„Fast gewinnt man den Eindruck, als soll der Neustart der Chorkultur bewusst verzögert werden“, teilt Tobias Hellmann, Vizepräsident des Landesverbands, mit. Die Nachbarländer hätten bereits sinnvolle, pragmatische Lösungen erarbeitet, heißt es in der Meldung weiter. So sei beispielsweise in Hessen der Probenbetrieb auch innen mit Hygienekonzept, Abstandsregeln und unter Einbeziehung der Ordnungsämter möglich.
Auf Anfrage unserer Zeitung teilte Dieter Meyer, Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Medien, mit, „dass mittlerweile auch in Rheinland-Pfalz bei einer stabilen Inzidenz von unter 50 – wie dies bereits in vielen Landkreisen und kreisfreien Städten der Fall ist – wieder bis zu zehn ungeimpfte Erwachsene in Innenräumen proben dürfen und bis zu 20 ungeimpfte Personen im Freien.“ Bei Chören mit Kindern und Jugendlichen bis 14 Jahren dürfen es bis zu 25 Singende sein. „In allen Fällen zuzüglich der chorleitenden Personen“, so der Pressereferent aus Neuwied. „Für vollständig geimpfte oder genesene Erwachsene gibt es keine weiteren Einschränkungen. Diese können zur Anzahl der Ungeimpften hinzukommen, sodass sich die Zahl der Probenden verdoppeln oder auch durchaus verdreifachen kann.“
Aufruf zum umsichtigen Handeln
Auch wenn die nun gelockerten Richtlinien wieder Mut machen, ruft der Chorverband dennoch zu umsichtigem Handeln auf. Dazu gehöre unter anderem, die Lockerungen nicht gänzlich auszureizen. „Die Abstandsregelung setzt hier ja letztlich auch eine Grenze. Im Innenraum ist es die bekannte Drei-Meter-Regel ringsum. Im Freien sind es eineinhalb Meter zur Seite, zwei Meter nach vorn, drei Meter zur Chorleitung“, erläutert Tobias Hellmann, Vizepräsident des Chorverbands Rheinland-Pfalz, mit Blick auf die aktuelle Probensituation. „Das bedeutet letztlich in der Rechnung: neun Quadratmeter pro Person im Innenraum.“
Und auch wenn es die Verordnung anders vorsehe, „empfehlen wir unseren Chören, alle Probenteilnehmer zu testen. Dies betrifft dann auch bereits Geimpfte und Genesene“, so Hellmann. Hintergrund zu dieser Empfehlung sei die bislang nicht gänzlich widerlegte Tatsache, dass selbst vollständig geimpfte Person das Virus in sich tragen und andere infizieren können.
Zuversichtlich in Bezug auf mögliche Veranstaltungen zeigen sich der Präsident des Chorverbands Rheinland-Pfalz und sein Kollege vom Chorverband der Pfalz, Hartmut Doppler. „Wir freuen uns für die Chöre in Rheinland-Pfalz, die jetzt endlich wieder für erste Konzerte im Herbst proben können. Wir hoffen das Beste und gehen davon aus, dass sich die Situation nicht wieder verschärfen wird. Und wahrscheinlich werden wir in diesem Jahr dann auch wieder eine Advents- und Weihnachtszeit mit freudig Singenden in Chören haben.“ Unsere Zeitung hat mit verschiedenen Vorstandsmitgliedern und Dirigenten der Chöre in Mayen-Koblenz über die jetzige Situation gesprochen.
Bei manchen Vereinen Onlinetreffen nicht möglich
Dass aktuell beim gemischten Chor SingPunktAcht und beim Shantychor im Gesangverein Liederkranz Kehrig keine Aktivitäten geplant sind, berichtet Chorleiter Thomas Braun. „Wir hatten seit mehr als 14 Monaten keinen Probenbetrieb mehr. Versuchsweise hatten wir im Spätsommer des vergangenen Jahres mit nötigem Abstand im Außenbereich beziehungsweise in der Sporthalle die Proben wieder aufnehmen können.“ Für die Sänger sei die Situation sehr unbefriedigend gewesen. Der nötige Chorklang sei nicht zustande gekommen. Onlinetreffen über Skype oder Zoom seien vom Vorstand nicht vorgeschlagen worden, „da sehr vielen Mitsängern die technischen Voraussetzungen fehlen“.
Die Problematik in der jetzigen Situation des langen Aussetzens ist nach Ansicht Brauns „die Bereitschaft, die älteren Mitsänger wieder zu aktivieren. Je länger die Auszeit dauert, desto größer ist die Überzeugungsarbeit.“ Braun hofft unter Berücksichtigung der geltenden Hygiene- und Abstandsverordnung auf eine baldige positive Entwicklung. „Die Chöre und Chorleiter sind in einer misslichen Lage“, resümiert der Chorleiter aus Mayen.
