Viele Männer mit Namen Hans haben ihr Ende in jenem verwunschenen Waldsee gefunden, in dem eine merkwürdige Dreier-WG lebt: die Nixe Undine und ihre Pflegeeltern Loreley und Kühleborn, magische Gestalten aus der Sagenwelt. Manch skelettierter, blanker Hans wiegt Undine gedankenverloren in ihren Armen, und das seit Hunderten von Jahren. Sie träumt von einem Ritter, einer, der sie bedingungslos liebt und der sie mit in eine andere Welt nimmt.
Wie so oft: Der Schein trügt
Die Harmonie trügt. Die angespannt wirkende Undine hat handfeste Interessen, ihrem Trommelfeuerwerben ist Hans rasch erlegen – er verspricht der Geheimnisvollen die Liebe. Und leugnet, dass er eine Beziehung zu einer gewissen Bea in der Welt der Menschen hat – der Konflikt ist programmiert. Zunächst entspinnt sich heiß-innigliche Liebe, die so weit geht, dass Undine (scheinbar) bereit ist, die Dominanz des Mannes zu akzeptieren: „Er steht vorn, er geht voraus, er ist Mann.“ Aber: „Er stirbt auch als Erster.“
Eine Nebenbuhlerin wendet das Blatt
Die neue Welt wird von Undine in rosaroten Farben überzeichnet. „Zu Hause ist, wo du bist, ich wohne in deinem Herzen“, flötet sie Hans ins Ohr und rühmt „seine kraftvollen Oberschenkel, die sie an Pottwale erinnern.“ Die totale, ein wenig enervierende Inbesitznahme ist ihr Ding, ein wenig Tiefgang, warum ist dieser der eine und Einzige ist, lässt sie missen.
Als die Nebenbuhlerin auftaucht, wendet sich das Blatt. Als sportliche Schwimmerin pirscht sich Bea in Mermaiding-Manier an den abgelegenen See an. Sie ist mehr als nur Hans' platonische Freundin. Will ihn resolut zur Rede stellen und beschimpft nicht nur ihn. „Ich habe die älteren Rechte gegenüber einer Provinznymphe.“ Hans muss sich entscheiden, ein Liebesschwur geht ihm jedoch hüben wie drüben nicht über die Lippen. Er ist im Zwiespalt, wie soll er sich entscheiden? Er wirft das Ruder herum, lässt sich einschüchtern und beeindrucken. Und hat damit scheinbar sein Todesurteil quasi unterschrieben.
Kurzweilige Inszenierung
Dass Liebe kein Elixier mit Garantie ist, das gegenüber anderem Werben auf ewig und alle Zeiten immun macht, wird im Stück von Britta Kristina Schreiber (Inszenierung) überdeutlich. Starke Frauen haben die Männer im Griff, auch wenn Kühleborn (schnodderig-lässig: Martin Geisen) gern mal dazwischenfunkt. Er lebt im Dauerzwist mit Loreley (geheimnisvoll-souverän: Sabine Brandauer), die meist das letzte Wort hat. Indes bewegt sich Hans (emotionsgeladen: Lukas Benjamin Engel) fast wie in einer Nussschale treibend zwischen Undine (kraftvoll: Anne Müller) und Bea (beherrschend: Rebekka Wurst).
Die kurzweilige Inszenierung nimmt vor allem im zweiten Durchgang Fahrt auf, der Spannungsbogen ist gut aufgezogen und entlädt sich mit einem ungewöhnlichen Finale. Das Bühnenbild (Caroline Neven Du Mont) spiegelt in dystopischer Manier die Gefahren, die von menschlichem Eingriff ausgehen. Die Kostüme (Neven Du Mont) sind beeindruckend und brillant gewählt. Das Publikum im ausverkauften Alten Arresthaus nimmt das Stück freundlich, teils begeistert auf. Eines steht fest: Dieses als Jugendstück (und teils in salopper Sprache) konzipierte Stück hat mehr Zuschauer verdient, vor allen jüngere.
Weitere Aufführungen
Die nächste Aufführung von Undine ist am Dienstag, 13. Juni, 20 Uhr (Eintritt: 14 Euro); das Stück wird noch 13 Mal bis zum 18. August gespielt. Nächste Premiere ist für „Verhext und zugenäht“ am Samstag, 17. Juni, 20 Uhr, auf der großen Bühne. Karten/Informationen: www.burgfestspiele-mayen.de