Ministerialdirektor Daniel Stich lässt sich in Münstermaifeld von den Ideen dreier Hausärzte anstecken
Hausärzte in Münstermaifeld fordern: Ein Rezept für weniger Bürokratie, bitte!
Idealerweise stehen politische Entscheider hinter den Hausärzten: Ministerialdirektor Daniel Stich (hintere Reihe, Mitte) hat mit Maximilian Mumm, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Maifeld, und MYK-Landratskandidat Marko Boos (links) das Hausärzteteam in Münstermaifeld besucht, zu dem Michael Schmidt (2. von links), Sandra Ballhausen, Marko König und Weiterbildungsassistent Lars Hoffmann gehören.
Birgit Pielen

Als Daniel Stich, Ministerialdirektor im rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerium, im März 2024 in unserer Zeitung die Schlagzeile „Traumberuf Landarzt“ las und in dem Interview die Begeisterung von Sandra Ballhausen (40), Marko König (58) und Michael Schmidt (73) für den Job spürte, stand für ihn schnell fest: Diese Mediziner will er kennenlernen.

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Politik kann vieles, aber ein Rezept gegen die Verdrossenheit vieler Ärzte hat sie nicht. „Die innere Einstellung des Menschen kann man politisch nicht verordnen“, sagt Daniel Stich (SPD), als er diese Woche das Hausärzteteam in Münstermaifeld trifft. Verordnen kann Politik aber funktionierende Rahmenbedingungen. Und genau daran hakt es (noch).

Inwieweit können Hausärzte beispielsweise stärker durch sogenannte Paramedics, nichtakademische Gesundheitsberufe, entlastet werden? Das Team in Münstermaifeld hat schon jetzt eine Diabetes-Beraterin, eine Diabetes-Assistentin und eine NäPa, eine nichtärztliche Praxisassistentin. Solche Zusatzqualifikationen wurden speziell für medizinische Fachangestellte – früher nannte man sie Arzthelferinnen – entwickelt und erlauben schrittweise ein selbstständiges Arbeiten. Eine NäPa darf zum Beispiel selbstständig Hausbesuche machen und dem Hausarzt zuarbeiten. „Da unsere NäPa gleichzeitig auch eine Qualifikation zur Wundtherapeutin hat, darf sie zum Beispiel Wundkontrollen durchführen und Wunden selbstständig versorgen“, schildert Marko König.

Trotz Ärztemangel bleibt der Numerus clausus hoch

Auch Daniel Stich setzt auf diese neuen Berufsbilder. „Es gibt einiges, was wir in die Hände von gut ausgebildeten Leuten legen können – und zwar ohne Qualitätsverlust. Das ist die Struktur, die wir brauchen.“ König fügt hinzu: „Man müsste dazu selbstkritisch an den Arztberuf herangehen und ihn überdenken.“ Bedeutet: Wo braucht es nicht die Expertise eines Arztes? Wo kann er sich selbst entlasten?

Dass sie trotz allem Freude an ihrem Beruf haben, sieht man ihnen an (von links): Marko König, Michael Schmidt, Sandra Ballhausen.
Birgit Pielen

Und braucht es tatsächlich noch einen hohen Numerus clausus für das Medizinstudium? Marko König kann da nur den Kopf schütteln: „Wir erlauben uns trotz Ärztemangel den Luxus einer Zugangsbeschränkung, obwohl die Abiturnote bekannterweise nichts über die Qualifikation eines Kandidaten aussagt. Da müsste ein komplettes Umdenken stattfinden, auch in den Universitäten.“ Daniel Stich verweist in dem Zusammenhang auf den neuen Medizincampus Koblenz, der zum Wintersemester 2024/25 startet. Ab dem Sommersemester 2025 soll die Zahl die Studienanfänger von 450 auf 500 im Jahr steigen. „Das machen wir auch in der Hoffnung, dass die Leute dann am Ort bleiben“, betont Stich.

"Die Last der Bürokratie ist viel zu groß", sagt Michael Schmidt.
Birgit Pielen

Die kostbare Ressource Mensch wird zuweilen allerdings zermürbt von einer zeitintensiven Bürokratie. „Die Last ist viel zu groß“, beschreibt es Michael Schmidt, der trotz seiner 73 Jahre mit Herzblut Hausarzt ist. „Wir freuen uns über jede Arbeit am Patienten. Doch die Bürokratie raubt uns die Zeit.“ Sandra Ballhausen sagt: „Es gibt viel zu viele völlig sinnfreie Krankenkassenanfragen. Warum beispielsweise muss ich einem Patienten eine angeborene Behinderung jedes Jahr aufs Neue bescheinigen? Das ist doch frustrierend – und bringt keinem was.“

Für König verbirgt sich dahinter ein gesellschaftliches Phänomen. „70 Prozent der Arbeitszeit besteht aus Absichern. Es werden zahlreiche Untersuchungen gemacht, alles wird dokumentiert, nur damit man im Zweifelsfall die Verantwortung auf einen anderen abschieben kann.“ Er hatte kürzlich Ärger mit einer Krankenkasse, weil er einem Patienten ein Medikament mit dem richtigen Wirkstoff, aber angeblich vom falschen Hersteller verordnet hatte. Die Folge war eine Regressforderung von fast 200 Euro. „Das hat dann mit der medizinischen, rationalen, biologischen und pharmakologischen Wirklichkeit nichts mehr zu tun“, schimpft König.

Dabei sind Hausärzte die wichtigsten Ansprechpartner überhaupt für Patienten. Sandra Ballhausen geht sogar so weit zu sagen: „Aus meiner Erfahrung werden Privatpatienten, die sich ihren Arzt aussuchen können, qualitativ schlechter versorgt. Sie können von Facharzt zu Facharzt gehen, aber da ist keiner, der Regie führt und den Überblick behält. Das kann sehr gefährlich werden.“

"Es gibt viel zu viele völlig sinnfreie Krankenkassenanfragen", sagt Sandra Ballhausen.
Birgit Pielen

Das sieht auch Marko König so: „Der Hausarzt ist der Erklärer von medizinischer Wirklichkeit. Mir persönlich macht mein Beruf am meisten Spaß, wenn es mir gelingt, Verständnis bei meinen Patienten zu wecken. Wenn sie aus dem Sprechzimmer gehen und ich in ihrem Gesicht sehe: Die haben verstanden, um was es geht. Die machen eine Therapie nicht, weil der Doktor das angeordnet hat, sondern weil sie sich selbst einen Gefallen tun wollen. Das sind die Momente, in denen ich denke, ich habe den schönsten Beruf der Welt.“

Rheinland-Pfalz hat ein Förderprogramm aufgelegt

Das Land Rheinland-Pfalz hat seit dem 1. Januar 2024 eine neue Förderrichtlinie im hausärztlichen Bereich für Niederlassungen, Praxisübernahmen, Anstellungen von Ärztinnen und Ärzten sowie für die Einrichtung von Zweigpraxen erlassen – allerdings nur in ausgewählten Förderregionen. Denn das Programm soll vor allem dort greifen, wo es aufgrund der Altersstruktur in der Ärzteschaft in absehbarer Zeit Nachwuchsprobleme geben wird.

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