2018 wurde die Freie Montessorischule Sonnenschein in Mendig gegründet – für Grundschulkinder. Seitdem gibt es den Wunsch der Eltern, die Montessori-Pädagogik an einer weiterführenden Schule fortzusetzen. Dieser Wunsch könnte schon bald Wirklichkeit werden. In Polch soll ein Montessori-Zentrum mit einer Grundschule, einer Realschule plus sowie einer eigenen Turnhalle entstehen. Unsere Zeitung hat mit Schulgründerin Ramona Erwen und mit Sandra Schäfer gesprochen, die im Vorstand des Trägervereins engagiert ist und zwei Kinder an der Montessori-Grundschule hat. Wir erklären, was Eltern über die Montessori-Pädagogik wissen müssen.
Montessori-Pädagogik – was bedeutet das überhaupt?
Die Pädagogik der Italienerin Maria Montessori (1870-1952) orientiert sich unmittelbar am Kind mit seinen Bedürfnissen nach spontaner Aktivität, Selbstbestimmung und seinem Streben nach Unabhängigkeit. Das Kind wird nicht als passives und rezeptives Wesen betrachtet, sondern als eine Persönlichkeit mit großer Eigenaktivität und Konzentrationsfähigkeit. Maria Montessori beobachtete, dass Kinder in altersgemischten Gruppen besonders umfassend und effektiv lernen. Sie erleben sich in verschiedenen Rollen und erwerben dadurch ein breites Spektrum an sozialen Erfahrungen.

Gibt es Fächer wie in anderen Schulen?
Das Lernmaterial gliedert sich in die Bereiche Mathematik, Deutsch, Englisch, Sachkunde/Kosmische Erziehung. Es wird in offenen Regalen präsentiert. Der Pädagoge stellt das Material vor, und das Kind kann mit einem Partner oder alleine weiterarbeiten. Es kann grundsätzlich wählen, was und wie lange es an einem bestimmten Thema arbeiten will – und mit wem. Entscheidend ist, dass es sich sein Wissen selbst erarbeitet.
Gibt es einen Lehrplan?
Natürlich. Auch an der Montessori-Schule in Mendig gilt der Lehrplan für Grundschulen in Rheinland-Pfalz. Das heißt: Die Lernergebnisse sind gleich, sie werden nur auf anderem Weg erzielt.
Kann man das am Beispiel Mathematik verdeutlichen?
Kinder können Mathematik auf spielerische Weise erfassen. Es gibt unter anderem Rechenstäbchen, die die Zahlen von 1 bis 10 sowohl in ihrer Länge als auch durch ihre Farbe darstellen. Anfangs können die Stäbchen miteinander verglichen und aneinander angelegt werden. So lernen die Kinder schnell, in welchem Verhältnis die Zahlen zueinanderstehen und was eine Plus-Aufgabe ist. Später können mit den Rechenstäbchen auch dreidimensionale Körper gebaut und berechnet werden. Die frühe Beschäftigung mit diesem Material legt also bereits den Grundstein für spätere Mathematik und Geometrie.

Wie ist die Situation an der Montessori-Schule in Mendig aktuell?
Dort werden aktuell 50 Kinder unterrichtet – altersgemischt vom ersten bis zum vierten Schuljahr in zwei Klassenverbänden. Aktuell gibt es noch freie Plätze in den Schuljahren 1, 2 und 3. Interessierte Eltern können beispielsweise die Möglichkeit zur Hospitation nutzen, um gemeinsam mit ihrem Kind die Montessori-Pädagogik und den Schulalltag kennenzulernen.
Gibt es Schulbusse wie an öffentlichen Schulen?
Nein, die Eltern bringen die Kinder zur Schule und holen sie auch wieder ab. Dabei nehmen sie mitunter lange Wege in Kauf. Sandra Schäfer beispielsweise wohnt mit ihrer Familie in Bendorf, andere kommen aus der Nähe von Lahnstein, die meisten sind aus Polch und vom Maifeld.

