Kräftig durcheinandergewirbelt wird der Stadtrat Mayen in der anstehenden Kommunalwahl - Bekommt Ex-OB ein Comeback in der Stadtpolitik?
Ex-OB will im Mayener Stadtrat ein Comeback feiern: Was treibt Wolfgang Treis an?
Vier Ratssitze mehr als 2019 werden heuer in der Stadt Mayen vergeben. Wer wird der Gewinner am 9. Juni sein?
Thomas Brost

Die Karten werden in Mayen neu gemischt bei der Kommunalwahl am Sonntag, 9. Juni. Besonders intensiv wird das Stühlerücken im Stadtrat werden. Und das hat drei Gründe.

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Da die Stadt die Schwelle von 20.000 Einwohnern überschritten hat, stehen ihr weitere vier Ratssitze im künftig 36-köpfigen Stadtrat zu. Und die AfD bekommt keine Liste mehr zustande, ihre drei Sitze werden unter den verbliebenen fünf Gruppierungen aufgeteilt. Dann werden einige altgediente Ratsherren und -frauen abtreten und jüngeren Platz machen. Besonders bei der Ü 60-Fraktion der SPD könnte sich dies bemerkbar machen. Sie und auch die anderen Fraktionen sind im Vorfeld der Wahl befragt worden, wie sie die ablaufende Wahlperiode bewerten und was sie sich in Zukunft erwarten.

1Die SPD: Die Genossen fielen in der Kommunalwahl 2019 auf acht Ratssitze zurück – so wenige wie seit 1948 nicht mehr. Erneuerung tut not, auch personelle. Das weiß SPD-Fraktionschef Helmut Sondermann, der seit 34 Jahren in der Stadtpolitik vorn mit agiert. „Wir haben für einen Generationswechsel in größeren Schritten den Wechselprozess eingeleitet, und dies begann vor vier, fünf Jahren“, sagt Sondermann.

Von den beiden Co-Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins Mayen, Oliver Schick und Ina Rüber-Teke, tritt Erstgenannter als Listenführer auf der Kandidatenliste auf. Hinter Sondermann steht mit Ute Weiner-Mertz ebenfalls eine Newcomerin auf einem vorderen Listenplatz. „Wir setzen weiterhin auf viele Erfahrene, aber auch auf den Mittelbau ab 35 Jahre“, sagt Sondermann. Mit von der Partie sind so unter den ersten Zehn Sven Weber (Platz 6) und Raduan Fatine (Platz 8).

Wie hat Sondermann das Klima in den jüngsten fünf Jahren im Rat empfunden? Im Großen und Ganzen sei die Atmosphäre gut gewesen, allerdings hätten sich in den jüngsten Monaten Einzelne profilieren wollen – auf Kosten des Stadtchefs, der ebenfalls ein rotes Parteibuch hat. „Es ist offensichtlich zu erkennen gewesen, dass sich CDU und Grüne, Gott sei Dank nur Einzelne, auf den OB einschießen wollten“, so Sondermann.

Sein Indiz: Der Maßnahmenkatalog zu Einsparungen im Haushalt 2024 sei „aus taktischen Gründen“ abgelehnt worden. Ermutigend sei das gemeinsame Auftreten aller mit Ausnahme der AfD gegen den Rassismus von rechts und für ein demokratisches Bekenntnis auf dem Oktogon gewesen. Auch den Wahlkampf hat Sondermann bislang als fair und „als Wettstreit um die besseren Argumente“ wahrgenommen. Er hoffe, dass sich dieses Miteinander auch auf die nächste Wahlperiode übertragen lässt. „Das wäre ein gutes Zeichen an die Bürgerschaft, dass wir uns in der Sache einig sein können.“ Wo die SPD Mayen am 9. Juni landen wird? Dies sei schlecht vorhersehbar, so Sondermann. Er hofft, dass die Mischung aus erfahrenen und neuen Kräften beim Wahlbürger an der Urne zieht.

