Nach dem Willen des Kreistags MYK vom Juli 2021 ist eine Herauslösung von Mayen aus dem Konstrukt geprüft worden, möglicherweise zurück in die Hände des Kreises. Eine Einschätzung liefert Gesundheitsexperte Thomas Mader. Er arbeitet am RheinAhrCampus der Hochschule Koblenz in Remagen im Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Mader ist zugleich Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Management und Controlling in der Sozialwirtschaft.
1 Wieso soll Mayen aus dem Klinikverbund herausgelöst werden? Es sind keine nostalgischen Gefühle, die den Kreistag bewogen, einen Alleinbetrieb von Mayen überprüfen zu lassen. Auch wenn Mayen bis zu seiner Fusion mit dem Kemperhof 2005 quasi Kreiskrankenhaus gewesen ist, Alleingesellschafter war der Kreis. Vielmehr sind harte Fakten der Beweggrund. Im Kreistag ist von einer Sanierung in vielen Bereichen die Rede gewesen, die nur mit „einem erheblichen Gesamtinvestitionsbedarf“ für Mayen geleistet werden könne. Die Eigenmittel seien zu spärlich, auch wenn das Land Investitionskosten zuschießen würde. Für Mayen wird ein zweistelliger Millionen-Betrag benötigt. Und die vier Stiftungsgesellschafter haben klar geäußert, dass sie nicht bereit sind, weitergehende finanzielle Mittel zur Verfügung stellen zu können beziehungsweise zu wollen. Eine Existenzberechtigung habe Mayen allerdings allemal, sagt Thomas Mader. „Von der Lage her ist das Mayener Krankenhaus passend, es stellt die Versorgung in die Eifel hinein sicher“, sagt Mader.
2 Gibt es geglückte Beispiele einer Rückübertragung von Krankenhäusern in kommunale Hände, und welche Aspekte müssen beachtet werden? In der bundesdeutschen Krankenhauslandschaft ist der Hang zur Privatisierung deutlich häufiger ausgeprägt als der Weg in die kommunale Obhut, hat Thomas Mader beobachtet. Es gebe nur wenige erfolgreich verlaufene Beispiele, wie Kommunen ein Krankenhaus wieder flottgemacht haben. In der Szene überwiege die Skepsis, was den kommunalen Weg betrifft. Es stellen sich elementare Fragen wie: Haben Kommunen die Mittel, Sanierungen oder Ausbau zu stemmen? Wer hat die Deutungshoheit, das letzte Wort – der Klinikdirektor oder der Kreis? Für Mader ist der Knackpunkt die Finanzierung. Der zum Bersten gespannte Kreishaushalt MYK – ohnehin im Jahr 2022 mit ÖPNV-Mitteln in zweistelliger Millionenhöhe belastet – hat keinen Spielraum für aufwendige Maßnahmen. Hinzu komme, so Mader, dass ein unabhängiges Klinikum mit ausreichend Eigenkapital ausgestattet sein müsse. „Damit es auf die Versorgungsstruktur von morgen vorbereitet ist.“ Stichworte sind Modernisierung, im Speziellen Telemedizin oder neuartige medizinische Untersuchungsmethoden und -geräte.
3 Welche Wege gibt es, das Mayener Krankenhaus aus dem GKM herauszulösen? Der erste Schritt könnte sich schon als der letzte herausstellen: Alle Gesellschafter müssen einem Alleingang von Mayen zustimmen. Einen kleinen Fingerzeig haben die vier Stiftungsgesellschafter im Vorjahr gegeben, als sie sich gegen eine Leitung des Gemeinschaftsklinikums unter kommunaler Führung verwahrten. Auf jeden Fall muss die Gesellschafterversammlung des GKM einstimmig zustimmen, um den Weg freizumachen. Mehrere Varianten, wie Vermögen vom GKM übertragen werden kann, werden in einem vom Kreis beauftragten Gutachten aufgezeigt, dessen Inhalt dieser Zeitung bekannt ist. Ihm zufolge ließe sich zum einen das Ziel durch einen Unternehmensverkauf der rechtlich nicht unabhängigen Betriebsstätte Mayen erreichen. Nur so werde der Betrieb aus dem Vermögen der Gesellschaft vollständig herausgelöst. Variante 1: der Asset Deal. Dabei werden die Wirtschaftsgüter sowie das Betriebsvermögen auf den Erwerber, also den Kreis, übertragen. Auch die Arbeits-, Vertrags- und Rechtsverhältnisse würden verkauft – nicht aber die verkaufende Gesellschaft selbst. Alle