Alte Denkmäler neu nutzen
Eine Kletterkirche für die Vordereifel?
Was machen andere? In Mönchengladbach ist die ehemalige Pfarrkirche St. Peter als erste Kirche in Deutschland zu einer Kletterkirche umgebaut worden.
Roland Weihrauch. picture alliance / Roland Weihrauch/dpa

Man soll doch die Kirche im Dorf lassen, sagt man sprichwörtlich. Doch was ist, wenn die Kirche im Dorf auf dem Prüfstand steht, weil die Finanzierung des Denkmals zu teuer ist? In der Vordereifel denkt man jetzt über Umnutzungen nach.

Lesezeit 4 Minuten

Immer weniger Menschen gehören der katholischen Kirche an. Die Zahl der Kirchenaustritte ist hoch, die Zahl der Gottesdienstbesucher gering, die Zahl der Taufen und kirchlichen Trauungen überschaubar. Wozu also braucht es noch die Kirche im Dorf? Diese Frage stellt sich auch die Verbandsgemeinde Vordereifel und geht in die Offensive – mit den „Kirchraumpiloten“. Das Projekt startet am Samstag, 17. Mai, von 10 bis 14 Uhr mit einem Vernetzungstreffen in der Kirche St. Stephanus in Nachtsheim. Möglichst viele Bürger sollen teilnehmen und ihre Ideen einbringen. Auch ungewöhnliche Vorschläge sind willkommen.

In der Kirche in Nachtsheim findet das erste Vernetzungstreffen statt.
Rico Rossival

„Du hättest Lust, in der Dorfkirche zu chillen, skaten, feiern oder etwas ganz anderes zu tun? Erzähle davon!“ So steht es in einem Aufruf zu einer Umfrage der Verbandsgemeinde Vordereifel. „Zusammen mit anderen kannst du die Kirche zu einem neuen Treffpunkt für alle werden lassen“, heißt es weiter. „Dafür ist es auch ganz egal, welche Religion du hast.“ Ziel ist, Kirchen und Kapellen als dorfbildprägende Denkmäler zu erhalten, eine erweiterte Nutzung oder Umnutzung zu entwickeln und im Dorfalltag zu erproben. Denkbar ist, dass Kirchen zumindest teilentweiht oder aber komplett profanisiert werden. Schon jetzt kann das Bistum Trier viele Kirchen und Kapellen kaum noch finanzieren. Laut Schätzungen wird jede zweite Kirche in absehbarer Zeit nicht mehr gebraucht. Was also tun?

In Monreal werden möglicherweise die Pfarrkirche Kreuzerhöhung und die Kapelle Reudelsterz umgenutzt.
Rico Rossival

In der Vordereifel werden sich wohl folgende Kirchorte an dem Projekt beteiligen: Baar-Wanderath mit der Pfarrkirche St. Valerius, der Kapelle Herresbach und der Kapelle Virneburg, Bermel-Kalenborn mit der Pfarrkirche St. Dionysius, Boos mit der Pfarrkirche St. Bartholomäus, Ettringen mit St. Maximin, Kehrig mit St. Castor und St. Katharina, Kirchwald mit der Pfarrkirche St. Dionysius, Kottenheim mit St. Nikolaus, Langenfeld mit der Pfarrkirche St. Quirinus und der Kapelle St. Jost, Monreal mit der Pfarrkirche Kreuzerhöhung und der Kapelle Reudelsterz, Nachtsheim mit der Pfarrkirche St. Stephan sowie den Kapellen Anschau und Münk sowie Weiler mit der Pfarrkirche St. Kastor.

Finanziell gefördert wird das Modellprojekt „Kirchraumpiloten“ über das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung und Regionale Wertschöpfung (BULEplus). Die Hochschule Koblenz begleitet das Projekt wissenschaftlich. Eingebunden ist neben der Verbandsgemeindeverwaltung Vordereifel auch das Bischöflische Generalvikariat Trier.

