Keine Einigung zum Bau von Windkraftanlagen in der Vulkaneifel
Keine Einigung zum Bau in der Vulkaneifel: Müssen Windräder vor Gericht?
Windpark Mannebach Kamillentraudweg
Der Blick von Trudi Osiewacz, ehemalige Wanderführerin auf dem Themenweg, bei einer Wanderung auf dem Kamillentraudweg könnte künftig nicht Buchenblätter, sondern Rotorblätter offenbaren. Foto: Angelika Koch
Angelika Koch

Ein öffentlicher Erörterungstermin zu zwei geplanten Windrädern in Retterath und einem in Kolverath brachte Naturschützer, Energieindustrie und Kreisverwaltung an einen Tisch. Doch von Einigkeit war keine Spur. Am Ende bleibt wohl die gerichtliche Klärung.

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Auf dem Holzberg, einem Nachbargipfel des Hochkelbergs, soll ein avisiertes und derzeit umstrittenes Windenergieprojekt im Bereich der Ortsgemeinden Retterath und Kolverath entstehen. Nicht weit entfernt, bei Mannebach, soll es künftig ebenfalls zur windenergetischen Sache gehen.

Offenbar ist die abgeschieden-ländliche Idylle für die Planer der Energiegenossenschaft Prokon mit Sitz in Itzehoe schwer auffindbar, denn wie sich nun in der öffentlichen Erörterung herausstellte, hatten sie die projektierten Anlagen in ihren Antragsunterlagen irrtümlich in der Nähe einer Bundesstraße und einer Autobahn sowie bereits zahlreicher weiterer Windanlagen angesiedelt. Darauf von den Vertretern der Kelberger Verbandsgemeinderatsfraktion „Sturm im Wald“ angesprochen, bekundeten die Prokon-Vertreter Manuel Wagner und Jasmin Trautwein, dass es ihnen leidtue und man nicht nachvollziehen könne, wie es zu dem Fehler gekommen sei. Aber dass er aus ihrer Sicht nichts ändere.

Viele Kritiker, ein Befürworter

Aus Sicht von Reinhold Jansen, Bastian Kleppe, Markus Ewinger (alle „Sturm im Wald“), Thomas Brötz von der Naturschutz-Initiative (NI) und anderen Kritikern der Windkraftpläne war die falsche Antragsgrundlage jedoch nur eines von vielen Details, die sogar alles ändern sollen. Denn unter anderem die Ruhe- und Erholungsfunktion des bislang ungestörten Waldes, der lediglich vom Kamillentraudpfad als familienfreundliche Wanderroute durchschnitten ist, führen sie als Argument ins Feld.

Als einziger Windkraftbefürworter aus der Region erschien Kolveraths Bürgermeister Jürgen Jax, der seine Hoffnung äußerte, dass die Windräder gebaut werden können. Nicht allein wegen des Geldes, wie er anmerkte, sondern weil erneuerbare Energien gewollt seien.

Wie viele Anlagen sind noch beantragt?

Im Bereich der Verbandsgemeinde Kelberg sind derzeit 32 Windanlagen geplant, zwei davon bereits genehmigt. Da die Fortschreibung „Teilbereich Windkraft“ des Flächennutzungsplanes in 2017 scheiterte, gilt in der Verbandsgemeinde die so genannte „Privilegierung im Außenbereich“ nach dem Baugesetzbuch. Daher müssen alle Anträge vom Bauamt einzeln bewertet und genehmigt oder abgelehnt werden. Die Bewertung, ab wann die Gesamtmenge der Windräder die Eigenschaft des Gebietes als Landschaftsschutzgebiet aushebelt, obliegt ebenfalls der Kreisverwaltung.

Die Kreisverwaltung als entscheidende – und bei der Erörterung vor allem zuhörende – Behörde war vertreten durch Marco Wellenberg vom Bauamt, Landespfleger Hendrik Albrecht und Klaus Benz, Fachbereichsleiter für Recht, Sicherheit, Ordnung, Bauen, Verkehr, Schulen, ÖPNV, Veterinärwesen und Landwirtschaft. Dem Allrounder blieb nach zweistündiger Aufnahme der Argumente die Ahnung: „Wir treffen hier und jetzt keine Entscheidung. Das wird am Ende wohl vor Gericht landen. Wir als Verwaltung können nicht anders, als uns an die jeweils geltenden Gesetze zu halten.“

Dabei war der Ton der Erörterung durchaus sachlich, ohne Vorwürfe oder sich in Rage zu reden. Lediglich einmal wurde es persönlich, als der promovierte Biologe Hendrik Albrecht mit Blick auf Ermessensspielräume bei der Entscheidung pro oder kontra Windkraft im Wald gefragt wurde, ob er nicht begeistert sei von der einzigartigen Biotopqualität, welche durch den Bau der Anlagen ausgerechnet an den geplanten Standorten zerstört würde. Sein persönliches Empfinden habe kein Gewicht, zog sich der amtliche Naturschützer auf einen juristischen Blickwinkel zurück.

