Der Sterngarten ist ein Sehnsuchtsort, der in Mayen zu einem Mythos geworden ist“, betont Hans Schüller, Vorsitzender des Geschichts- und Altertumsvereins für Mayen und Umgebung. „Auch 50 Jahre nach der Schließung des Gebäudes samt Saal ist er noch in der Erinnerung vieler Mayener verblieben. Etliche Generationen verbinden bis heute mit dem Sterngarten, und vor allem mit dem Saal, ein Stück der eigenen Lebensgeschichte“, erklärt Schüller.
Das Hotelgebäude habe eine Prachtfassade in neogotischen Formen gehabt. „Es muss eine repräsentative Wirkung auf die Zeitgenossen ausgeübt haben“, schreibt Schüller in einer druckfrischen Broschüre mit dem Titel Sterngarten. „Ob im Alltag, in der Freizeit, bei beruflichen und politischen Veranstaltungen oder bei Konzerten und Theateraufführungen war der Sterngarten der Ort, an dem die Bevölkerung der Stadt zusammenfand.“
Tanzlokal lag an der wichtigsten Verkehrsader der Stadt
Das legendäre Tanzlokal befand sich in der Koblenzer Straße, einer der wichtigsten Verkehrsadern der Stadt. Über die Straße führte, wie Schüller berichtet, die Verbindung zum Hafen nach Andernach und zur Provinzhauptstadt Koblenz. Unmittelbar an der Koblenzer Straße, wurde eine kleine Trinkhalle errichtet, die der Besitzer Anton Colmie für die Passanten als Außenverkauf betrieb. „Es dürfte wohl kaum eine Person in Mayen gegeben haben, die in ihrem Leben nicht schon einmal das beliebte Lokal besucht hatte“, so Schüller.

Die gemeinsamen Erlebnisse verbinden. Schließlich hat der Sterngarten für so manche Überraschung gesorgt. Ältere Besucher fühlten sich hier genauso wohl, wie Jugendliche, die sich hier verabredet hatten. Im Sterngarten wurden viele zarte Bande geknüpft, Liebesbeziehungen bahnten sich an. „Angeblich wurde hier jede zweite Ehe der Region gestiftet“, heißt es hierzu in einem Text zum Stück des Bürgertheaters der Mayener Burgfestspiele. Unsere Zeitung hat Stimmen von Zeitzeugen gesammelt.
Auch Heinz Schäfer und seine spätere Frau Cäcilie haben sich in dem legendären Lokal beim Tanztee kennengelernt. Das war 1958. Der mittlerweile 88-Jährige prostete Cäcilie Steinmetz aus Hausen damals mit einer Cola zu. Seither gehen die beiden durch dick und dünn. Das Jubelpaar feierte vor wenigen Tagen das Fest der Eisernen Hochzeit. Aber auch darüber hinaus verbindet Heinz Schäfer viele schöne Erinnerungen und Anekdoten mit dem Sterngarten, der sehr viel mehr als nur ein Tanzlokal war.
„Um 19 Uhr musste ich damals immer zu Hause sein. Seinerzeit waren die Eltern noch Herr.“
Käthe Eisenbürger erinnert sich an die Abende im Sterngarten.
Auch Käthe Eisenbürger, geborene Schüller, und ihr späterer Mann Ottfried haben sich im Sterngarten kennengelernt. „Das war 1960 – bei einem Bauernball“, berichtet die Patentante von Hans Schüller. Zwei Jahre später haben sich Käthe Schüller und Ottfried Eisenbürger da Jawort gegeben. Noch ehe sie als 18-, 19-Jährige einen Freund hatte, war die junge Frau – sie sagt, sie sei eine „Kär-Mayenerin“ (eine echte Mayenerin) – jede Woche beim Tanztee im Saal und in der Diele anzutreffen. „Um 19 Uhr musste ich damals immer zu Hause sein. Seinerzeit waren die Eltern noch Herr“, berichtet die mittlerweile 91-jährige gelernte Bäckereifachverkäuferin. In späteren Jahren habe sie im Sterngarten vom Prinzenfrühstück bis hin zum prominenten Hockeyball, alles miterlebt. „Es gab unheimlich viele Veranstaltungen dort.“

