Welche Lehren soll die SPD aus dem historisch schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl ziehen? Darüber haben wir mit Ferdi Akaltin gesprochen. Er ist Oberst bei der Bundeswehr und wollte für die SPD ein Direktmandat im Wahlkreis 197 erobern, scheiterte aber. Er sagt im Interview, dass die wirklich wichtigen Themen im Wahlkampf überhaupt keine Rolle gespielt hätten.
Herr Akaltin, wie sehr schmerzt Sie das Ergebnis der SPD?
Das ist unfassbar bitter – auch wenn wir das seit Wochen erwartet haben. Die Umfragewerte der SPD verharrten seit Wochen bei 15 Prozent. Dass es jetzt 16,4 Prozent sind, heißt nicht, dass man damit zufrieden sein kann. Alle Versuche, die Stimmung zu drehen, sind im Grunde genommen gescheitert. Die Themen, mit denen sich die Wähler beschäftigt haben, waren Migration und die Anschläge in München und Aschaffenburg. Aber die wirklich wichtigen Themen, wie es mit Deutschland weitergeht, spielten überhaupt keine Rolle. Wie reagieren wir auf die Bedrohungen der Gegenwart und Zukunft - sei es der fortlaufende Krieg in der Ukraine, sei es die neue US-Politik unter Trump. Diese Themen spielten überhaupt keine Rolle. Nun kann man das beklagen oder nicht: Fakt ist, dass Deutschland vor riesigen Herausforderungen steht, die es zu bewältigen gilt. Ich hoffe jetzt, dass wir zu einer stabilen Regierung kommen werden, in der nicht mehr als drei Parteien erforderlich sind – wenn man CDU und CSU als zwei Parteien betrachtet. Nur dann kann man sich möglichst schnell den tatsächlichen Problemen zuwenden.
„Wahlen in Deutschland werden in der politischen Mitte gewonnen. Die politische Mitte hat jedoch ganz stark verloren.“
Ferdi Akaltin
War Olaf Scholz der falsche Kandidat?
Ich weiß nicht, ob Olaf Scholz eine große Chance hatte, nicht anzutreten. Die Zahl der Bewerber war überschaubar. Ich weiß auch nicht, ob am Ende des Tages das Ergebnis mit Boris Pistorius ein anderes gewesen wäre. Wenn wir mit ihm 18 oder 19 Prozent bekommen hätten, hätte das das Bild nicht wesentlich verändert.
Was empfehlen Sie Ihrer Parteispitze in Berlin?
Ich empfehle, die richtigen Schlüsse nach einer Analyse des Wahlergebnisses zu ziehen. Auch wenn es eine Floskel ist: Ich denke, wir brauchen dort einen Neuanfang, einen neuen Ansatz. Wahlen in Deutschland werden in der politischen Mitte gewonnen. Die politische Mitte hat jedoch ganz stark verloren. 30 Prozent der Wähler haben ganz rechts oder ganz links gewählt. Die politische Mitte in Deutschland macht nur noch zwei Drittel der Wähler aus. Und hier gilt es, die Mitte zu stärken, um überhaupt noch politikfähig zu sein. Denn wie gesagt: Es geht darum, die Herausforderungen, die vor uns liegen, zu bewältigen. Darauf haben die Parteien des rechten und linken Randes keine adäquate Antwort.
„Die Mehrheit der Wähler wünscht sich eine Neuauflage der Großen Koalition.“
Ferdi Akaltin
Herr Söder liebäugelte am Sonntagabend mit einer GroKo. Was sagen Sie dazu?
Die GroKo hätte aktuell nur 10 Stimmen mehr, als erforderlich sind für eine parlamentarische Mehrheit. Das heißt, das wäre eine wackelige Geschichte. Die Mehrheit der Wähler wünscht sich eine Neuauflage der Großen Koalition …
… aus dem Bedürfnis nach Stabilität heraus?
Ja, ich denke schon. Die Alternative wäre eine Koalition von CDU/CSU und AfD. Die AfD ist keine staatstragende Partei. Sie ist keine Partei, die für das Grundgesetz und die Verteidigung der Werte des Grundgesetzes steht. Letztlich liegt die Entscheidung bei Herrn Merz. Tja, ich will da keine Prognose abgeben. Manchmal ist eine Phase der Opposition für die Erneuerung einer Partei gut und wichtig. Man muss aber sehen, ob das der staatspolitischen Verantwortung entspricht. Schon in der vorletzten Regierung war es so, dass sich die SPD eigentlich für eine Rolle in der Opposition entschieden hatte, dann aber vom Bundespräsidenten in die Pflicht genommen wurde. Natürlich geht das Wohl des Staates immer vor das Wohl der Partei.