Von unserer Redakteurin Yvonne Stock
Ein Miesenheimer Imker hat die beiden Stöcke vorbereitet, die am Mittwoch trotz des schlechten Wetters stark umschwirrt waren. Zwei weitere sollen noch am Koblenzer Tor aufgestellt werden. Kosack berichtet begeistert von jungen Imkern, die die deutschen Großstädte für sich entdeckt haben – auch weil der Honig hier oft deutlich weniger als auf dem Land mit Pestiziden belastet ist. Genug Nahrung finden die kleinen Tierchen in der Stadt, sagt Kosack – der Krahnenberg gehört noch zum Anfluggebiet. Ganz nebenbei können die Führer – die im vergangenen Jahr über 100 Mal die Essbare Stadt gezeigt haben – den Interessierten mit auf den Weg geben, dass die hübschen gefüllten Blumen in ihren Gärten keinen Nektar für die hungrigen Bienen bieten. Ganz viel Nahrung bietet hingegen die Saatmischung, die im Sommer vor der Tiefgarage blüht. Weil so oft danach gefragt wurde, hat Kosack einen Sack Samen gekauft, der jetzt in Gartenportionen im FairRegioladen verkauft wird. Manchmal rufen ihn auch Gärtnereien an, die wissen wollen, was die Stadt an einer Stelle gepflanzt hat, weil ihre Kunden genau diese Sorte auch haben möchten.
Ebenfalls stark nachgefragt sind die bepflanzten Holzkisten – 35 von ihnen stehen verteilt in der Stadt. Jeweils in der Mitte hält in diesem Jahr ein Drahtgestell Getreide in Form. „Die Nachfrage ist höher als die Zahl der Kisten, die wir anbieten können.“ Denn in den Kisten steckt eine Menge Handarbeit. Beim Pflegen helfen oft die Anwohner, manches Mal auch die Ladeninhaber, freut sich Kosack.
Vor der Stadthausgalerie sind in diesem Jahr die Beete essbar bepflanzt. „Manch einer zupft sich dann noch ein Minzblättchen für sein Eis“, hat er beobachtet. Das passt zu seinem großen Ziel: die Versöhnung zwischen Mensch und Pflanzen. „Die meisten wissen rein rational, dass wir von Pflanzen abhängig sind, aber sie spüren es nicht mehr.“ Daran sollen auch Roggen, Weizen, Gerste und Hafer erinnern. „Es geht uns nicht darum, nur Mäusekino zu machen, sondern die komplexen Zusammenhänge darzustellen“, betont Kosack. Auf dem Weissheimer-Gelände sollten alte Sorten wie Emmer, Dinkel und Einkorn gezeigt werden. Aber wegen des milden Winters ist die Gründüngung nicht abgestorben und das Getreide nicht richtig durchgekommen, erzählt Kosack. Von solchen Rückschlägen lässt er sich nicht beeindrucken, für ihn ist das erste Mal ein Experiment, was klappt, wird verstetigt.
An der Schlossruine musste die derzeit achtköpfige Arbeitsgruppe Essbare Stadt, die sich einmal wöchentlich trifft, feststellen, dass das Gras Überhand genommen hat. Im nächsten Jahr soll der Boden dort aufgelockert werden und eine Blühwiese gesät werden, erzählt der Ökologe, der hier und da beim Gang mit der RZ durch die Stadt Unkraut entfernt – aber nur die Sorten, die sich allzu breitmachen. Wildpflanzen sind erwünscht, an vielen Stellen wird nur noch außen die Kante gemäht und der Rest bewusst wachsen gelassen, erzählt Kosack. Zum ersten Mal gibt es eine Ecke mit Brennnesseln – eine Heilpflanze, Futter für Schmetterlingsraupen und als Sud kräftigend für Pflanzen und gut gegen Unkraut, erklärt der Experte.
Ein Stück weiter wachsen die Weinstöcke – Kosack weist erneut darauf hin, dass sie eingehen, wenn alle Blätter entfernt werden. Daneben steht ein neues Insektenhotel von einem Miesenheimer. „Dass die Bürger der Stadt etwas schenken, finde ich genial“, sagt der Ökologe zufrieden, weil das Projekt wieder jemanden inspiriert hat, der Natur etwas Gutes zu tun.
Viele Andernacher fragen, wo die Schafe und die Hühner bleiben, erzählt Kosack, auf dessen Schreibtisch der vor Kurzem im Wall Street Journal erschienene Bericht über die Essbare Stadt neben Projektanträgen von Universitäten liegt, die Andernach in ihre Forschung einbeziehen wollen. Bei den Hühnern war lange unklar, wann die Brücke neben ihrem Gehege saniert wird, sie sollen aber bald rauskommen. Die Schafe müssen warten, bis die Karneval-Feier in den Rheinanlagen vorbei ist.
Den Honig von den Rheintorbienen will die Stadt übrigens als Präsent verteilen. Aber wenn das Experiment gelingt, kann sich Kosack eine Ausweitung vorstellen – wie so oft in der Essbaren Stadt.