Wie ist euer soziales Engagement entstanden?
Marie: Ich habe mich immer in Kreisen bewegt, wo Engagement selbstverständlich war. Seitdem ich neun Jahre alt bin, bin ich zum Beispiel bei der DRK-Wasserwacht aktiv und inzwischen auch Rettungsschwimmerin. Ich bin Schulsanitäterin bei den Maltesern, in der Fair-Trade-AG der Schule, mache bei der 72-Stunden-Aktion des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend mit und war Messdienerin. Ich setze mich gerne für meine Werte ein.
Mit neun Jahren schon bei der Wasserwacht?
Marie: Wasser hat mich schon immer fasziniert, nicht nur als Schwimmerin. Als ich elf Jahre alt war, hatte ich bei einem Flohmarkt einen Stand für den Schutz von Delfinen. Ich habe Bücher verkauft und den Erlös der Deutschen Stiftung Meeresschutz gespendet. Wenn ich mich für etwas einsetze, dann tue ich alles, was in meiner Macht steht.
Wie ist das bei dir, Elias?
Elias: Bei mir ist es ähnlich wie bei Marie, es hat nur etwas später angefangen. Ich bin Schülersprecher am Kurfürst-Balduin-Gymnasium, Vorsitzender des Jugendbeirates der Verbandsgemeinde Maifeld, Betreuer in Ferienprogrammen, plane und leite Firmungen, bin bei der Sternsinger- und 72-Stunden-Aktion dabei und leite eine Kindertrommelgruppe beim Musikverein Polch.
Das klingt nach einem Freizeit füllenden Programm.
Elias: Ich komme gerade vom Bauspielplatz in Münstermaifeld, dort gehe ich auch gleich wieder hin. Da sind um die 100 Kinder, mit denen wir in den Sommerferien Holzhütten bauen, grillen oder Fußballspielen. Ich habe als Kind selbst an solchen Programmen teilgenommen und war immer begeistert. So bin ich in die Betreuerrolle reingerutscht und habe eine Schulung als Jugendleiter gemacht. Ich begleite demnächst auch als Betreuer eine Jugendfreizeit der Pfarrei Maifeld nach Ameland.
Ihr seid in keiner Partei engagiert?
Marie: Nein. Ich denke, dass wir mit unserem Engagement auch die Menschen um uns herum beeinflussen. Wir haben zum Beispiel eine sehr diskussionsfreudige Freundesgruppe. Auch in der Familie oder in der Schule diskutieren wir viel über aktuelle gesellschaftspolitische Themen. Ich bin der festen Überzeugung: Dass, was wir mitteilen, hat einen Einfluss. Ich brauche keine Partei, um das im großen Kontext zu vertreten.
Elias: Ich sehe das ähnlich. Jeder Einzelne kann einen Effekt auf andere haben. Ich habe zum Beispiel vor der Europawahl eine Podiumsdiskussion an unserer Schule veranstaltet zum Thema „Jugend und Demokratie“ , weil auch 16-Jährige wählen durften. Mir geht es darum, in den Diskurs zu kommen und den Austausch zu haben.
Was hat euch in eurer Haltung geprägt? Habt ihr Vorbilder?
Marie: Meine Eltern sind Vorbilder. In meiner Familie ist jede Meinung erst mal okay, und wir beleuchten ein Thema gerne aus verschiedenen Perspektiven. Man kann viel dadurch beeinflussen, wie man argumentiert. Mir persönlich geht es darum, Gerechtigkeit zu schaffen. Ungerechtigkeit kann ich schlecht ertragen.
Elias: Ein Vorbild ist für mich meine Schwester. Ich bin ihr sehr nah, auch wenn sie viel älter ist als ich – sechs Jahre älter, um genau zu sein. Sie hat mit dem sozialen Friedensdienst „Sofia“ ein freiwilliges Jahr in Brasilien verbracht. Dieser Gedanke, für die Gemeinschaft etwas zu tun, treibt auch mich an.
Das Engagement kommt also aus einem inneren Antrieb heraus.
Elias: Ja, ich mache das einfach gerne und versuche, auch andere Leute dafür zu begeistern. Auf Anregung von Gemeindereferentin Renate Schmitt haben wir jetzt zum Beispiel den Fahrradweg in Polch umgestaltet und weisen an verschiedenen Stationen auf die Vielfalt von Menschen hin.
Was gibt euch Genugtuung?
Marie: Entscheidend ist für mich, dass ich mich wohl fühle mit dem, was ich tue. Vielleicht bin ich auch ein bisschen stolz auf mich, wenn ich meine Anliegen verwirklichen kann. Dann kann ich mich auch selbst weiterentwickeln.
