Junge Mayenerin braucht Hilfe
Ihre Hoffnung hat vier Pfoten
Ein Assistenzhund ist ihre Hoffnung auf vier Pfoten. Mit auf dem Foto ist ihre Mutter, die in Bayern lebt.
Elvira Bell

Gemobbt, geschlagen, vergewaltigt: Lisa Kranz (25) aus Kürrenberg hat viel durchgemacht. Jetzt will sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. 

„Was hattest du an? Hast du den Mann provoziert?“ Das sind Fragen, die Lisa Kranz immer wieder zu hören bekommt, seit sie Opfer einer Vergewaltigung wurde. Die Fragen erzeugen bei ihr unbewusst Bilder, Assoziationen. Inzwischen geht die heute 25-Jährige, die gebürtig aus Bayern stammt und seit 2019 in Kürrenberg lebt, mit dieser traumatischen Erfahrung offen um. Aber die Tat beschäftigt sie. Jeden Tag. Es fällt ihr schwer, im Alltag zurechtzukommen. Fremde Menschen machen ihr Angst. Ein Assistenzhund, davon ist die junge Frau überzeugt, könnte ihr helfen, diesen Kreislauf zu durchbrechen.

Nach ihrer Vergewaltigung war sie in der Rhein-Mosel-Fachklinik zur Therapie. „Ich konnte lange nicht über den Missbrauch sprechen.“ Zur Anzeige hat sie - auf Anraten ihrer damaligen Therapeutin - die Tat nicht gebracht. „Sie hat mir aufgrund meiner psychischen Verfassung davon abgeraten. Ein solches Verfahren wäre für mich zu belastend gewesen und hätte mich Monate, wenn nicht Jahre in meiner Genesung zurückgeschmissen“, begründet Lisa Kranz das damalige Vorgehen.

„Meine Mitschüler hatten es auf mich abgesehen. Wenn die einmal jemanden auf der Pike hatten, gab es kein Entrinnen. Sie prügelten aufs Übelste auf mich ein.“
Lisa Kranz wurde zu Schulzeiten gemobbt.

Doch die Missbrauchserfahrung ist bei Weitem nicht alles, was Lisa Kranz am eigenen Körper erlebt hat. Was sie erleiden musste, geht ihren Schilderungen zufolge über ein paar Neckereien in der Schule weit hinaus. Bereits als Kind erfährt sie verbale, emotionale Beleidigungen, Demütigungen und körperliche Gewalt. Sie fühlt sich wert- und hilflos. „Meine Mitschüler hatten es auf mich abgesehen. Wenn die einmal jemanden auf der Pike hatten, gab es kein Entrinnen. Sie prügelten aufs Übelste auf mich ein“, schildert die junge Frau im Gespräch mit unserer Redaktion.

All diese Attacken und bedrohlichen Situationen hinterlassen seelische Narben bei Lisa Kranz. Die Folgen sind gravierend. Seit 13 Jahren ist sie nach eigenen Angaben aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse in ärztlicher Behandlung. „Ich leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), die eine Folge der durchlebten traumatischen Ereignisse ist. Die PTBS zeigt sich bei mir durch Albträume und Flashbacks, ausgeprägte Schlafstörungen, Panikattacken und schwere Depressionen.“

Lisa Kranz mit ihrem Diego. Als Angsthund eignet er sich nicht für eine Ausbildung zum Assistenzhund.
Elvira Bell

Eine Ausbildung zur Pferdewirtin musste Lisa Kranz nach anderthalb Jahren aufgeben. Nach einer Therapie ging es ihr zwischenzeitlich besser, sodass sie bei Amazon und auch als Staplerfahrerin arbeiten konnte. „Aber die Therapie war nicht nachhaltig“, sagt sie rückblickend. „Ich werde bald ein ärztliches Gutachten bekommen, das mir attestiert, dass ich nicht länger als drei Stunden täglich arbeitsfähig bin“, sagt die junge Frau, die derzeit von Bürgergeld lebt. „Ich kann aktuell nicht arbeiten.“

Ihren Alltag könne sie allein schon lange nicht mehr bewältigen. „Panikattacken, Dissoziationen und Flashbacks hindern mich an einfachen Dingen, wie beispielsweise dem Einkaufen, an Behördengängen, Arztbesuchen und auch am Bus- und Bahnfahren“, sagt sie. Lisa Kranz lebt in Kürrenberg im Obergeschoss im Hause der Freundin ihres Vaters. Das gibt ihr eine gewisse Sicherheit. Sie sagt: „Allein schon das Gespräch mit Ihrer Zeitung fällt mir unheimlich schwer.“

Diego ist ein Angsthund

Zu dem Treffen hat sie ihren siebeneinhalbjährigen Mischlingshund Diego, einen Tierschutzhund aus der Türkei, und ihre Mutter, die in Bayern lebt, mitgebracht. „Diego ist ein Angsthund. Er ist für eine Ausbildung als Assistenzhund nicht geeignet. Das habe ich prüfen lassen.“ Nicht nur um ihren eigenen Hund, sondern auch um den ihres neuen Partners, der zurzeit in einer Klinik behandelt wird, kümmert sich Lisa Kranz in diesen Tagen. „Ich habe meinen Partner vor drei Jahren in der Klinik kennengelernt. Er hat ziemlich ähnliche Probleme wie ich“, sagt sie.

„Ein ausgebildeter Assistenzhund würde mir insoweit helfen, dass er Panikattacken und ein Wiedererleben von traumatischen Ereignissen unterbricht.“
Lisa Kranz

Mit den beiden Hunden ist sie gern draußen. Ihr Wunsch: „Ein Assistenzhund, den ich als Welpe begleitend mit einem Trainer insgesamt 21 Monate ausbilde.“ Aber: Die Auswahl eines geeigneten Hundes, Prüfungen, Kenndecken, tierärztliche Behandlungen, das Training - all das kostet viel Geld. Rund 20.000 Euro, schätzt die Kürrenbergerin, benötigt sie. Über die Internetplattform www.spendenseite.de sammelt sie deshalb Geld. „Selbst wenn ich das Geld zusammen habe, bin ich nicht so belastbar, dass ich mir eine Eigenständigkeit aufbauen könnte“, sagt die junge Frau selbstkritisch. „Ein ausgebildeter Assistenzhund würde mir aber insoweit helfen, dass er Panikattacken und ein Wiedererleben von traumatischen Ereignissen unterbricht. Er könnte mir auch helfen, wenn ich wieder einmal durch meine Angst desorientiert bin, mich an einen sicheren Ort zu bringen.“ Und vielleicht ginge es ihr irgendwann so viel besser, dass sie sogar ihren größten Traum verwirklichen könnte: eine eigene Hundeschule. 

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