In Baar-Wanderath kommen die Pfarrkirche St. Valerius, die Kapelle Herresbach und die Kapelle Virneburg auf den Prüfstand.
Rico Rossival

Der demografische Wandel und schrumpfende Pfarrgemeinden verändern die Dörfer erheblich: Fehlen Treffpunkte für soziale Kontakte, wird der Ortsmittelpunkt leer und leblos, was die Attraktivität der Dörfer mindert und die vorhandene Infrastruktur weiter abbaut. Dennoch ist der Wunsch, auf dem Land zu leben bei vielen – auch bei jungen Menschen – ungebrochen. Seit Jahrhunderten prägen Kirchen das Dorfleben und sind wichtige Identifikationsräume für Generationen. Warum also soll man sie nicht im Alltag besser nutzen und damit erhalten? Das hätte einen Mehrwert für alle.

Auch die Kirche in Ettringen ist Teil des Modellprojektes.
Rico Rossival

Die Projektverantwortlichen gehen davon aus, dass die Einheimischen am besten wissen, was in ihrem Dorf gebraucht wird. Sie sind die Experten. Braucht es beispielsweise eine Kletterhalle für junge Menschen? Fehlt ein Bistro für Dorfbewohner und Touristen, das täglich öffnet? Könnte die Kirche ein Probenraum für Theater-, Tanz- und Musikgruppen sein? Das klingt zunächst sehr ungewöhnlich, ist es aber nicht.

Die ehemalige Pfarrkirche St. Peter in Mönchengladbach wurde beispielsweise mit Gottes Segen zu einer Kletterkirche umgebaut. Sowohl ambitionierte Kletterer als auch Einsteiger finden an den bis zu 13 Meter hohen Wänden des früheren Kirchenschiffes die passende Herausforderung. Besucher können von der 180 Quadratmeter großen Empore zuschauen. Für einen besonderen Nervenkitzel sorgt ein Pendelsprung von einer acht Meter hohen Planke am Seil quer durch das frühere Kirchenschiff. Da wird es zumindest im Stillen das eine oder andere Stoßgebet geben.

In der Kletterhalle von St. Peter in Mönchengladbach hangelt sich ein junger Mann an der Kletterwand entlang.
Roland Weihrauch. picture alliance/dpa

Ein Beispiel für eine gelungene Umnutzung ist auch die ehemalige Reichsabtei St. Maximin in Trier. In dem alten Benediktinerkloster hängen unter den gotischen Fenstern jetzt Basketballkörbe an den Wänden. Die katholische Privatschule nutzt den Raum als Sporthalle. Auch für Konzerte des Moselmusikfestivals wird St. Maximin gerne gebucht. Darüber hinaus können private Veranstalter – vom Kampfsportverein bis zum Yoga-Anbieter – den Raum mieten. Gelegentliche Gottesdienste gibt’s auch noch.

Was wird aus der Kirche in Kottenheim?
Rico Rossival

In Trier-Pallien wurde vor Jahren die Kirche Maria Königin wegen des einsturzgefährdeten Dachs gesperrt. Auch ein Abriss stand im Raum. Doch dann kam es anders. Nach der Umwidmung sind dort 16 Wohnungen zwischen 66 und 165 Quadratmetern entstanden. Die restaurierten Außenmauern aus Sandsteinquadern wurden im Inneren nicht verblendet, was den modernen Wohnungen einen besonderen Charme verleiht. In Trier-Ehrang hat die Investitions- und Strukturbank (ISB) Rheinland-Pfalz ein ähnliches Projekt gefördert. Bei 25-jähriger Mietpreisbindung wurden ein Darlehen von 2,7 Millionen Euro und ein Tilgungszuschuss von 780.000 Euro gewährt. Vom Gotteshaus zum Wohnhaus – auch das ist eine Möglichkeit.

Solche Umnutzungen sind natürlich nicht unumstritten, weil sie vor allem für die Gläubigen Gewissheiten infrage stellen und das Kirchenleben verändern. Doch ist es nicht besser, es herrscht überhaupt Leben in der Kirche, als die Denkmäler einem stillen Tod auszuliefern?

Top-News aus der Region