetzt ist es plötzlich soweit.“ Eine weitere Nutzerin erklärt: „Vegane Prinzen Rolle – schmeckt wie vorher, nur jetzt eben ohne Tierleid. Danke!“

Die „Prinzen Rolle“ ist jetzt vegan
Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle bei Griesson – de Beukelaer. Das Keks-Imperium in Polch hat deshalb eine neue Rezeptur für die „Prinzen Rolle“ entwickelt.
Mehr als die vegane Ernährung wird künftig die künstliche Intelligenz zur Herausforderung werden – auch in der Werbung. Das Unternehmen Dr. Theiss Naturwaren GmbH und seine Zahnpflegemarke Lacalut strahlen seit März einen Fernsehspot zum 100-jährigen Bestehen aus, der ausschließlich durch KI generiert wurde. Im Mittelpunkt stehen Menschen aus den vergangenen 100 Jahren – und ihr Lächeln. Die KI hat die Figuren erstellt und die Hintergründe an die Zeit angepasst. Aus Sicht der Macher ist KI „ein mächtiges Werkzeug für kreative und emotionale Werbung“. Die Polcher werden an ihrem KI-Spot allerdings noch eine Weile zu knabbern haben.