Bereits 2021 gab es eine Dienstaufsichtsbeschwerde

Der Jurist Benz blieb ebenfalls stoisch und fragte derweil systematisch alle kritischen Themen ab: Gesundheit und Lärmschutz, Schattenwurf, Rechtmäßigkeit des Raumordnungsverfahrens, Brandschutz, Landschaftsbild, Arten- und Naturschutz, Tourismus, Rückbau, Wirtschaftlichkeit. Zu jedem einzelnen Punkt gab es viele und in aller Ausführlichkeit dargelegte Einwendungen. Die Antwort von Prokon auf jeden einzelnen dieser Punkte war im Gegenzug kurz und mehr oder weniger dieselbe: Man habe alle amtlichen Kriterien, alle Paragrafen und alle Richtwerte hinreichend berücksichtigt.

Aber warum wird es dann vor Gericht landen? Die Argumentation der Kritiker: Allein schon das Raumordnungsverfahren sei nicht legal gelaufen, gab Reinhold Jansen zu Protokoll, und es habe diesbezüglich bereits in 2021 eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den ehemaligen Landrat und folgend gegen die Landrätin gegeben. Aber noch mehr als Rechtliches treibt Grundsätzliches die Gegner um, wie etwa Schall als gesundheitsgefährdender Stressfaktor oder negative Auswirkungen auf Tierwelt, Wasserhaushalt und Waldstabilität.

Was Kritiker an den geplanten Windkraftprojekten in der Vulkaneifel bemängeln

Das windkraftfreie FFH-Gebiet des Elzbachtales sei viel zu schmal ausgewiesen und umfasse fast nur die unmittelbare Wasseroberfläche. Zudem könnten im fraglichen Areal des Holzbergs Brände von Windrädern kaum gelöscht werden – in Dürreperioden ein wachsendes Problem. Es müssten mehr als fünf Meter breite Schneisen als Zuwege zu den Anlagen in ökologisch wertvolle Baumbestände geschlagen werden, insgesamt entstehe ein Flächenverbrauch von 36.000 Quadratmetern Wald pro Anlage. Die Kosten nach zwanzig Jahren Laufzeit für den Rückbau seien nicht realistisch veranschlagt und belasteten kommunale Haushalte in unkalkulierbarer Weise. Die Anlagen beschädigten den Wander- und Erholungstourismus als Wirtschaftsmotor mit vielen Arbeitsplätzen.

Dass Prokon bislang keine Erfahrung mit dem Rückbau von Windkraftanlagen im Wald hat, räumte Prokon-Vertreter Manuel Wagner ein. Gesetzlich ist vorgegeben, dass beispielsweise durch den Bau zerstörter Waldboden nur durch neuen Waldboden ersetzt werden darf. Woher der zu nehmen wäre, blieb in der Erörterung eine der ungeklärten Fragen. Insbesondere die Schädigung des Naturtourismus wies Manuel Wagner zurück. Er führte als Alternative technische Lehrpfade an, die andernorts erfolgreich die Funktionsweise der Windräder präsentierten. Demnach würde man künftig auf der hölzernen Ruheplattform des Kamillentraudwegs nicht das Rauschen von Buchen- und Eichenblättern, sondern von den 400 Meter entfernten Rotorblättern hören.

Der sogenannte Zielkonflikt zwischen Arten- und Naturschutz oder Erholungsfunktion mit der Energieerzeugung ist nach der öffentlichen Erörterung nicht ausgetragen, sondern nimmt erst recht Fahrt auf. Zwischenzeitlich noch ganz andere Rahmenbedingungen stellt voraussichtlich die geplante Novellierung der EU-Gesetzgebung in Sachen Naturschutz. Der Rechtsweg, der sich derzeit abzeichnet, bleibt also mindestens so spannend und wendungsreich wie eine Wandertour auf dem Holzberg.

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