Was zu erwarten ist und woran es derzeit noch krankt, war eines der zentralen Themen der Maifelder Landwirtschaftswoche. Als Referenten hatten das ausrichtende Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Westerwald-Osteifel und der Verband landwirtschaftlicher Fachbildung mit Andy Becht, Staatssekretär in Mainz, und Christian Gaebel vom Deutschen Bauernverband zwei ausgewiesene GAP-Experten gewinnen können.
Schon seit 2018 wird an der Reform gearbeitet mit dem Ziel, eine Modernisierung und Vereinfachung der Europäischen Agrarpolitik zu erreichen und gleichzeitig größere Anstrengungen im Bereich des Umwelt-, Tier- und Klimaschutzes zu unternehmen. Der Fokus der Unterstützung soll dabei künftig stärker bei kleineren und mittleren Betrieben liegen. „Das stellt zweifelsohne einen Paradigmenwechsel dar“, bilanzierte Staatssekretär Becht.
Mehr Fördergeld, weniger Einkommen
Bis 2027 werden dem Bund rund 30 Milliarden Euro Fördergeld zur Verfügung stehen, 1,52 Milliarden davon gehen an Rheinland-Pfalz, was ein leichtes Plus zur vorherigen Förderperiode bedeutet. „Man kann es aber nicht schönreden: Die Einkommenswirkung der Direktzahlungen an die Landwirte nimmt deutlich ab“, sagte Becht. Waren es vormals noch mehr als 200 Euro, die je Hektar gezahlt wurden, sind es künftig nur noch 158 Euro. Weitere Gelder sind an klare Bedingungen beziehungsweise Gegenleistungen im Bereich des ökologischen Anbaus geknüpft. Hinzu kommt eine verpflichtende Stilllegung von vier Prozent der Ackerflächen, auf die sich die Landwirte einlassen müssen.
Ob das Ziel der Vereinfachung mit der Novelle erreicht werden konnte, stellt der Staatssekretär auf jeden Fall in Abrede: „Der Verwaltungsaufwand wird leider erneut zunehmen.“ Der Strategieplan, in dem die deutsche Bundesregierung der EU ihre Maßnahmen zur Umsetzung der Förderrichtlinien dargelegt hat, umfasst stolze 1799 Seiten – ohne Anlagen. Mehr Geld soll die neue Förderperiode aber auf jeden Fall für Junglandwirte, also Betriebsleiter, die im Jahr der Niederlassung nicht älter als 40 Jahre sind, bringen. Sie könnten als Einkommensstützung jährlich 115 Euro je Hektar für bis zu 120 Hektar förderfähige Fläche erhalten. Für zusätzliche Attraktivität soll auch eine Niederlassungsprämie des Landes Rheinland-Pfalz in Höhe von 45.000 Euro sorgen, erklärte Becht. „Denn genau in diesen Momenten kippen uns die Betriebe weg, wenn für die nächste Generation die Entscheidung ansteht, ob sie weiter macht oder sich etwas anderes sucht. Oft besteht dann noch zusätzlich Investitionsstau, und deshalb wollen wir in dieser entscheidenden Übergabephase helfen. Wir wollen, dass die Traktoren weiter durch die Dörfer fahren.“
Erfreuliche Entwicklungen wusste er von den Winzern zu berichten: Bei ihnen, so Becht, sei inzwischen die Hälfte der Azubis Quereinsteiger, also Menschen, die nicht aus einem Familienbetrieb stammen. Der Frauenanteil liege bei 50 Prozent. „Diese Entwicklung müssen wir schaffen, in die allgemeine Agrarstruktur zu bringen.“ Referent Christian Gaebel, der die Reform von Anfang an mitbegleitet hat, nahm sich in seinem Redebeitrag die verschiedenen Knackpunkte der neuen GAP-Strategie vor. Als positiv bewertete er, dass Sanktionen, Kürzungen und Toleranzen künftig nicht mehr auf europäischer Ebene festgelegt, sondern im nationalen Strategiepapier definiert werden. Als problematisch bewertete er jedoch, dass die Landwirte sich ab 2023 nicht mehr auf die Höhe der Prämien verlassen können, da dieser Wert im Laufe eines Kalenderjahres in Relation zur Anzahl der tatsächlichen Antragsstellungen korrigiert wird. „Hier droht eine Blackbox“, so Gaebel und somit ein zusätzliches unternehmerisches Risiko.
Zeit läuft Bauern davon
Das größte Problem sei aktuell aber die Zeit: Diese laufe den Landwirten gerade sprichwörtlich davon, da die Regierung ihr Strategiepapier verspätet eingereicht hat und eine offizielle Genehmigung der Fördermechanismen wohl erst im Herbst erfolgen werde. „Bis zum Sommer 2022 brauchen die Landwirte aber Klarheit, nicht zuletzt wegen der Anbauplanung für das kommende Jahr.“ In seinem Vortrag machte Gaebel auch deutlich, wo der Gesetzgeber bis dahin nachbessern müsse: Abgerückt werden sollte von den „überzogenen Anforderungen bei der Konditionalität bei einer Basisprämie von noch circa 150 Euro pro Hektar“. Außerdem fehlten bislang attraktive Ökozielbeschreibungen für Futterbau-, Ökolandbau- und Sonderkulturbetriebe, so der Experte.
Bei den betroffenen Landwirten der Region im Polcher Forum hinterließ das neue Bürokratiemonster aus Brüssel Unmut. „Warum muss das alles so kompliziert sein? Angesichts der für uns erfreulicherweise zuletzt gestiegen Handelspreise überlegen die ersten Kollegen bereits, ob sie sich das Ganze überhaupt antun wollen“, sagt Wolfgang Karbaum, der einen Betrieb in Vallendar hat. Ihn persönlich regt es auf, dass die Haltungsprämien beim Nutzvieh künftig für Mutterkühe nur dann gezahlt werden, wenn der Betrieb keine Kuhmilch oder Kuhmilcherzeugnisse produziert.