Rüdiger Sterzenbach ist ein renommierter Verkehrswissenschaftler. In einem Gastbeitrag für unsere Zeitung konstatierte er jüngst: „In der rheinland-pfälzischen Verkehrspolitik fehlt es in der Regel nicht an einem programmatischen Anspruch. Es fehlt jedoch vielfach die Fähigkeit und auch nicht selten der Wille, das richtig Erkannte in der Praxis umzusetzen.“ Das soll im Kreis MYK mit Landrat Alexander Saftig (CDU) an der Spitze nicht passieren, deshalb hat man Sterzenbach als Berater engagiert.
Im ÖPNV-Ausschuss sagt der 77-Jährige: „Das Busangebot ist in Teilen sehr gut, in Teilen sehr schlecht angenommen worden.“ Aufgabe sei es jetzt, dort Busse zu streichen, wo sie nicht oder kaum genutzt werden. Laut Sterzenbach beträgt der Einspareffekt dabei 5 bis 10 Millionen Euro jährlich. „Wir sparen Geld, um es orientiert an der Nachfrage wieder in den ÖPNV zu stecken“, empfiehlt er. „Ich gebe Ihnen Entscheidungsgrundlagen. Politisch entscheiden müssen jedoch Sie.“
Sterzenbach macht Mut für Veränderung. „Sie sind auf dem richtigen Weg“, sagt er zu den Ausschussmitgliedern von CDU, SPD, FWG MYK, AfD, Grüne, FWM3/Linke und FDP. „Lassen Sie sich nicht beirren, wenn Sie Geisterbusse, also leere Busse, streichen und damit die ökonomische und ökologische Verschwendung beenden.“
Zugleich mahnt er bei den ÖPNV-Kunden mehr Respekt an. Nur 10 bis 15 Prozent der Busfahrer haben Deutsch als Muttersprache. „Da sitzen Leute aus Indien am Steuer“, sagt Sterzenbach und appelliert: „Geben Sie diesen Menschen Wertschätzung.“
Die BPV Consult GmbH hat das derzeitige ÖPNV-Konzept evaluiert und Vorschläge erarbeitet, wie der ÖPNV im Kreis MYK dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden kann. Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehören:
- Das neue Linienkonzept stärkt das Maifeld und alle Linien nach Koblenz, inklusive der Expresslinie 370, spürbar.
- Insgesamt gibt es in den Linienbündeln Pellenz, Maifeld und Vordereifel mehr Angebotsleistung als zunächst geplant. Mit der Ausschreibung wurde einstimmig mehr bestellt.
- Eine einwöchige Zählung der Fahrgäste während der Schulzeit ergab: 23 Linien haben pro Fahrt weniger als sechs Fahrgäste im Schnitt, 25 Linien haben 15 Fahrgäste und mehr pro Fahrt.
- Viele Leerfahrten gibt es in der Vordereifel – abgesehen von den Schülerbussen. Hier müsste man prüfen, ob man On-Demand-Angebote, also Rufbusse oder Sammeltaxis, einführen kann.
- In der Gesamtbewertung gehören beispielsweise die Linien 340 zwischen Polch, Wolken und Koblenz und 350 zwischen Mayen, Ochtendung und Koblenz zur Spitzengruppe aller Buslinien im Kreis MYK. Die Linie 360 zwischen Münstermaifeld, Polch und Mayen liegt leicht über dem Durchschnitt aller 71 Linien mit 14,6 Fahrgästen pro Fahrt.
Der ÖPNV-Ausschuss im Kreis MYK diskutiert Veränderungen beim Busangebot. Sascha Ditscher - Auch die Regio-Linien, die vom Land mitfinanziert werden, stehen auf dem Prüfstand, denn das Land fordert hier eine Kürzung von 10 Prozent. In der Gesamtbewertung gehören die Linien 300 (Niedermendig, Plaidt, Andernach) und 301 (Rübenach/Amazon, Plaidt, Neuwied) zum oberen Drittel. Bei den Linien 310 (Plaidt, Eich, Andernach) und 320 (Mayen, Niedermendig) liegt die Auslastung schon unter dem Durchschnitt. Ein Problem ist laut Christoph Zimmer vom Koblenzer Fachbüro BPV Consult, dass die Linien 300 und 320 auf längeren Distanzen sehr langsam sind. Während man mit dem Auto in 26 Minuten von Mayen nach Andernach fährt, braucht man mit dem Zug 33 Minuten und mit dem Bus sogar 124 Minuten.
- BPV Consult empfiehlt unter anderem, die Linien 320 und 300 als Expresslinie zu entwickeln: Die L 320 auf 22 Minuten beschleunigen (heute 37 Minuten), die L 300 auf 37 beschleunigen (heute 81 Minuten).
- Von den neun Nachtbuslinien erreichen nur vier Linien mehr als sechs Fahrgäste im Durchschnitt, entsprechend könnten fünf Linien entfallen. Auffallend ist: Nur die Nachtbuslinien, die in Koblenz beginnen oder enden, werden sehr gut angenommen. Dazu gehören die N24, N25, N31 und N32.
- Das Fazit von Christoph Zimmer, der die Analyse mit seiner Kollegin Magdalena Eul erstellt hat, lautet: „Man kann aus dem System etwas rausholen.“
Georg Moesta von der CDU-Fraktion betont in der anschließenden Debatte: „Wir sind nicht auf der Suche nach Schuldigen, sondern auf der Suche nach Lösungen. Wir sehen den Nachsteuerungsbedarf bei nicht ausgelasteten Linien und den Optimierungsbedarf bei gut laufenden Linien.“ Maximilian Mumm von der SPD-Fraktion sieht den ÖPNV auf einem guten Weg. „In der Verbandsgemeinde Maifeld gibt es jedenfalls keine Beschwerden mehr.“
Das Thema steht bei der nächsten Kreisausschusssitzung am 11. November wieder auf der Agenda.