Elias: Es ist sinnstiftend, sich sozial zu engagieren. Ich würde keinen Sinn darin sehen, den ganzen Tag allein zu Hause zu hocken, sondern ich umgebe mich lieber mit anderen Menschen. Als wir die Stationen zur Vielfalt aufgebaut haben, kam eine Familie mit einem kleinen Kind vorbei. Der Junge hat gefragt: „Was machen die hier?“ Die Mutter hat dann gesagt: „Die wollen ein Zeichen setzen dafür, dass die Menschen vielfältig sind und dass man niemanden ausgrenzen sollte.“ Das ist wichtig, dass man Werte vermittelt.
Was sind eure Werte?
Marie: Dass jeder Mensch gleich wertvoll ist. Das ist die Grundlage unserer sozialen Aktivitäten.
Elias: Jeder Mensch muss die Freiheit haben, sich entfalten zu dürfen. Jeder Mensch muss seine Meinung sagen dürfen, solange er damit nicht die Würde eines anderen Menschen verletzt.
Ihr habt vor einigen Tagen auf Empfehlung eurer Schule beide an der sogenannten „Young Leaders Akademie“ in Potsdam teilgenommen. Was habt ihr dort gelernt?
Marie: Da waren 100 sozial engagierte Jugendliche aus ganz Deutschland im Alter von 15 bis 21 Jahren. Ich glaube, das Interessanteste für mich war, so viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Standpunkten kennenzulernen, die über ein Thema sehr, sehr kooperativ diskutiert haben. Wir haben beispielsweise mit Experten über Menschenwürde, Fakten und Fake News, Green Deal, Nachhaltigkeit und Smart Cities gesprochen. Die vielen verschiedenen Standpunkte haben mich ein Thema umfassender verstehen lassen.
Elias: Am interessantesten fand ich den journalistischen Tag. Wir haben unter anderem gelernt, wie man eine Diskussion viel ruhiger gestalten kann. Heute wird in Debatten viel zu sehr polarisiert, darunter leiden auch zwischenmenschliche Beziehungen, weil Standpunkt unversöhnlich gegen Standpunkt steht. Es muss vielmehr darum gehen, Verständnis für den anderen zu zeigen. Dann kann man viele Krisen vermeiden.
Habt ihr euch schon Gedanken über eure berufliche Zukunft gemacht?
Marie: Mein Interesse geht in Richtung Lehramt, weil ich denke, dass es total wichtig ist, Wissen interessant zu vermitteln.
Elias: Im kommenden Schuljahr mache ich Abitur. Vielleicht bewerbe ich mich für ein freiwilliges ökologisches Jahr in Koblenz beim Forstamt.
Empfindet ihr euch eigentlich mit eurem ungewöhnlich großen Engagement als Ausnahmejugendliche?
Marie: Nein, denn wir sind eine sehr vielseitige Generation mit einem breiten Spektrum an Möglichkeiten. Jeder kann seine Stärken ausleben. Unsere Stärke ist es, dass wir viel für andere tun wollen und dass wir die Möglichkeit haben, das auch umzusetzen.
Elias: Wenn man sich sozial engagiert, dann verdient man eher kein Geld. Unser Glück ist, dass wir nichts verdienen müssen. Insofern sind wir privilegiert. Grundsätzlich bin ich aber überzeugt: Es liegt einfach in der Natur des Menschen, dass man sich für andere einsetzt.
Was ist die „Young Leaders Akademie“?
Ob Schülervertreter, Jugendtrainer oder Schülerzeitungsredakteure: Die „Young Leaders Akademie“ versammelt regelmäßig 100 junge Menschen aus ganz Deutschland, die ehrenamtlich tätig sind und soziale Verantwortung übernehmen. Sie diskutieren mit Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.
Worin begründet sich die Menschenwürde? Was bedeutet Verantwortung in Zeiten der Globalisierung? Welche Qualifikationen brauchen junge Menschen, um erfolgreich zu sein? Eine Woche lang werden dabei Strategien für die Zukunft entwickelt. Highlights sind unter anderem die Medientrainings mit Profijournalisten. Unternehmen präsentieren ihre Karrierechancen, Ministerien ihre Politik, Forschungseinrichtungen ihre neuesten Projekte.
Aus diesem Stoff machen die jungen Teilnehmer eine Fernsehsendung, eine Kongresszeitung und ein Webmagazin – und das innerhalb von 24 Stunden. Die Young Leaders GmbH ist ein Unternehmen, das überparteilich und überkonfessionell Bildungsveranstaltungen für junge Menschen durchführt, die sich im Alter von 15 bis 21 Jahren ehrenamtlich engagieren und dabei schon erste Führungsverantwortung übernehmen. pie
Die nächste Akademie ist vom 15. bis 20. Oktober in Paderborn. Infos gibt es unter www.young-leaders.net