Zwar haben sich die beiden Mayener Fastnachtsoriginale Doris und Albert Mohr (Mohr & Möhrchen) nicht im Sterngarten kennengelernt, „aber wir sind jeden Sonntag zum Tanztee hin und Samstagabends in die Disco des Sterngartens“. Die Disco wurde damals wegen ihrer außergewöhnlichen Lage im Keller „1000 cm unter der Erde“ genannt. Alle aus Mayen und Umgebung trafen sich dort. Die heute 71-Jährige erinnert sich noch bestens an eine ganz besondere Bedienung. „Frau Eltzer sagte den Leuten, wenn sie genug getrunken hatten, sie sollten nach Hause gehen. Ansonsten würde sie es den Müttern sagen.“ Und fügt hinzu: „Sie war einfach klasse!“
Auch viele bekannte Künstler, wie die deutsche Beat- und Rockband The Lords, die sich im Sterngarten die Klinke in die Hand gaben, haben die Gäste angezogen. Auch Albert Mohr hatte die Kultband, die mit ihren Hits ein furioses musikalisches Feuerwerk abfeuerte, gesehen. „Es war eine wunderschöne Zeit, die wir auch bei den Damensitzungen der Concordia dort verbracht haben“, resümiert Doris Mohr. Der Sterngarten wurde zur Spielwiese für fast alle Altersgruppen.
„Da haben alle Mayener mehr oder weniger tanzen gelernt – mit Mittel- und feierlichem Abschlussball.“
Dieter Roos
Nicht nur haben sich dort viele kennen-, sondern dort auch tanzen gelernt, weiß Dieter Roos aus Mayen-Alzheim zu berichten. „Da haben alle Mayener mehr oder weniger tanzen gelernt – mit Mittel- und feierlichem Abschlussball.“ Sehr beliebt bei den Jugendlichen „war auch Kegel aufzustellen für 50 Pfennig“, sagt Dieter Roos. Jahre später, 1965, wurde Roos vom Kreiswehrersatzamt Koblenz im Sterngarten auf seine körperliche und geistige Tauglichkeit für den Wehrdienst überprüft, also wie viele andere auch „gemustert“.
Wenn es seine Ausbildung als Koch im Seehotel in Maria Laach zugelassen hat, hat auch Werner Schäfer aus Mayen in der zweiten Hälfte der 1960-er Jahre, wenn es irgendwie ging, im Sterngarten das Tanzbein geschwungen. „Wir hatten eine Clique, mit der wir uns immer verabredet haben. Nach dem Tanzen haben wir uns im Anschluss in unserer Stammkneipe Möller ausgetauscht, ob wir beispielsweise mit den jungen Frauen ganz dicht, schnell oder langsam getanzt haben oder nicht. Dabei haben wir stets nur positiv von unseren Tanzpartnerinnen gesprochen.“

Bereits als Zehnjähriger hatte der heute 77-Jährige in der fünften Jahreszeit eine besondere Aufgabe zu erfüllen. „Die Sitzung des MG Concordia war die bestbesuchte Karnevalsveranstaltung. Wir sind samstagmittags um zwölf in den Sterngarten gegangen und haben die von unseren Eltern vorgeschriebenen Plätze bis abends für sie freigehalten. Ich machte das solange, bis ich in die Lehre kam.“
Einen anderen Trick, um sich einen Platz – allerdings für den Handballerball – zu sichern, hatte Heinz Schäfer kurz vor seiner Eheschließung an Karneval 1960 mit einem Freund angewandt. „Wir waren schlaue Burschen und haben uns damals im Hotel des Sterngartens für 6 Mark ein Zimmer inklusive eines Frühstücks gemietet. So kamen wir in den Genuss als Hausgäste zeitig in den Saal zu dürfen“, erinnert er sich. „Und das Schöne: Wir konnten die Veranstaltung als letzte verlassen und sofort ins Bett gehen.“ Die Sparfüchse hatten einen Hintergedanken. Die Übernachtung mit Frühstück war lediglich 1 Mark teurer als der Eintritt für den legendären Handballerball.
Eintrittskarten aus mehreren Jahrzehnten gesammelt
Gefeiert haben im Sterngarten auch die Flieger der Genoveva-Burg. Sie hatten am 13. Oktober 1940 in den Sterngarten eingeladen. Diese hübsch gestaltete persönliche Einladungskarte, eine weitere zur „Venezianischen Nacht“ im Rahmen des Osterballs der Hockeyabteilung Grün-Weiss des TuS Mayen und viele weitere Eintrittskarten, auch zur Modenschau des Modehauses Kohlhaas Kriechel vom 17. März 1959, Fotos und Postkarten, hat der gebürtige Mayener und in Mendig lebende Aloys Einig fein säuberlich gesammelt und archiviert.