Beim Wirtschaftsforum in Mayen überraschte der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Mayen, Karl-Josef Esch, mit seinem Plädoyer für einen Begriff, mit dem wohl die wenigsten Zuhörer etwas anzufangen wussten. Und der irgendwie sinnbildlich dafür steht, dass sich die Europäische Union gegenüber den USA emanzipieren will.
Wero heißt der Begriff für die europäische Variante des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Als Alternative zu PayPal, ein US-Anbieter, der einstmals unter anderem vom politischen Rechtsaußen Peter Thiel gegründet wurde. Ob sich dahinter auch eine politische Komponente verbirgt, hat Vorstandschef Esch im Gespräch mit unserer Zeitung erläutert.
Herr Esch, Sie haben von Wero als Alternative zu PayPal gesprochen – was sind die Hintergründe?
Früher bestand der Zahlungsverkehr im Wesentlichen aus Überweisungen, Lastschriften und Daueraufträgen – und das meistens im Inland. Jetzt läuft der Zahlungsverkehr zunehmend international und sowohl am Point of Sale – also im Geschäft – als auch im Internet meist bargeldlos. Die europäische Kreditwirtschaft hat es bisher nicht geschafft, den Markt hier breit zu durchdringen und selbst in den Onlineshops präsent zu sein. Dafür beherrschen US-amerikanische Zahlungsanbieter wie PayPal, aber auch Apple Pay und Google Pay große Teile des Markts. Auch Visa oder MasterCard kommen aus den USA.
Europa ist also auch innerhalb des europäischen Zahlungsraums auf internationale Anbieter angewiesen und damit abhängig. Nicht zuletzt durch die aktuelle US-Zollpolitik ist uns schmerzlich bewusst geworden, dass wir mehr Eigenständigkeit in Europa brauchen und die Abhängigkeit von US-amerikanischen Anbietern minimieren müssen. Auch die EU fordert in diesem Bereich mehr Autonomie. In der Sparkassenorganisation setzen wir uns für einen einheitlichen europäischen Zahlungsverkehr ein. Wero ist ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin.
Wer macht in Deutschland und in Europa bei Wero alles mit?
In Deutschland sind unter anderem die Sparkassen, Genossenschaftsbanken und die Deutsche Bank beteiligt. Insgesamt sind 16 Banken und Zahlungsdienstleister aus verschiedenen europäischen Ländern dabei. Wero ist zunächst nur in Deutschland, Belgien, Frankreich sowie demnächst in den Niederlanden verfügbar. Spanien und Italien könnten die Nächsten sein.

Was kann Wero denn schon?
Wero ist so entwickelt worden, dass damit E-Commerce in Online-Shops genauso möglich ist wie Überweisungen oder Geldtransfers von privat an privat. Als weitere Ausbaustufe kommt dann das Zahlen im stationären Handel hinzu.
Wero läuft sehr sicher. Die Finanzinfrastruktur hierfür hat der größte IT-Dienstleister in Europa aufgebaut. Zur Zahlung privat an privat benötigt man lediglich eine Handynummer oder eine E-Mail-Adresse. Als kontobasiertes Bezahlverfahren läuft Wero von Bankkonto zu Bankkonto, also ohne Zwischenhändler. Es ist kein weiteres Medium wie eine Karte oder eine Wallet notwendig, die Umsätze werden in Echtzeit direkt über das eigene Girokonto gebucht. Das ist sicher, transparent und bequem. PayPal funktioniert anders, hier ist zwingend eine Wallet, also eine elektronische Brieftasche, dazwischengeschaltet.
Läuft man Gefahr, dass via PayPal irgendwelche Daten abgegriffen werden?
Für den Einzelnen besteht sicher keine Gefahr, aber hier geht es um die internationale Dimension des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und die dazugehörenden Daten, die außerhalb Europas verarbeitet werden, ohne dass dies kontrolliert werden kann. Unser einheitlicher EU-Wirtschaftsraum braucht deshalb ein eigenes einheitliches europäisches Zahlungssystem.
Es darf nicht sein, dass andere uns den Stecker ziehen könnten und auch, was die Preisgestaltung angeht, wollen wir unsere Autonomie behalten. Außerdem schöpfen US-Unternehmen einen Teil der Wertschöpfung ab, die aber besser in Europa bleiben sollte. Und ebenso wichtig ist der Aspekt, ob alle Daten – wie bei Wero – nach europäischem Recht gesichert sind oder über irgendwelche US-Server oder andere Länder wie China laufen.

Wieso ist Wero noch relativ unbekannt?
Wero wird bewusst schrittweise in den Ländern eingeführt. Das Thema nimmt jetzt gerade an Fahrt auf, auch weil die Sparkassen aktuell stark in die Werbung gehen. Der Einsatz von Wero ist für unsere Kunden selbsterklärend. Im Online-Banking bzw. der Sparkassen-App befindet sich ein entsprechender Button zur Aktivierung und Nutzung. Wir wollen viele Menschen für Wero gewinnen und begeistern. Das gilt natürlich auch für die Betreiber von Internetshops.
Das alles wird eine große Herausforderung, denn PayPal hat hierzulande bereits 32 Millionen Kunden, die wollen wir überzeugen, ebenso wie alle, die noch nicht bei PayPal sind. Dies wird kein Sprint, das wird ein echter Marathon. Bei unseren über 50 Millionen Sparkassenkunden sind wir hier sehr zuversichtlich. Die europäische Souveränität wird diese Anstrengung in jedem Fall lohnen.
Und nebenbei bemerkt: Wero ist auch eine Antwort auf die Pläne der Europäischen Zentralbank, die den digitalen Euro einführen will. Wero aber, wenn es im Markt etabliert ist, könnte den digitalen Euro der EZB obsolet machen. Ich denke, den Zahlungsverkehr muss die Kreditwirtschaft organisieren – und nicht die EZB.
Was verbirgt sich hinter PayPal?
Hinter PayPal steckt laut Wikipedia die Firma PayPal Holdings, ein US-amerikanisches Unternehmen für digitale Zahlungslösungen. Gegründet wurde PayPal im Jahr 1998 unter dem Namen Confinity von Peter Thiel, Max Levchin, Luke Nosek und Ken Howery. PayPal wurde später von Ebay übernommen und ist seit 2015 ein unabhängiges Unternehmen. 32 Millionen Nutzer hat PayPal in Deutschland, Tendenz rückläufig. In den USA kursiert das Wort von der „PayPal-Mafia“: Das ist eine Gruppe von Personen, die in den Nullerjahren in der Tech-Szene bekannt wurden, darunter Peter Thiel, Max Levchin, Elon Musk und andere, die später erfolgreiche Unternehmen gründeten. red