Haushalt 2022 weist Fehlbetrag von 4,9 Millionen Euro auf - Grundsteuer B steigt auf 535 Prozent
Haushalt 2022: Mayen erkauft sich Investitionen mit Steuererhöhung
Seltene Einstimmigkeit: Um die Sitzungszeit zu minimieren, wurden bei der jüngsten Ratssitzung der Stadt Mayen alle Tagesordnungspunkte abgesetzt, die nichts mit dem Haushaltsplan 2022 zu tun hatten. Foto: Martin Boldt
Boldt

Mayen. Ein neuer Oberbürgermeister bedeutet nicht zwangsläufig, dass sofort alles besser wird. Diese Erkenntnis bleibt nach dem Studium des Haushaltplans 2022 für die Stadt Mayen. Zu groß sind die externen Zwänge - die anhaltende Pandemie, eine Flut, das unerwartete Abwandern wichtiger Gewerbesteuerzahler, um nur einige zu nennen-, als das ein Mann alleine imstande wäre, binnen eines Jahres eine Trendwende einzuleiten.

Seltene Einstimmigkeit: Um die Sitzungszeit zu minimieren, wurden bei der jüngsten Ratssitzung der Stadt Mayen alle Tagesordnungspunkte abgesetzt, die nichts mit dem Haushaltsplan 2022 zu tun hatten. Foto: Martin Boldt
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Ein weiteres Mal übersteigen daher die Einnahmen die Ausgaben in der Eifelstadt – am Ende um fast 4,9 Millionen Euro. Dennoch versuchte OB Dirk Meid bei der jüngsten Stadtratssitzung die positiven Seiten des Zahlenwerkes zu sehen: „Wir haben ein Investitionsvolumen von 23,5 Millionen Euro und einiges vor der Brust.“ Hierzu zählen die Generalsanierung der Genovevaburg (2,4 Millionen Euro), die Generalsanierung des Feuerwehrdepots 2,37 Millionen Euro), der barrierefreie Ausbau von Bushaltestellen (907.000 Euro), die Umsiedlung des Betriebshofes (3,3 Millionen Euro) und das Gewerbegebiet Etzler Graben (670.000 Euro).

Erkaufen will sich die Stadt die Genehmigung hierfür seitens der ADD mit einer Erhöhung der Grundsteuer B auf 535 Prozent. Meid verteidigte dies entschieden: „Auch mir macht es keinen Spaß, Steuern und Gebühren zu erhöhen, wir sind aber auch dafür gewählt, unangenehme Entscheidungen zu treffen. Die ADD lässt uns dafür bei den Investitionen und bei der Gewerbesteuer freie Hand. Und da stehen wir tatsächlich in Konkurrenz zu unserer Nachbarschaft.“

Meid bedankte sich beim Stadtvorstand und allen Mitarbeitern, die ihm durch sein erstes Jahr geholfen haben. Eine angenehme Zusammenarbeit, trotz gewisser Friktionen hier und da, attestierte er auch den Ratsfraktionen. Geblieben sei die Erkenntnis, dass man trotz Krisen verschiedenster Art der Lage stets Herr geblieben sei.

Bei ihren Haushaltsreden beschränkten sich die Parteien auf das Wesentlichste, um die Sitzung zum Schutze aller möglichst kurz zu halten. Den Auftakt machte CDU-Fraktionschef Christoph Rosenbaum. Ebenso wie die pandemische Lage, führte er aus, halte auch der städtische Haushalt nur wenige rosige Aussichten für 2022 parat. „Mit einem Fehlbetrag von mehr als 4,8 Millionen Euro – trotz einer saftigen Erhöhung der Grundsteuer B und mehr als 12 Millionen Euro neuer Kreditaufnahmen im investiven Bereich kann man das Zahlenwerk sicher nicht als den großen Wurf unseres Oberbürgermeisters bezeichnen.“ Den Vorstoß der ADD nannte der Christdemokrat geradezu eine „Erpressung“.

Kritik gab es explizit auch an dem sich immer weiter aufblähenden Stellenplan der Stadt. „Die landläufige Meinung ist, dass die Digitalisierung unser Leben deutlich vereinfacht und viele Abläufe beschleunigt.“ In der Stadtverwaltung Mayen spiegele sich dies aber vor allem in großen Investitionen für benötigte Technik und zusätzlichen EDV-Mitarbeitern wieder. Wenn die Bürger immer mehr Dienste online in Anspruch nehmen können, müsse sich das langfristig auch beim Personalkörper bemerkbar machen, mahnte er an.

Mehrere Änderungsanträge der Christdemokraten für den Haushalt fanden eine Mehrheit, unter anderem der Vorschlag die Generalsanierung der Turnhalle der Grundschule St. Veit nochmals zu verschieben. „Aufgrund der Vielzahl an Bauprojekten erscheint die Eröffnung eines weiteren Projekts aktuell nicht ratsam“, begründete Rosenbaum. 100.000 Euro konnten so aus dem Plan genommen werden. Die Mittel für den Bau eines Garagenhofs durch die Stadt, für die zunächst 350.000 Euro vorgesehen waren, wurden zwar nicht gestrichen, allerdings mit einem Sperrvermerk versehen.

Für die Sozialdemokraten äußerte sich Helmut Sondermann: Er dankte Meid, durchaus erwartbar, für die „Umsicht und Weitsicht“, mit der dieser in den zurückliegenden Monaten zuwerkgegangen sei. „In der Krise hellwach zu sein und alternative Entwicklungsmöglichkeiten zu erkennen und zu reagieren, ist das Gebot der Stunde.“ Exemplarisch nannte er die Unterbringung des überfluteten Betriebshofes, die der Stadt am Ende helfen werde, mehrere Millionen Euro einzusparen.

