Andernach
Fußball-Fans in Andernach teilen Freude und Leid

Beim Ausgleichstor der deutschen Nationalelf zum 2:2 gegen Ghana ist der Jubel vor der Brasserie Casablanca in Andernach groß.

Silvin Müller

Andernach – Am Samstagabend haben Millionen Deutsche in Kneipen oder auf Plätzen mit der Fußballnationalmannschaft gegen Ghana mitgefiebert. Einige Hundert von ihnen verfolgten den Kampf vor der Stadthausgalerie am Casablanca in Andernach. Die RZ hat sich unter die Fans gemischt.

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Von unserem Mitarbeiter Silvin Müller

Wolfgang Laudin ist 57 Jahre alt, eingefleischter Fußballer und Fan der deutschen Nationalmannschaft. Auf seinen Haaren trägt der Andernacher ein schwarz-rot-goldenes Tuch sowie verschiedene Armbänder und ein Halsband in den drei Farben. Selbst die Schnürsenkel bezeugen den Hang zum Ballsport. Natürlich fehlt das passende Trikot nicht, auf dem der Name seines Lieblingsspielers Mario Götze prangt. Wenn sich Wolfgang Laudin auf diese Weise ausstaffiert, kann seine Frau nur mit dem Kopf schütteln: „Sie meint, ich bin verrückt.“ Doch absonderlich ist der 57-Jährige nicht.

Ähnlich ausstaffiert haben Hunderte Andernacher dasselbe Ziel wie er. Es zieht sie in die Altstadt zur Brasserie Casablanca in der Hochstraße. Dort hat sich Nazmi Akbey, der seit 28 Jahren Inhaber der Gaststätte ist, auf den Empfang der Fans gut vorbereitet. Neben dem normalen Mobiliar sind lange Reihen von Biertischen und -bänken aufgestellt. Draußen gibt es zwei Leinwände, die jeweils mehr als zwei Meter breit sind. Drinnen können es sich die Fans vor drei weiteren Bildschirmen bequem machen. Schon lange vor Anpfiff der Weltmeisterschaftspartie sind die Reihen gut gefüllt. Genau so mag es Wolfgang Laudin: „Public Viewing macht super viel Spaß. Ich liebe diese Atmosphäre.“ Er freut sich, dass er mit Freunden einen Platz ganz vorn erwischt hat.

Dieses Glück hat auch eine weitere Gruppe: Mit zwei großen Deutschlandfahnen haben sich die 25-jährige Sonja Müller und ihr 21-jähriger Bruder Sven umwickelt. Ihre Bekannte, die 19-jährige Farina Koch, hat sich sogar einen schwarz-rot-goldenen Schnurrbart angeklebt. Sie genießen es, zwischen vielen Gleichgesinnten zu sitzen: „Die Stimmung ist ganz anders als zu Hause“, meint Sonja Müller.

Gemütlich haben es sich Sascha Bodemann (32) und seine Frau Stefanie Bodemann (29), Holger Kleinert (32) und ihre Freunde gemacht. Sie sitzen in einer Ecke an der Theke, ebenfalls direkt an einem Bildschirm. Neben den WM- und EM-Spielen sehen sie sich in der Kneipe auch verschiedene Partien der Bundesliga an. Alle sind gekommen, um die WM-Partie zur großen WM-Party zu machen. Mit einem Ergebnis von 3:1 für Löws Team rechnen viele. In der ersten Halbzeit sieht es auch noch danach aus. Die Andernacher sind ausgelassen und quittieren die Torchancen der Deutschen mit Beifall. Doch die vergebenen Gelegenheiten entmutigen. Viele Fans haben damit gerechnet, dass die Deutschen bereits in den ersten 45 Minuten ein deutlichen Zeichen gegen Ghana setzen. Als Mario Götze die Deutschen in der 51. Minute in Führung bringt, springen mit Wolfgang Laudin die Andernacher auf und sind froh, dass sich die Spannung gelöst hat. Doch die Freude währt nur kurz, als wenig später die Gegentreffer fallen. Marius Müller (22), der in der SG Eich-Nickenich-Kell im Sturm steht, sowie Julian Jeromin (22), der früher bei der SG Andernach gespielt hat, schauen fassungslos auf den Bildschirm und schütteln die Köpfe. „Nach der ersten Halbzeit war das absehbar“, sagt Julian Jeromin enttäuscht. Marius Müller vermisst den Biss der WM-Equipe aus dem Duell gegen Portugal: „Da haben sie ganz anders gespielt.“

Während sich an den Tischen die meisten in der ersten Halbzeit noch locker unterhalten haben, schauen nun alle gebannt auf die Leinwände. Die Aufregung ist spürbar. Großen Jubel gibt es daher für den Ausgleichstreffer von Miroslav Klose. Keiner hätte anfangs vermutet, dass aus dieser Begegnung solch eine Zitterpartie wird: „Ich hätte nicht gedacht, dass es die Deutschen noch schaffen“, sagt Anna-Lena Emmerich (17).

Während nach dem Abpfiff schon viele gegangen sind, bleibt Wolfgang Laudin sitzen, um nach der vielen Aufregung zur Ruhe zu kommen: „Mir ging laufend die Pumpe hoch. Meine Tochter hat voller Sorge mehr auf mich als auf das Spiel geschaut.“

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