Mindestens bis in das Jahr 1896 zurück reicht die Historie des Gasthauses Adler in der Kottenheimer Kirchstraße 8. Die gemütlich eingerichtete Lokalität im Herzen der zweitgrößten Vordereifelgemeinde lässt sich in gewisser Weise mit der von Peter Alexander einst besungenen kleinen Kneipe, mit ihrem Stimmengewirr und den Menschen, die mit dem Pils in der Hand an der Theke stehen, mit dem Foto vom Fußballverein an der Wand und den Kartenspielern am Tisch, gleichsetzen. Am Freitag, 31. März, öffnet Helga Strauß zum letzten Mal die Türen ihrer familiengeführten Gaststätte und auch den angrenzenden Saal für ihre Gäste. Die Wirtin verabschiedet sich in den wohlverdienten Ruhestand. Die Ära der Traditionsgaststätte, wo sich so manch einer etwas von der Seele geredet, mit anderen heiß diskutierte oder Paare sich kennen- und lieben gelernt haben, endet.
Eng verwoben mit der Gaststätte ist die Geschichte von Jörg und Helga Strauß. Das junge Paar war 1977 nach Kottenheim gekommen und hatte sich mit der Übernahme des Adlers nicht nur den Traum von einer privaten und gemeinsamen beruflichen Existenz erfüllt, vielmehr wurden die beiden hier auch heimisch. „Es lief direkt gut an“, berichtet Helga Strauß.
Gern erinnert sich die (noch) 66-Jährige, die den Adler aus Altersgründen aufgibt, an die Anfangszeiten. „Die einzelnen Veranstaltungen wurden gut angenommen. Hochbetrieb herrschte seinerzeit auch stets über das Karnevalswochenende bis einschließlich Aschermittwoch im Adler. Damals hatte es das Bürgerhaus noch nicht gegeben. Folglich ging es hier besonders hoch her. An Schwerdonnerstag hatten die heimischen Möhnen ihre Sitzung, und am Rosenmontagabend fand der traditionelle Ball statt. Von 1982 bis 2004 pausierte die dreifache Mutter aus familiären Gründen. „Doch dann überredeten mich mein Mann und auch ein Getränkehändler aus dem Ort, wieder im Adler einzusteigen.“
Bereut hat die Gastronomin ihren Entschluss bis heute nicht. Vielen Stammgästen, Ortsvereinen und Institutionen bot die Familie eine Heimstätte. Nicht zu vergessen sind die Übertragungen der Welt- und Europameisterschaften auf Großleinwand, die beliebten Oktoberfeste, die Siewe-Ström-Turniere, Theateraufführungen sowie die zahlreichen Familienfeiern im Saal. Einen guten Namen hatte sich der Adler auch mit seiner gutbürgerlichen Küche gemacht. Bis vor wenigen Wochen hatte weiterhin auch der Karneval im Adler ein besonderes Gewicht.
„Die Kotteme Mädche gaben sich auf der kleinen liebevoll gestalteten Bühne an Schwerdonnerstag ein Stelldichein, und auch das Treffen nach dem Rosenmontagszug stellte für viele Feierfreudige eine lieb gewordene Tradition dar. „Doch irgendwann muss Schluss sein“, sagt Helga Strauß, die dem Abschied mit einem weinenden und einem lachenden Auge entgegenblickt.
Den Grundstein für den Adler legte Joseph Herschbach. Am 12. Oktober 1896 warb der Wirt in der Mayener Zeitung für eine Tanzveranstaltung mit „gut besetztem Orchester“ im Hause. Nur wenige Wochen später hatte der Gastronom anlässlich der Kirmes – hierbei handelt es sich vermutlich um das Patronatsfest der Pfarrkirche St. Nikolaus – in „Cottenheim“, am Sonntag, dem 6. Dezember, zu einem großen Konzert, aufgeführt von der 20-köpfigen Mayener Stadtkapelle, eingeladen. Der Eintritt betrug damals 25 Pfennig.
Jahre später betrieb Joseph Herschbachs Tochter Grete May das Lokal. Sie wurde im Dorf „Herschbachs Gretche“ genannt. „Sie konnte mit allen Altersklassen, auch Jugendlichen, gut umgehen, man fühlte sich dort gut aufgehoben“, erzählt ein Heimatforscher, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Zu vorgerückter Stunde ging sie dann meist in die Küche und machte einen Teller voll ‚decke Weck’ – halbe Brötchen mit einer ziemlich dicken Scheibe Käse drauf. Der Ehemann der Wirtsfrau, Cornel May, richtete nach dem Zweiten Weltkrieg im Saal des Adlers ein Kino ein. Die „Adler-Lichtspiele“ wurden bis Ende der 1960er Jahre betrieben.
Im Anschluss übernahmen Karin und Albrecht Byns die Gaststätte. Allerdings nur für ein Jahr. Es folgten die langjährigen Wirtsleute Lydia und Dieter Jonas sowie weitere Pächter beziehungsweise Käufer des Adlers. So auch Familie Werner Groß. Diese hatte den Komplex gemeinsam mit Wolfgang Milles erworben und die Wirtschaft, den Saal und auch die Fremdenzimmer komplett renoviert. Verbunden mit der Geschichte des Adlers ist auch die Historie des TuS Fortuna Kottenheim 1897. „Die Fußballabteilung hatte lange, bevor es das Haus auf dem Sportplatzgelände geben sollte, in der oberen Etage extra Duschräume, in denen sich die Fußballer nach den Spielen und ihrem verdienten Bierchen geduscht haben“, erinnert sich Michael Groß, der Präsident der Fortuna.
Die Duschen wurden erst 1984 ausgebaut. Auf dieser Etage wurde dann ein Gesellschaftsraum geschaffen. „Hier fanden viele Vorstandssitzungen statt, und auch der Junggesellenverein wurde in diesen Räumlichkeiten im Jahre 1984 wieder zum Leben erweckt“, so Michael Groß. Ehe Helga und Jörg Strauß den Adler 2004 als Pächter übernahmen, hatten Irmgard und Peter Kicherer die Tradition des Gasthauses fortgesetzt.