2Die CDU: Arg gebeutelt wurde 2019 auch die andere große Fraktion, die CDU. Sie büßte fast 11 Prozent ein und landete bei nurmehr 30,5 Prozent, verlor überdies drei Sitze. Sie landete bei zehn Mandaten – das war ihr schlechtester Wert seit Bestehen. Christoph Rosenbaum, der CDU-Fraktionschef, hört sich vor der Wahl deutlich selbstbewusster an als sein SPD-Kollege. Er rechnet sich einen deutlichen Zuwachs in der Wählergunst aus, träumt von vier bis fünf Sitzen mehr.

„Wir hoffen auf eine deutliche Steigerung, das hat mir der allgemeinen Gemengelage in Mayen zu tun“, sagt Rosenbaum und präzisiert: „Wir führen einen guten Wahlkampf und kommen mit unseren Themen an.“ Zudem präsentiere die CDU ein ausgewogenes Personaltableau. Den Christdemokraten zugutehält er Themen, die für Gesprächsstoff sorgten: Das ist zum einen der Bau zweier neuer Kitas. „Da haben wir sehr viel Druck gemacht, damit Hinter Burg nicht runterfällt“, betont er.

Die Einstandortlösung wie anfangs von der Verwaltung gewollt sei nicht zielführend gewesen. Erfolgreich sei die CDU auch gewesen als Lobbyist für einen Seniorenbeauftragten. Die halbe Stelle füllt Tobias Härtling aus, er arbeite sehr gut mit dem Sprecher des Seniorenbeirates, Hans-Peter Siewert, zusammen. Das Klima im Stadtrat bezeichnet Rosenbaum als positiv: „Man redet miteinander, auch um Ecken herum.“ Besser als früher also.

Derweil sei man mit der losen Kooperation zwischen CDU, FDP und Grünen gut gefahren. „Stark gelitten“, so Rosenbaum, habe hingegen aus seiner Sicht die Abstimmung mit der Verwaltung. „Deren Arbeit ist teilweise etwas chaotisch“, nennt Rosenbaum eine Schwachstelle: die Fertigstellung von Sitzungsvorlagen und Niederschriften. Zudem hapere es an der Kommunikation. Die Beziehung von CDU-Fraktion zum Oberbürgermeister hält er „für mehr als gestört“. Insbesondere wirft er Dirk Meid vor, dass Beschlüsse wie zur Photovoltaik zwei Jahre liegen bleiben oder Transparenz „ein hohles Versprechen“ sei. „Transparenz war sein Versprechen, aber vieles erfahren wir erst aus der Zeitung oder aus Facebook.“

3Die FDP: Das Klima im Rat bezeichnet der FDP-Fraktionschef Ekkehard Raab als „einigermaßen gut“. Viele Anträge würden im Verbund gestellt, vieles im Vorfeld untereinander abgeklärt – alles offener als früher. Erfreulich für die kleine, dreiköpfige FDP-Fraktion: „Man hört auf uns“, sagt Raab. Die Liberalen sehen sich gern als Mahner für Haushaltsdisziplin und Suchende nach Sparpotenzialen. Denn für sie hätte laut „ein prinzipielles Dagegensein, wie das die Freien Wähler praktizieren“ keinen Sinn, so Raab. „Wir wollen doch in der Sache weiterkommen“, betont der lang gediente Kommunalpolitiker, der wohl im Juli mit 35 Jahren Ratszugehörigkeit der wohl Dienstälteste im Stadtrat Mayen sein wird.

Die aus seiner Sicht Obstruktionspolitik der FWM sei nervig und ein Problem. „Das sehen auch alle anderen so.“ Eine Prognose, ob die FDP vielleicht erstmals auf vier Sitze kommen wird, mag Raab nicht treffen. Dafür könne einiges von der Bundespolitik negativ überlagert werden. „Ich wäre zufrieden, wenn wir die drei Sitze behaupten könnten, gern hätte ich ein oder zwei mehr.“

4Die FWM: Mangelnde Transparenz, eine falsche Akzentuierung von Projekten – das werfen die Freien Wähler der Stadt und auch den Ratsparteien vor. Vieles werde in der Stadtverwaltung zurückgehalten – so verweist FWM-Fraktionschef Hans Georg Schönberg auf die jüngste Ratssitzung, in der er ein Zehnjahresprogramm in puncto Straßenausbau angemahnt hatte. Dies gebe es, bekam er zu hören, allerdings nur verwaltungsintern. „Das kann nicht sein, das gehört sich nicht, die Bürger wollen offen informiert sein, was auf sie zukommt“, schimpft Schönberg. Generell laufe der Straßenausbau „falsch“, manche Straße, die repariert werden solle, sei gar nicht sanierungswürdig, so Schönberg.

