Von unserem Mitarbeiter Silvin Müller
Zuvor hatten wohl viele Jecken mit gemischten Gefühlen auf den anstehenden Jubiläumshöhepunkt zum 600-jährigen Bestehen der „Annenache Faasenacht“ geblickt: „Am Anfang wusste man nicht so recht, ob wir uns auf den Zug freuen können. Karneval im Sommer ist schon etwas anderes“, befürchtete etwa Hofstaatsmitglied Birgit Bunk von den Stadtsoldaten.
Doch schon bei der Aufstellung im Schillering war die Sorge, ob man derzeit Menschen in Kostümen überhaupt sehen möchte, vergessen. Fast auf der gesamten Strecke begleitete die Sonne die Jecken und ließ das Metall von Musikinstrumenten und Uniformen besonders schön blitzen. Blaue Funken, Prinzengarde, Rot-Weiße Husaren, Stadtsoldaten, Möhnen und Gerak freuten sich über die Scharen von Zuschauern, auch wenn diese nicht ganz so dichte Reihen bildeten wie sonst an Rosenmontagen: „Etwas ungewöhnlich finden wir es schon, aber wir schauen den Zug immer, und er ist schön“, meinte Agnes Bläser. „Die Stimmung ist bei allen sehr gut“, lobte Liesel Wilhelmi.
Während viele Erwachsene sich lieber „als Andernacher Bürger“ verkleidet hatten, wie ein Karnevalist die fehlenden jecken Accessoires humoristisch kommentierte, waren vor allem die Kamelle sammelnden Kinder kostümiert. Sie wuselten als Prinzessinnen, Marienkäfer oder Mickey-Mäuse umher, während die dickeren Bären- oder Löwenumhänge zu Haus geblieben waren.
„Ich finde es prima, dass die Kinder einmal in Kostümen ohne Jacken zum Zug gehen konnten“, sagte Raphaela Hermann. Auch in den Gruppen schienen leichtere Kostüme von Vorteil zu sein, wie etwa bei den luftig gekleideten Nixen, die sich in Neptuns imposanter Unterwasserwelt des Bermuda-Dreiecks tummelten. Es war zu sehen, dass sich die Wagenbauer für das Jubiläum besonders ins Zeug gelegt hatten. So beeindruckte beispielsweise die Betriebssportgruppe der Rhein-Mosel-Fachklinik mit einer mittelalterlichen Burg.
Die Alten Herren der „SG 99“ inszenierten eine Muppet-Show, der Stammtisch Bescheid suchte Schneewittchen, und „De Dötzje“ waren mit der ehemaligen Fähre „Pötche“ auf dem Weg zum anderen Rheinufer. Von Leutesdorf kam die Alte Garde, die in ulkigen Froschkostümen „Alles Quaak“ riefen. Sichtlich genossen vor allem das Prinzenpaar und die Mitglieder des Hofstaats den Weg vom Schillerring zum Marktplatz. Sie hatten mit dem geplatzten Höhepunkt im Februar auch eine emotionale Berg- und Talfahrt hinter sich.
„Es war super und außergewöhnlich“, freute sich Prinz Tobias I. Insgesamt, so resümierte Festausschussgeschäftsführer Hans-Josef Völkel, hätte alles hervorragend funktioniert: „Der Zug ist störungsfrei verlaufen.“
Die Narren urteilten einstimmig: „Nicht nur dieser spezielle Sommervormittag, sondern auch die von den Musikzügen der Koprs mitgestaltete Messe im Mariendom am Vortag sowie die große Party in den Rheinanlagen mit Livemusik hat das Jubiläum zu einem besonderen Erlebnis werden lassen.“