Selbstverständlich ist Demokratie niemals. Doch für jemanden, der in einer gefestigten freiheitlich-demokratischen Gesellschaft geboren und aufgewachsen ist, wirkt sie doch schnell wie etwas immer Dagewesenes. Selbst Mahnrufe, diese Staatsform, bei der alle Bürgerinnen und Bürger mitbestimmen dürfen, sei heute mehr bedroht denn je, klingen bisweilen als abgedroschene Plattitüden. In Ochtendung hat man während einer sogenannten „Woche der Demokratie“ gezeigt, dass dieselbe nicht irgendwo in den Parlamenten in Berlin oder Mainz beginnt, sondern immer da, wo Menschen zusammenkommen.

Am Samstag kamen sehr viele Menschen in die Kulturhalle der Maifeldgemeinde, um der feierlichen Abschlussveranstaltung der mit vielen einzelnen Workshops, Filmvorstellungen und Projekten gespickten Woche beizuwohnen und ihr einen würdigen Rahmen zu geben. Auf Einladung der Initiatorin Rita Hirsch, zwischen 2009 und 2019 Ochtendungs Ortsbürgermeisterin, besuchte sogar Hendrik Hering, der rheinland-pfälzische Landtagspräsident, das Maifeld. „Ob die Demokratie langfristig Bestand haben wird, hängt davon ab, wie die Zivilgesellschaft sich einbringt“, sagte der SPD-Politiker.
In Ochtendung scheint das bürgerschaftliche Engagement sehr ausgeprägt zu sein. Neben Hirsch wurde die „Woche der Demokratie“ auch vom jetzigen Ortschef Hans-Georg Hammes unterstützt. „Die Demokratie lebt davon, dass jeder mitreden und seine Meinung sagen darf. Diese Chance wollen wir auch Kindern und Jugendlichen geben“, begründete er die Entscheidung, auch Schule und Kindergärten bei der Veranstaltung zu integrieren. Demokratie sei ein Lernprojekt, an dem sich alle beteiligen könnten und auch sollten.

An Infoständen präsentierten alle Beteiligten dieses Großprojektes, wie sie die besondere Demokratiewoche genutzt haben und was generell ihre Arbeit ausmacht. Mit dabei waren der Gemeinderat, der Ochtendunger Heimatverein, die Freundeskreise Caiazzo und La Chausée-Saint-Victor, die Partnerschaften zu Gemeinden in Italien beziehungsweise Frankreich pflegen, oder auch die „Omas gegen rechts“. Zu einem wahren Fest der Demokratie machten die Abschlussveranstaltung auch weitere Gruppen wie die Flüchtlingshilfe Maifeld, die ein abwechslungsreiches Büfett mit Speisen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammengestellt hatte, oder der Ars-Musica-Kinderchor, der für den passenden musikalischen Rahmen sorgte.

Entstanden war die Idee aufgrund der Erkenntnis, dass die Demokratie und alle mit ihr verbundenen Rechte wie die Meinungs- oder Versammlungsfreiheit labil würden, sofern man sie nicht emsig schütze und verteidige, betonte Hirsch. Sie selbst sieht ihre Aufgabe darin, mit gutem Beispiel voranzugehen. Als sie im vergangenen Jahr zu einer Kundgebung für Vielfalt und gegen Fremdenfeindlichkeit aufgerufen hatte, konnte sie 400 Menschen motivieren. Der enorme Rückhalt durch große Teile der Gesellschaft bestärkte sie darin, weiterzumachen und eben den Anstoß für die „Woche der Demokratie“ zu geben. „Demokratie geht uns alle an. Das bedeutet auch, dass wir alle etwas für den Erhalt der Demokratie tun müssen“, mahnte die Sozialdemokratin.

Landtagspräsident Hering blies ins selbe Horn: „Überall dort, wo Entscheidungen zum Wohle aller getroffen werden, wird es Kompromisse geben. Dies ist eine Stärke der Demokratie, da Kompromisse auf der Überzeugung fußen: ‚Gemeinsam erreichen wir mehr‘. Demokratie bringt Lebensfreude zum Ausdruck, die allen Hasserfüllten und Menschenfeinden den Wind aus den Segeln nimmt.“ Er hob das Ehrenamt in Vereinen als wichtige konkrete Erscheinungsform von Demokratie hervor: „Hier steht man zusammen, hier ist man solidarisch, hier geht man respektvoll miteinander um und hier gewährt man seinem Gegenüber, seine Meinung zu äußern.“

Was im Kleinen im Sport-, Musik- oder Schützenverein funktioniere, solle auch die Prämisse fürs große Ganze sein: für das gesamtgesellschaftliche Miteinander und auch für die Politik. „Ich wünschte mir, überall in den Dörfern und Städten unseres Landes würde die Demokratie in dieser lebendigen und aktiven Weise praktiziert und wertgeschätzt, wie das hier in Ochtendung geschieht. Was ihr hier auf die Beine gestellt habt, ist vorbildlich“, lobte Hering Rita Hirsch und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Die gut besuchte Kulturhalle war der eindrucksvolle Beweis dafür, dass Demokratie tatsächlich immer dort zu beginnen scheint, wo Menschen zusammenkommen.