Was fasziniert Eltern an der Montessori-Pädagogik?
Sandra Schäfer sagt: „Mich hat überzeugt, wie die Kinder hier lernen und wie sie an den Unterrichtsstoff herangeführt werden. Sie lernen aus intrinsischer Motivation heraus – und nicht, weil der Lehrer ihnen im Frontalunterricht etwas beibringen will. Ich finde auch das altersübergreifende Lernen gut. Kinder helfen sich gegenseitig und arbeiten im Team. So werden sie auch in ihrer Persönlichkeit gefördert.“
Gibt es Hausaufgaben und Schulnoten?
Es gibt weder Hausaufgaben noch Klassenarbeiten oder Schulnoten. Am Ende der vierten Klasse wird der Lernstand der Kinder so systematisiert, dass er in ein Abgangszeugnis umgewandelt werden kann. Vorher bekommen die Kinder Halbjahreszeugnisse in Schriftform. Darin wird der Lernfortschritt sehr genau dokumentiert.

Haben Viertklässler Probleme, wenn sie nach der Montessori-Grundschule auf eine konventionelle weiterführende Schule wechseln?
Nein, denn sie haben gelernt, eigenständig zu lernen.
Nutzen Montessori-Schulen digitale Geräte?
Natürlich. Die Kinder haben Zugang zu Tablets und können sie für ihre Lernthemen oder Forschungsprojekte nutzen.
Müssen die Eltern Schulgeld bezahlen?
In Rheinland-Pfalz gibt es kein Schulgeld. Die Montessori-Schule ist eine private Schule in freier Trägerschaft mit einem Trägerverein. Die Eltern bezahlen abhängig von ihrem Einkommen einen Vereinsbeitrag, sodass es sozialverträglich ist.

Was ist jetzt in Polch geplant?
Am Ortsrand von Polch will der Trägerverein ein Grundstück kaufen. Dort sollen eine Grundschule und eine Realschule plus gebaut werden für insgesamt 550 Schülerinnen und Schüler. Schon ab dem Schuljahr 2025/26 soll es an dem neuen Standort losgehen, zunächst mit der Realschule plus. Interessierte Eltern können bereits jetzt Voranmeldungen ausfüllen. Außerdem werden sogenannte Lernbegleiter gesucht, die die Realschule plus mitaufbauen wollen. Als Freie Schule in privater Trägerschaft gibt es in den ersten beiden Jahren der Gründungsphase keine staatlichen Fördergelder. Deshalb ist der Trägerverein auch auf der Suche nach Förderern, die die Schulentwicklung unterstützen wollen. Ramona Erwen sagt: „Es gibt inzwischen auch Unternehmen, die uns unterstützen, weil sie erkennen, dass ein alternativer Bildungsweg kompetente Erwachsene schafft.“
Informationsabend am 4. Dezember
Am Mittwoch, 4. Dezember, findet der erste Informationsabend für interessierte Eltern zur neuen Montessori-Realschule plus in Polch statt. Dabei wird über den aktuellen Planungsstand berichtet und die Umsetzung der Montessori-Pädagogik ab der Klassenstufe 5 erläutert. Treffpunkt ist die Freie Montessorischule Sonnenschein in Mendig. Es wird um Anmeldung gebeten per E-Mail an sekretariat@sonnenschein-montessori.schule
Berühmte Montessori-Absolventen
George Clooney und Heike Makatsch haben (mindestens) zwei Dinge gemeinsam: Sie sind beide erfolgreiche Schauspieler, und beide waren Montessori-Schüler. Zu den außergewöhnlichen Persönlichkeiten, die von der Montessori-Pädagogik geprägt worden sind, gehören auch die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin, der Amazon-Gründer Jeff Bezos, Wikipedia-Gründer Jimmy Wales, der Künstler Friedensreich Hundertwasser und der britische Komponist Andrew Lloyd Webber.