Andernach
Der Mann hinter dem Andernacher Geysir: Ralf Schunk weiß, was in der Tiefe passiert

Ralf Schunk, der Leiter Wissenschaft und Pädagogik im Geysir-Erlebniszentrum, gehört zu den wenigen Menschen, die ganz genau erklären können, was in der Tiefe des Bohrlochs auf dem Namedyer Werth vor sich geht. In der Ausstellung helfen ihm Modelle beim Erklären.

Yvonne Stock

Andernach. Wo andere nur den "gefährlichen Klimakiller" sehen, gerät Ralf Schunk ins Schwärmen. Wenn sich nach dem Geysir-Ausbruch eine CO2-Glocke in Form eines Pilzes bildet, dann findet er den Anblick "fantastisch".

Von unserer Redakteurin Yvonne Stock

Dass es sich um den allerhöchsten Kaltwassergeysir der Welt handelt, ist für Schunk persönlich sekundär. „Ein Gas fließen zu sehen, das hat etwas Künstlerisches“, findet der Mensch dahinter.

Der Leiter Wissenschaft und Pädagogik erklärt, dass CO2 nicht per se schlecht ist. In der hiesigen vulkanischen Region kommt es aus der Erde, wird aufbereitet und zu Kohlensäure im Mineralwasser oder zur Schutzgasatmosphäre für verpackten Aufschnitt. Auch der Geysir würde ohne CO2 nicht ausbrechen. 351,5 Meter tief ist die Bohrung auf dem Namedyer Werth, erzählt Schunk. Geschaffen wurde sie im Jahr 2000 in der Nähe des Orts, wo bereits vor rund 100 Jahren CO2 aus dem Boden gewonnen und mit Kutschen abtransportiert wurde. „Die bekamen den Geysir-Effekt nicht unter Kontrolle. Alle paar Stunden stand die Abfüllanlage unter Wasser“, weiß Schunk.

Der Schiefer auf dem Werth ist mit bis zu einen halben Meter dicken Quarzadern durchzogen, die mit einem Gas-Wasser-Gemisch gefüllt sind. Das Gemisch kann in das Bohrloch „auslaufen“. Ist es mit Wasser gefüllt, steigt der CO2-Gehalt darin an. Aufgrund des hohen Drucks der langen Wassersäule kann das Wasser sehr viel Gas an sich binden.

„Irgendwann findet das nächste hereinkommende CO2-Molekül keinen freien Platz mehr“, so der Experte. Es steigt deshalb im Bohrloch auf. Dabei wird der Druck auf das Molekül kleiner, es dehnt sich aus. Wasser schwappt aus dem Geysir heraus. Das macht die Wassersäule etwas leichter, der Druck im Bohrloch sinkt, das Wasser kann weniger CO2 binden. Die CO2-Bläschen verbinden sich bei ihrem Aufstieg zu einer 10 bis 15 Meter langen Blase und drücken das Wasser im Rohr nach oben – der Geysir bricht aus, rund 6000 Liter Wasser schießen in die Luft.

Bei diesem Schauspiel haben die Mitarbeiter ihre Finger nicht im Spiel, beteuert Schunk. „Ich würde danach auch nicht die Uhr stellen“, sagt der Wissenschaftler. Etwa alle zwei Stunden schießt der Geysir nach oben. Einzig nachts und in der Winterpause von November bis März greifen die Mitarbeiter ein: Dann wird das Bohrloch in der Tiefe mit einem Schieber verschlossen. Ist irgendwann das gashaltige Wasser im Gestein alle? „Das dauert noch so lange, dann tut uns kein Zahn mehr weh“, meint der Diplom-Geograf.

Man kann ihm seine fränkische Herkunft noch anhören. Bevor er 2009 in Andernach anfing, hat er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geomorphologie an der Universität Bayreuth gearbeitet und sich unter anderem mit CO2-Entgasung beschäftigt. Als Andernacher sieht er sich nicht: „Ich werde immer ein Zugereister bleiben, als Rheinländer wird man geboren“, meint der 46-Jährige.

Aufgrund des kleinen Teams sei er „Mädchen für alles“. Ist gerade kein Techniker vor Ort, schraubt Schunk selbst an defekten Exponaten – das meiste sind Unikate – in der Ausstellung im Erlebniszentrum herum. Wenn viel los ist, dann erklärt auch er den Gästen die Zusammenhänge. Im Laufe der Zeit hat er so manches Exponat umgebaut, etwa weil die Forschung neue Kenntnisse zutage gefördert hatte. Dass man so eine Ausstellung permanent weiterentwickeln muss, habe man der Politik erst erklären müssen, erinnert sich Schunk. Viel davon passiert im Winter. Stolz führt er einen Digitalen Tisch vor, den er konzipiert hat, wo die Besucher sich Vulkane und Ausbrüche anschauen können: „Wenn Lava auf Wasser trifft, fliegen die Fetzen.“

Gerne mischt sich Schunk auch „heimlich“ unter die Gäste. Was er im blauen Eingangsbereich immer mal wieder hören musste, gefiel ihm gar nicht. Ob sie in einem Schwimmbad seien, fragten sich schon Besucher. Damit soll Schluss sein. In dieser Winterpause soll das Foyer umgebaut werden. „Der erste Raum soll die Gäste auf die Fahrt in die Tiefe einstimmen“, erklärt Schunk. Auch Platz für Experimente soll entstehen.

„Das Schöne ist, in einem kleinen Team kreativ zu sein und seine Sachen umsetzen zu können“, meint der Wissenschaftler. Ganz anders als an einer Universität, wo man für seine Forschung ständig einen neuen Antrag auf Fördermittel stellen muss. Der 46-Jährige mag seinen Job in Andernach sehr, auch wenn die Mentalitätsunterschiede zwischen ihm als wortkargem Franken und den wortreichen Rheinländern doch groß seien. Wenn Schunk am Tag seine 800 bis 1200 Gäste hatte, dann ist er froh, wenn er abends nichts mehr sagen muss. Dann fährt er mit seinem Rad ganz tief in den Wald, wo er keinen trifft, und denkt vielleicht an Vulkanausbrüche oder die Schönheit von fließendem Gas.

Wortwechsel mit Ralf Schunk

Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht wissenschaftlicher Leiter des Geysirs wären?

Irgendetwas Spannendes wäre es sicherlich gewesen, aber eine genaue Vorstellung habe ich nicht. Als Kind wäre meine Antwort ganz klar Lokführer gewesen.

Der perfekte Arbeitstag beginnt für mich mit …

Einem „Guten Morgen“ zu meinen Arbeitskollegen. Danach mache ich einen Rundgang durch das Haus und die Ausstellung und freue mich, wenn alles in Ordnung ist.

Glück ist für mich …

Vieles.

Das muss sich hier noch ändern:

Das Geysir-Zentrum muss in der Zukunft noch viel stärker als bisher auch als wissenschaftliche Einrichtung zum Thema Kaltwasser-Geysir wahrgenommen werden, anstatt nur als reine Freizeitattraktion interpretiert zu werden. Es gibt in Deutschland kein vergleichbares Museum oder Science-Center, das sich intensiv mit diesem seltenen naturwissenschaftlichen Phänomen beschäftigt.

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