Dass die weltlichen Chöre wie auch die Kirchenchöre es sehr bedauern, dass seit März vergangenen Jahres – abgesehen von einer kurzen Unterbrechung im Sommer 2020 – der Probenbetrieb nahezu zum Erliegen gekommen ist“, erklärt Volker Kaufung, Dekanatskantor im Dekanat Mayen-Mendig. „Zurzeit gelten nach wie vor die Vorschriften der Landesregierung“, so der Musikdirektor.
An der frischen Luft klingt es nicht gut
„Die Kirchenchöre halten sich an die Bestimmungen des Bistums Trier, die sich an den Landesvorschriften orientieren.“ Als Chorleiter schließt sich Kaufung diesen Vorschriften an. „Die Wiederaufnahme der Chorprobe sollte – abhängig von den Inzidenzen – unter der Voraussetzung erfolgen, dass zunächst nur vollständig Geimpfte oder Genesene mit Nachweis sowie negativ Getestete an den Chorproben auf eigene Verantwortung teilnehmen können“, so Kaufung, der als Chorleiter auch den MGV 1905 Thür und den MGV Cäcilia 1847 Mülheim betreut.
„Dass aktuell beim MGV Cäcilia Mülheim noch keine Proben geplant sind“, erklärt Hans-Dieter Bengel, der Ehrenvorsitzende des Vereins. Da die Geimpften bei den Gruppenstärken für die Proben nicht mehr mitgezählt werden müssen, machen die Lockerungen auch Barbara Butz Hoffnung. „Die Proben draußen abzuhalten, bleibt aus klanglichen Gründen unbefriedigend“, sagt Butz. Sie werde jetzt den Impfstatus ihrer Sänger abfragen. „Alles hängt davon ab, dass uns geeignete Plätze zum Proben zur Verfügung gestellt werden“, betont die Vorsitzende und Chorleiterin des von ihr gegründeten Frauenkammerchors SoprAlto. Zudem ist die ehemalige Kreis-Chorleiterin Dirigentin des Männergesangvereins Miesenheim sowie der Andernacher Liederkranzchöre: der gemischte Chor Vokal Vital, der Frauenchor Singiora sowie dem Klangwerk.
Finanzieller Engpass
Einige Chöre nutzten während der Pandemie das Onlinesingen als Alternative zu Präsenzproben. So auch der Polcher Männerchor. „Unser Chorleiter Marco Herbert hat uns online ganz schön strapaziert“, schmunzelt Bernd Strang. „Einige unserer Chormitglieder haben sich gesperrt. Sie haben an den virtuellen Proben nicht teilgenommen.“ Der 79-Jährige leitete über vier Jahrzehnte als Erster Vorsitzender die Geschicke des Klangkörpers. Strang freut sich, dass die Proben vor dem Forum in Polch im Freien wieder beginnen können. „Das Ding ist“, so der aktuell Zweite Vorsitzende, „wir müssen den Chor wieder ans Laufen bekommen. Außerdem plagt uns ein finanzieller Engpass. Wir hatten keinerlei Einnahmen und waren gezwungen, die Gebühren für unsere aktiven Mitglieder zu erhöhen.“
Bis vor wenigen Tagen gab es auch beim Singkreis 70 virtuelle Proben. Aktuell gehören dem in Koblenz beheimateten Ensemble knapp 60 Sänger im Alter von 30 bis 79 Jahren an. Ab Juli wurde draußen mit Abstand geprobt, ab Oktober wurde der Probebetrieb dann wieder eingestellt. „Unser Chorleiter Wolfgang Fink hatte uns zwischenzeitlich virtuelle Proben angeboten“, berichtet Claudia Stolper, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. „An dieser Form der Gesangsproben haben jedoch nicht alle Sänger teilgenommen.“ Jetzt ist die Vorfreude auf die Präsenzproben bei der Sängerin groß. Am 1. Juni gab es die erste Probe für zehn Personen plus Chorleiter – jeweils eine Stunde für den Sopran und eine Stunde für den Tenor, unter freiem Himmel. Und nun dürfen bereits 20 Personen plus vollständig Geimpfte und Genesene plus Chorleiter draußen proben. Geprobt wird im Außenbereich des Bürgerzentrums in Koblenz-Lützel. „Wir singen in einem durch Mauern geschützten Bereich, sodass sich sogar der Klang unseres Chores richtig entfalten kann.“ Ein Konzert hat der Singkreis 70 aktuell noch nicht ins Auge gefasst.