Ein Hauptproblem der Freien Wähler nennt er, dass „wir im Stadtvorstand nicht vertreten sind“. Dort sprechen sich CDU, Grüne und FDP mit Stadtchef Meid ab. So blieben Informationen außen vor – die Freien Wähler sprechen davon, nicht alle Informationen zur Neukonzeption der Hochgarage – sie wird vom Investor Volksbank gebaut – erhalten zu haben. Im Ältestenrat, der nicht öffentlich tagt, werde überdies vieles links liegen gelassen. „Der Ältestenrat soll eigentlich eine Ratssitzung vorbereiten, er schweift aber oft ab oder zieht geschickt Dinge in die Länge.“

Schönberg fordert bei wichtigen Infrastrukturprojekten mehr direktes Mitspracherecht vonseiten der Bürger. Derzeit werde zu viel angepackt, zu wenig zu Ende geführt. Ihr Allzeithoch hatten die Freien Wähler 2009, als sie zu fünft in den Ratssaal einrückten – derzeit sind es drei. Ob die Reise wieder in eine andere Richtung geht, lässt Schönberg offen.

5Die Grünen: In einem Allzeithoch durften sich die Grünen im Frühjahr 2019 bei der jüngsten Wahl sonnen: Sie kamen auf fünf Mandate und wurden drittstärkste Kraft im Rat. Sie stellen mit Natascha Lentes eine Beigeordnete – sie ist gleichzeitig Fraktionsvorsitzende der Ökopartei. Die Grünen haben zuletzt kritisiert, dass ihre Projekte, vom Rat längst beschlossen, zu lange im Abseits liegen.

Stichwort: Shared Spaces. Da hatten die Grünen mit Rückenwind der anderen Fraktionen beschlossen, dass innerhalb des Innenstadtringes die Verkehrsteilnehmer „auf Augenhöhe“ nebeneinander sich bewegen dürfen – bislang ist noch nichts im Hinblick auf die Absenkung von Bordsteinen beispielsweise umgesetzt worden. So hinke man im Blick auf mehr Verkehrssicherheit hinterher. Mayen müsse schneller werden, verlangt Natascha Lentes in vielen Politikbereichen.

„Wir brauchen endlich ein zeitgemäßes, progressives Agieren“, sagt sie. Was ihr zum Beispiel ein Dorn im Auge ist: Andere sind bei innovativen Projekten umtriebiger. So die Stadt Bendorf, in der das Handwerker- und Mitmachprojekt für Jugendliche unter dem Namen „MakersSpace“ angesiedelt ist. Dagegen seien die Grünen zur rechten Stelle gewesen, um das Nettebad zu retten, das Lentes auf einer Streichliste wähnt. Die Mayener Grünen wollen mit ihrer bunt gemischten Liste punkten: Unter den 20 Kandidatinnen und Kandidaten sind viele Berufe vertreten, mit neun Frauen erreicht man sogar fast die Parität.

Und bereitet das Comeback des Jahres vor: Der ehemalige Mayener OB Wolfgang Treis kandidiert für den Stadtrat auf Rang sechs. „Für uns ein absoluter Hoffnungsträger“, schwärmt Lentes. Andere sehen es mit gemischten Gefühlen. „Ich hoffe nicht, dass das Hickhack zwischen Dirk Meid und Wolfgang Treis jetzt unter anderen Vorzeichen fortgesetzt wird, das würde vieles lähmen“, sagt ein Ratsmitglied hinter vorgehaltener Hand. Treis ist tief verwurzelt in Mayen: Der 63-Jährige ist erst im März als Vorsitzender des Fußballvereins TuS Mayen (300 Mitglieder) für zwei Jahre wiedergewählt worden. Und er ist Präsident einer viel mächtigeren Organisation: der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord in Koblenz.

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