Das Coronavirus hat seine Spuren hinterlassen. Manche Menschen hat es aus der Bahn geworfen – so wie Christian Schweden. Bei dem 46-Jährigen ist im Oktober 2024 ME/CFS diagnostiziert worden – ausgelöst durch Sars-CoV-2. Nach unserem Bericht über seine Erkrankung hat er viele Reaktionen erhalten: Mitfühlendes und Mutmachendes, Vorwürfe und Verschwurbeltes inklusive dubioser Heilsversprechen.
ME/CFS ist eine der letzten großen Erkrankungen, die kaum erforscht sind. Hinter der Abkürzung verbirgt sich die m yalgische Enzephalomyelitis /das chronische Fatigue-Syndrom. Es ist ein eigenständiges und komplexes Krankheitsbild, das mit schweren Einschränkungen einhergeht: Neben körperlicher Schwäche (Fatigue) treten Schwindel, Herzrasen, Blutdruckschwankungen, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Muskelschmerzen und grippeähnliche Symptome auf. Etliche ME/CFS-Erkrankte können das Haus nicht mehr verlassen.

Chronisch erschöpft nach dem Coronavirus
ME/CFS gehört zu den letzten großen Krankheiten, die kaum erforscht sind. Die Patienten sind chronisch erschöpft, leiden unter Schmerzen und können ihren Alltag kaum bewältigen. Christian Schweden aus Kollig berichtet, wie ihm das trotzdem gelingt.
Christian Schweden kennt das. Er ist Geschäftsführer der Seifenmanufaktur Kingbear in Kollig. „Wie viele andere Patienten stehe ich vor dem Problem, gleichzeitig auf meinen Körper zu achten und meine Belastungsgrenze nicht zu überschreiten, auf der anderen Seite aber irgendwie auch im Leben weiterzumachen und nicht zuletzt auch finanziell irgendwie über die Runden zu kommen“, sagt er. Dass er offen mit der Diagnose umgeht, hat vor allem einen Grund: Er möchte aufklären. „Ich möchte ME/CFS bekannter machen, um für Akzeptanz und Rücksicht zu werben, und um denen, die noch schlimmer dran sind, zu zeigen, dass wir nicht allein sind und zusammenhalten. Das tue ich, solange es sein muss und – traurige Einsicht – solange ich das noch kann.“
Eine Frau aus dem Maifeld schreibt nach der RZ-Veröffentlichung auf Facebook: „Ich bin selbst durch eine Corona-Erkrankung an ME/CFS erkrankt und seit vier Jahren arbeitsunfähig. Lebensqualität habe ich keine mehr. Ich bin mit 38 Jahren innerlich auf 98 Jahre gealtert. Dieses Schicksal wünsche ich keinem.“ Eine andere Facebook-Nutzerin erklärt: „Danke, dass Sie auf ME/CFS aufmerksam machen. Erkrankte und Angehörige befinden sich meist in absolut verzweifelten Situationen.“ Ein weiterer Facebook-Nutzer berichtet: „Ich leide auch unter den Symptomen der ME/CFS – allerdings schon seit 2016.“

ME/CFS kann prinzipiell nach jeder schweren Viruserkrankung auftreten – und ist bereits seit 1969 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannt. Aber: „Die Krankheit wird vom deutschen Gesundheitssystem seit Jahrzehnten nur unzureichend beachtet und nicht selten verharmlost“, kritisiert die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS. „Infolge dessen werden Betroffene häufig als nicht schwerwiegend krank angesehen oder fälschlicherweise als psychisch krank fehldiagnostiziert. In Fachkreisen und Institutionen wird ME/CFS oft als psychisch bedingt missverstanden und im Kontext veralteter Forschungsergebnisse betrachtet. Es kann daher Jahre dauern, bis Betroffene eine sichere Diagnose erhalten.“
In Deutschland geht man von 250.000 Betroffenen vor der Covid-19-Pandemie aus. Sars-CoV-2 hat der Erkrankung nochmals einen Schub gegeben: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung verzeichnete einen Anstieg der Behandlungsfälle mit ME/CFS auf 620.000 im Jahr 2023. Auch die Ärztin Astrid Weber, die in Koblenz die Long-Covid-Ambulanz leitet, sagt im Gespräch mit unserer Zeitung: „Es wird nicht weniger. Die Erkrankung ist in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen.“ Inzwischen beträgt die Wartezeit für neue Patienten in ihrer Long-Covid-Ambulanz zwei Jahre.

Bei ME/CFS gibt es bis jetzt keine zugelassene Behandlung, keine Aussicht auf Besserung. Was man weiß: Fast immer ist ein Virus der Auslöser der Erkrankung. Dennoch lautet die erste Frage, die Christian Schweden in sozialen Netzwerken gestellt wird, oft: Bist du geimpft? Der 46-Jährige kann da nur den Kopf schütteln. „Anscheinend ist es für viele unvorstellbar, dass ein ,einfacher Infekt’ zu so etwas in der Lage ist. Es muss immer irgendein Täter da sein.“ Hinzu komme der unausgesprochene Vorwurf: Wer sich habe impfen lassen, sei doch selber schuld. Für Christian Schweden sind solche Reaktionen „amoralisch, verletzend, überheblich und gefährlich“. Er sagt: „Unfassbar, wie viel Hass gegen eine Impfung in den Menschen schwelt.“
Denn dann schlägt auch die Stunde der Scharlatane. Seit des RZ-Artikels hat er eine Menge dubioser Heilsversprechen erhalten: eine Behandlung mit kolloidalem Silber und Chlorbleiche, Chakra-Therapie und Energiebehandlung, Hypnose-Sitzungen und Blutwäsche in der Türkei.

Per E-Mail erreicht ihn auch folgende Nachricht: „Ich habe den Bericht in der Rhein-Zeitung über deine Erkrankung gelesen. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, deinen Zustand zu verbessern, würde es dich interessieren? Ganz spontan kannst du heute Abend an einer Infoveranstaltung per Zoom zugeschaltet werden oder wir telefonieren gerne mal. Herzensgrüße.“ Eine andere Frau schreibt ihm: „Hallo, habe gelesen, dass du krank bist. Es gibt einen Weg, der dich da rausholen kann. Würde dich das interessieren?“ Christian Schweden reagiert auf diese Mails nicht. „Solche Angebote erzeugen eine falsche Hoffnung. Es ist ein Geschäft mit der Verzweiflung.“
Umso nachdrücklicher wirbt der 46-Jährige für Aufklärung: „Jedes Fünkchen Information hilft uns Betroffenen weiter, jeder Einblick in unseren nicht-normalen Alltag trägt hoffentlich zu mehr Sensibilität bei.“

Sanfte Seifen für kernige Kerle
Seife ist das meist benutzte Mittel zur Körperpflege, enthält aber oft synthetische Duftstoffe und überflüssige Chemie. In der Maifeldgemeinde Kollig stellt Christian Schweden Naturseifen her. Was macht den Unterschied aus?