Gegenstände des Betriebsvermögens werden übertragen, im Rahmen der Einzelrechtsnachfolge. Der Nachteil: Eine Trennung ist sehr komplex und bedarf eines eventuell mehrjährigen Vorlaufs, zumal verschiedene Leistungen, die alle derzeit nutzen, sich nicht isoliert betrachten lassen, beispielsweise IT-Leistungen für alle Krankenhäuser im Verbund. Ferner gibt es nach dem Liquiditätsengpass des Klinikums Anfang 2021 eine Grundschuld beim Grundbesitz in Mayen in Höhe von 4 Millionen Euro. Diese Grundschuld haftet für die Kontokorrent-Linie des GKM insgesamt, lässt also nicht dem Standort Mayen ausschließlich zuordnen. Auch da müsste eine Übertragung von Sicherheitsrechten geregelt werden. Variante 2: die Ausgliederung. Für diesen Fall würde eine neue GmbH gegründet, es entstünde für Mayen gegenüber dem GKM ein Tochter-Mutter-Verhältnis. Für die Arbeitnehmer bedeutet dies: Der Ausgliederungsvertrag oder Ausgliederungsplan ist dem Betriebsrat zu übermitteln. Nach der Ausgliederung ist es möglich, dass die Anteile an der neu gegründeten GmbH, die den ausgegliederten Betriebsteil aufgenommen hat, mittels Verkauf und Abtretung der Geschäftsanteile auf den Käufer, also den Kreis, übertragen werden. Mehr Vorteile habe die letztgenannte Variante. Aber der Gutachter gibt grundsätzlich zu bedenken, dass Mayen aufgrund der Tatsache, dass originäre Leistungen vom Standort bereits abgewandert sind, organisatorisch nicht allein lebensfähig sei. Es fehle an Personal in Verwaltung wie Medizin – eine Anlehnung ans GKM sei auch jenseits der Verselbstständigung wohl unabdingbar.
4 Wie schätzt der Gesundheitsexperte die Chancen von Mayen als selbstständigem Standort ein? Die Pandemie habe gezeigt, dass kleine Standorte ihre Existenzberechtigung hätten, sagt Thomas Mader. „Sie tragen zur Versorgungssicherheit von Regionen bei.“ Zudem könne Mayen punkten: mit einer guten Kardiologie beispielsweise. Das Leistungsspektrum sei noch „teilweise in sehr guter Weise“ vorhanden, auch wenn andere Abteilungen verlagert worden sind. Sollte Mayen zwingend auf die Kooperation mit anderen angewiesen sein, könne dies zu einem Problem werden, das fließe mit in die Kalkulation ein. Das Krankenhaus sei überdies ein wichtiger Arbeitgeber für die Region, sodass es nicht vernachlässigt werden dürfe. Die Kardinalfrage lautet: „Was ist das Zielbild für die Versorgung in der Region, auch angelehnt an die demografische Entwicklung?“ Dies müssten Land und Gremien schlüssig beantworten. Reines Wunschdenken sei jedoch das, was sich der Mayener Stadtrat per Resolution vom Land hat einfordern wollen: eine finanzielle Beteiligung. „Das Land fällt aus, auch weil das EU-Beihilferecht dagegenstünde.“ Es könne nicht kleine Krankenhäuser subventionieren oder bei ihnen einsteigen. „Damit würde sich das Land angreifbar machen“, sagt Mader.
Bis sich ein unabhängiges St.-Elisabeth-Krankenhaus von allen Fesseln der Vergangenheit befreit hätte, würde es allerdings geraume Zeit dauern. Thomas Mader rechnet mit mindestens fünf Jahren.
Gutachten kosten 1,1 Millionen Euro
Mit Kreistagsbeschluss vom Juli 2021 ist der Auftrag ergangen, dass die Verwaltung ein Gutachten in Auftrag geben sollte, um die Chancen einer Herauslösung von Mayen aus dem GKM-Konstrukt bewerten zu lassen. Der Auftrag erging an eine Koblenzer Kanzlei. Die hat eine 28-seitige Expertise angefertigt.Die Kosten von 810.000 Euro für das Gutachten tragen die Stadt Koblenz und der Landkreis MYK jeweils zur Hälfte. Ein zweiter Gutachtenauftrag erging an Roland Berger. Dafür müssen Stadt und Landkreis jeweils 145.000 Euro verausgaben. bro
Der Kreistag MYK wird sich am Montag (ab 14 Uhr) und Mittwoch (ab 16 Uhr) mit dem Thema jeweils in der Stadt- und Kongresshalle Vallendar befassen. Das Thema ist nicht öffentlich, taucht also nicht in der öffentlichen Bekanntmachung auf.