Warum kleine Blühstreifen an der Freileitungstrasse im Maifeld einen großen Nutzen haben können
Biodiversität unter Strom: Wo unter der Freileitungstrasse im Maifeld neues Leben entsteht
Tamara Rischen ist promovierte Agrarökologin. Seit 2022 arbeitet die 30-Jährige für die Stiftung Kulturlandschaft Rheinland-Pfalz.
Birgit Pielen

Tamara Rischen, 30-jährige Agrarökologin, kümmert sich im Dienste der Wissenschaft um das „Flower Line Projekt“ im Maifeld. Dort ist die  Freileitungstrasse von Lonnig bis Pillig in eine Blühtrasse umgewandelt worden. Was wächst jetzt hier? Welche Insekten leben hier? Und was bringt das Ganze?

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Seit 2022 arbeitet Tamara Rischen für die Stiftung Kulturlandschaft Rheinland-Pfalz. Diese Stiftung ist zuständig für das Projekt „Flower Line“, das von Amprion als Übertragungsnetzbetreiber finanziert wird. Die wissenschaftlichen Untersuchungen werden in Kooperation mit der Universität Koblenz durchgeführt, wobei Studierende aktiv eingebunden werden.

Hier summt und brummt es

Fragen wir Tamara Rischen also direkt: Was bringt das Ganze? „Wir haben ein ehrgeiziges Ziel“, sagt sie, „wir wollen zeigen, wie Kultur- und Naturlandschaften optimiert werden können. Jede einzelne Blühinsel entlang der Trasse trägt zur Verschönerung des Landschaftsbildes bei und leistet einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt.“

Die Blühinseln sind Lebensräume für eine Vielzahl von Insekten, Vögeln und anderen Tieren.
Birgit Pielen

Und tatsächlich: Auf diesen farbenfrohen Blühinseln summt und brummt es. Sie sind Lebensräume für eine Vielzahl von Insekten, Vögeln und anderen Tieren und unterstützen somit die Biodiversität in einer Zeit, in der viele Arten unter Druck stehen. Das Spannende bei diesem Projekt ist: Hier wird niemandem etwas weggenommen. Landwirte können diese Flächen unter der Freileitung nicht bewirtschaften. Aber immerhin geht es hier um ein 120 Quadratmeter großes Gelände. Also sind hier mehrjährige Wildblumenmischungen ausgesät worden. „So können wir diese Flächen aufwerten“, sagt die Wissenschaftlerin. Aufwerten als Biotope für Artenvielfalt. Tamara Rischen ist überzeugt: „Da steckt viel Potenzial drin.“

Wie man bereits mit bloßem Auge erkennen kann, tummeln sich in den Blühinseln viele kleine Lebewesen. Reptilien nutzen das bunte Grün. Inmitten von Rotklee, Glockenblumen, Klatschmohn, Schafgarbe und Echter Kamille können sogar Rebhühner brüten. Doch vor allem Käfer, Spinnen und Wildbienen haben sich hier einen neuen Lebensraum erobert. „Sie sind unverzichtbare Akteure für unsere Ökosysteme“, sagt Tamara Rischen. „Sie sind natürliche Schädlingsbekämpfer und Bestäuber.“

Wildbienen beispielsweise sind wichtige Bestäuber für Wildpflanzen, Obstbäume und Feldfrüchte. Ohne sie würde vieles, was jetzt scheinbar selbstverständlich in der Natur um uns herum wächst, zugrunde gehen. Tamara Rischen überprüft die Artenvielfalt unter anderem mit einer sogenannten Flugfalle.

Mithilfe der Flugfalle wird die Artenvielfalt untersucht.
Birgit Pielen

Von April bis Juli hängt diese Falle unter dem Freileitungsmast. Fluginsekten kollidieren mit einer transparenten Abdeckung und fallen in einen Trichter, wo sie in eine Flüssigkeit gelangen, die sie umgehend tötet. „Exakt alle zwei Wochen entfernen wir die Probe, um sie zu untersuchen“, sagt die Agrarökologin. „So können wir über die Monate hinweg ein großes Artenspektrum erfassen.“ An zehn verschiedenen Standorten entlang der Trasse wird dieses Verfahren angewendet. Die Ergebnisse werden anschließend mit den Befunden von zehn Brachflächen und zehn konventionell bewirtschafteten Flächen unterhalb von Freileitungsmasten derselben Trasse verglichen.

Wenn man diese Blühinseln inmitten der weiten Ackerlandflächen des Maifeldes sieht, wirken sie geradezu winzig. Da fragt man sich, ob diese kleinen Oasen wirklich etwas bringen. Und dann noch unter den Strommasten. Tamara Rischen kann beruhigen. Auch wenn die wissenschaftliche Untersuchung erst im Frühjahr begonnen hat und noch bis zum Jahr 2028 dauern wird: Das, was sie schon jetzt sieht, begeistert sie.

Tamara Rischen schätzt, dass ihre Proben nach dem Sommer mindestens 300 verschiedene Insektenarten erfassen werden.
Birgit Pielen

„Selbst kleinflächige Maßnahmen wie Blühinseln können auf intensiv bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen zur Biotopvernetzung beitragen und wertvolle Lebensräume für Tiere schaffen“, sagt sie. „Das ist wirklich für sehr viele Arten von Tiergruppen hier wertvoll.“ Sie schätzt vorsichtig, dass ihre Proben nach dem Sommer mindestens 300 verschiedene Insektenarten erfassen werden.

Gefahr durch Elektromagnetismus?

Wissenschaftliche Untersuchungen der Universität Koblenz haben schon im Jahr 2020 gezeigt, dass die Biodiversität von Blühinseln teilweise vergleichbar mit denen von großflächigen Langzeitbrachen ist. Vor diesem Hintergrund initiierte die Stiftung zur Förderung der Kulturlandschaft Rheinland-Pfalz dann gemeinsam mit Amprion das Projekt „Flower Line“.

Dass elektromagnetische Felder von Hochspannungsleitungen die Bestäubungsleistung von Bienen beeinträchtigen, ist wissenschaftlich nicht belegt.
Birgit Pielen

Eine wissenschaftlich fundierte Studie, dass elektromagnetische Felder von Hochspannungsleitungen die Bestäubungsleistung der Bienen beeinträchtigen, ist laut Tamara Rischen übrigens nicht bekannt – auch wenn im Internet gerne allerhand Pseudowissenschaftliches dazu verbreitet wird. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat ebenfalls „keine wissenschaftlich belastbaren Hinweise auf eine Gefährdung von Tieren und Pflanzen durch hochfrequente elektromagnetische sowie niederfrequente und statische elektrische und magnetische Felder unterhalb der Grenzwerte“.

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