Die von der ADD unmissverständlich angemahnte Anhebung der Grundsteuer B bringe die SPD-Fraktion in eine bedrückende Lage: „Wir halten es für den falschen Weg, dem kleinen Bürger angesichts steigender Lebenshaltungskosten in die Tasche zu greifen. Aber wir stehen auch in der Verantwortung, uns den finanziellen Handlungsspielraum zu erhalten, die freiwilligen Leistungen wie Nettebad, Jugendhaus und vieles andere nicht zu gefährden.“ Als völlig unverständlich und inakzeptabel bezeichnete er die ungebrochene Weigerung des Kreises, die vereinbarten Kostenanteile für das Mayener Jugendamt zu erstatten.

Dank und Anerkennung richtete Sondermann an die „engagierten und fleißigen“ Mitarbeiter der Verwaltung und städtischen Gesellschaften. „Sie haben sich gerade in diesem Katastrophenjahr mit Corona und Flutdesaster wahrlich ins Zeug gelegt und unglaublichen Einsatz gezeigt.“ Gleiches erging in Richtung der Mayener Betriebe und Unternehmen, die trotz der existenziellen Bedrohung gekämpft hätten. Beeindruckt zeigt er sich in diesem Zusammenhang auch von der Höhe der diesjährigen Gewerbesteuer. „Von solchen Zahlen in der Krise träumen andere Kommunen.“

Natascha Lentes, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat, freute sich zunächst darüber, dass die befürchteten Steuereinbrüche im laufenden Kalenderjahr aufgrund des Coronavirus ausgeblieben sind. „Weniger erfreulich ist die Bilanz, die das Jahr insgesamt in unserem Haushalt hinterlassen hat. Und die kann somit nicht allein auf die Pandemie zurückzuführen sein. Wir starten das Jahr 2022 mit einem Fehlbetrag von 4,9 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2019 hatten wir einen Überschuss von 2 Millionen Euro, 2020 ein Minus von 2,8 Millionen Euro.“ Bei einer gleichbleibenden Entwicklung, so rechnete sie vor, könnte das verbliebene Eigenkapital der Stadt bereits 2026 völlig aufgebraucht sein.

Eine soziale Ungerechtigkeit erfolge mit der Anhebung der Grundsteuer: „Nicht alle Steuerzahlenden werden damit gleichermaßen an den Kosten beteiligt. Hier werden vor allem ältere Menschen, die sich im Laufe ihres Lebens ihr Eigenheim mühselig zusammengespart haben, zur Kasse gebeten.“ Ebenso wenig könne es sein, dass die Zuschüsse der Stadt an die Burgfestspiele wegen des angestiegenen Defizites signifikant steigen und auf der anderen Seite Zuschüsse für Kitas gestrichen werden. „Maßnahmen zur Konsolidierung“, so Lentes mit Blick auf die Diskussion um die Abgabe des Jugendamtes, „müssen mit allen Protagonisten erarbeitet, fachlich und inhaltlich erörtert werden und dürfen nicht an den wichtigsten Entscheidungsgremien vorbei laviert werden.“

Die Freien Wähler, die mit den meisten ihrer insgesamt 26 Änderungsanträgen scheiterten, kritisierten, dass es der Verwaltung schwerfalle, klare Prioritäten bei den Investitionen zu setzen. Sprecher Hans-Georg Schönberg stellte klar, dass seine Fraktion nichts von der nun angestrebten einseitigen Steuererhöhung halte, die letzten Endes „nur Kosmetik“ sei, „um eine Genehmigungsfähigkeit trotz Millionendefizit“ darzustellen. Beim Hochwasserschutz warb die FVM erfolgreich für zusätzliche Gelder für eine Entwurfsplanung für das Aufweiten des Nette-Bachbettes am Grundstück des Bauhofes, für die Installation eines Treibgutrechens am Freizeitzentrum (mit Sperrvermerk) und für die Neuplanung der Brücke „Im Bannen/Gerberstraße“ im Haushalt 2022.

Für die FDP benannte Thomas Hürter weitere unliebsame Zahlen: „Ende 2022 beträgt die Gesamtverschuldung der Stadt 87 Millionen Euro, dies entspricht einer Pro-Kopf-Verschuldung von mehr als 4400 Euro.“ Zum Vergleich: Im gerade veröffentlichten Kommunalbericht des Landesrechnungshofs wird die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung im Land mit 3035 Euro angegeben. „Unser Eigenkapital wird ebenfalls einen negativen Höchststand erreichen, jeder Wirtschaftsbetrieb wäre sicher schon in der Insolvenz“, kritisierte Hürter. Die Liberalen seien hier jedoch bereit, Verantwortung für weitere unliebsame Entscheidungen zu übernehmen.

AfD-StadtratsmitgliedWalter Scharbach schlussendlich kommentierte: „Nach Durchsicht des Haushaltes bleibt festzustellen, dass das Hinausschieben von Baumaßnahmen oder Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen mittelfristig mehr Schaden als Nutzen bringen wird.“ Er warb für den Mut, den Haushalt ohne die Erhöhung der Grundsteuer zu verabschieden.

Am Ende war das Votum jedoch eindeutig: Die Grundsteuererhöhung wurde bei 21 Ja- und 9 Neinstimmen beschlossen, der gesamte Haushalt 2022 sowie die enthaltenen Investitionskredite mehrheitlich angenommen. Die Gegenstimmen kamen ausschließlich aus dem Lager der FWM.

Von unserem Redakteur Martin Boldt

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